Vom Spiegel zur Sensorflut

30 Jahre Einparkhilfe

Wenn Papa den Rückwärtsgang einlegte, sich umdrehte und lässig mit einer Hand am Beifahrersitz abstürzte, dann wussten wir Kinder: Jetzt werden wir Zeuge, wie sich unser Auto in die «da, kommst Du niemals rein»-Lücke zaubert. Was früher eine Mischung aus Augenmass, Gefühl und Glück war, helfen heute Sensoren, Kameras oder gar teilautonome Systeme.

Veröffentlicht am 18.02.2025

Die Fahrzeuge werden immer grösser, die Parkplätze bleiben gleich gross. Genau hier beginnt die Geschichte der Einparkhilfe. 

Der Mensch als Sensor

Bevor es technische Hilfsmittel gab, half nur eins: Der Fahrer musste selbst einschätzen, ob das Auto in die Lücke passt. Rückspiegel wurden erst in den  1920er-Jahren zum Standard, aber in engen Gassen oder beim Rückwärtsparken halfen sie nur bedingt. Wer auf Nummer sicher gehen wollte, nahm einen Beifahrer oder liess sich von Passanten einweisen. Früher war man noch hilfsbereiter untereinander, mit mehr oder weniger hilfreichen Handzeichen und Zurufen.

Erste Experimente

In den 1950ern experimentierten einige Autobauer mit besseren Lösungen. Optische Orientierungshilfen wie Peilstege und -stäbe halfen in Modellen der oberen Mittelklasse und der Oberklasse beim Einparken. Cadillac bot in den 1950ern optionale "Guidelines" an – Markierungen, die das Einparken erleichtern sollten. Toyota versuchte sich in den 1970ern an einem mechanischen System mit herausfahrenden Stäben, die den Abstand zur Umgebung anzeigen sollten. Problem war, dass diese diese Lösungen zu umständlich und zu teuer waren, sodass diese sich schlussendlich nicht durchsetzen. 

Der erste echte Parkassistent

Erste technische Einparkhilfen entstanden in den 1980er-Jahren. 1983 entwickelte Toyota für den Corona ein akustisches System basierend auf Ultraschallsensoren. Genau genommen ist es ein technischer Vorreiter der heutigen PDC (Park Distance Control). Aber es war so kostspielig, dass für dieses Geld die Stossstangen grad frisch lackiert werden konnten. 

Der erste brauchbare Ultraschallsensor erobert den Markt


Der grosse Durchbruch kam 1995. Mercedes führte in der S-Klasse (Baureihe W140) das erste weit verbreitete Parktronic-System ein, das mit Ultraschallsensoren arbeitete. Die Mitbewerber aus München zogen 1997 mit der BMW 7er-Reihe nach, Audi folgte wenig später. Diese Technologie revolutionierte das Einparken: Je schneller das Piepen, desto näher das Hindernis. Manche Systeme waren jedoch weniger sensibel, so landeten manche Fahrzeuge erst im Maschendrahtzaun, bevor die akustische Warnung kam. 

Rückfahrkameras und automatische Systeme

Mit der Digitalisierung kamen neue Lösungen. 2002 brachte Toyota im Lexus LS 430 die erste Rückfahrkamera auf den Markt. Ab 2003 führte BMW das erste aktive Parksystem ein, das Lenkbewegungen automatisch übernahm – der Fahrer musste nur noch Gas und Bremse bedienen. Felgen-Reparateure hassen sie für diesen Trick. 

Autonomes Einparken und 360-Grad-Überwachung


Heute sind Einparkhilfen aus kaum einem Auto mehr wegzudenken. Kameras bieten Rundumsicht, Parksensoren arbeiten mit Radar und KI-Systeme übernehmen das komplette Ein- und Ausparken. Manche machen das erstaunlich fix – Mercedes parkt mit 4 km/h ein. Andere brauchen so viel Zeit, dass es manuell deutlich schneller geht. Neuester Schrei: Ferngesteuerte Parkmanöver via Smartphone. Man verbindet sich mit dem Fahrzeug, steigt aus und läuft neben seinem Auto her. Diese Systeme sind aktuell nicht nur unfassbar langsam, es sieht zudem noch ziemlich dämlich aus, mit seinem Auto Gassi zu gehen. Die Vorreiter von damals sind auf diesem Gebiet weiterhin führend. BMW, Mercedes aber auch Tesla’s System darf als sehr fortschrittlich bezeichnet werden. 


Wenn wir irgendwann nur aus dem Auto aussteigen müssen und es selbstständig einparken kann, davon sind wir noch weit entfernt. Ein weiteres Problem wird ebenso herangezüchtet, denn mit ausfallenden Systemen wird ein Grossteil der aktuellen Fahrzeuglenker nicht schadenfrei einparken können. Vielleicht sollte man wieder lernen, wie man den Rückwärtsgang einlegt, sich umdreht und am Beifahrersitz festhält und das Auto in die Lücke zaubert. 


Text: GAT
Bilder: Mercedes, VW, CC

 

 

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