

Muskelshirt für die Familie
Der neue Renault Espace gibt sich als clevere Familienkutsche mit Feinschliff – doch beim Antrieb und Komfort wäre etwas Feintuning durchaus willkommen.
Der Espace war einst ein rollendes Wohnzimmer. Heute gibt er den SUV mit Hybridherz und sportlich gemeinter Linie – eine Art Familienvater im Muskelshirt, der sich zwar bemüht, aber keine Hanteln hebt. Optisch wirkt der geliftete Franzose jetzt wie der kleine Bruder des Rafale: überarbeiteter Grill, schickes Heck, verspielte Lichtsignatur. Renault spricht stolz von 33?Prozent neuen Karosserieteilen. Wir sagen: Wer das erkennt, braucht gute Augen – oder einen Pressetext.
Technisches Highlight: das neue Solarbay-Glasdach. Per Sprachbefehl oder Knopfdruck lässt es sich verdunkeln – futuristisch, aber letztlich ein Gimmick. Wichtiger ist: Wie fährt er sich? Antwort: ganz ordentlich – solange man keinen Turbo mit Temperament erwartet. Der Dreizylinder röchelt sich mit 131 PS durchs Leben, unterstützt von zwei E-Motoren. Das ergibt 200 PS Systemleistung – klingt kraftvoller, als es sich anfühlt. Für den Alltag reicht’s.
Das kupplungsfreie Multi-Mode-Getriebe schaltet inzwischen sanft genug, um nicht mehr als Fremdkörper aufzufallen – ein Fortschritt. Im Stadtverkehr gleitet der Espace oft elektrisch, was angenehm leise ist und Sprit spart. Der Verbrauch pendelt sich irgendwo zwischen „brav“ und „okay“ ein – rund sechs Liter waren auf unserer Proberunde realistisch. Aber mal ehrlich: Ein Familienauto mit Ansage braucht mehr als gute Manieren. Der Antritt ist solide, aber nie begeisternd. Die Geräuschkulisse bleibt dezent, doch ein Dreizylinder im SUV bleibt ein akustischer Kompromiss.
Straff und schlaff
Das Fahrwerk zeigt sich französisch-pragmatisch: straff genug für Kurven, aber auf Flickenteer zu nervös. Komfortfans werden weiterhin neidisch Richtung Citroën schielen. Positiv: Die serienmässige Allradlenkung in den höheren Ausstattungen macht das grosse Auto erstaunlich handlich – fast wie ein Clio beim Einparken.
Innen: viel Platz, viele Bildschirme, viel Google. Das System hört gut zu, erkennt sogar Gesichter – Orwell hätte seine Freude. Wer sich durch alle 32 Assistenzsysteme klickt, weiss: Moderne Mobilität ist vor allem ein Menü mit Untermenüs. Zum Glück lassen sich die elektronischen Aufpasser per My Safety-Switch mit einem Doppelklick beruhigen – digitaler Seelenfrieden auf Knopfdruck.
Was bleibt: Der neue Espace fährt sich clever, sparsam und souverän – aber ohne grosse Emotion und ohne echte Ambition. Ein durchdachter Hybrid-Gleiter mit kleinen Schwächen bei Klang, Komfort und Charakter. Wer damit leben kann, bekommt ein modernes SUV mit viel Raum – und etwas weniger Magie als früher.
Text: GAT
Bilder: Renault