Gutachter sind sich nicht immer einig
Ralf ist kein Unbekannter auf dem Strassenverkehrsamt. Über die Jahre hat er sich eine Vielzahl an Vergehen zuschulden kommen lassen, bis es den Behörden zu bunt wurde – Ralf musste zur verkehrspsychologischen Abklärung. Einig war man sich da allerdings nicht.
Ralfs Sündenregister beim Strassenverkehrsamt ist lang, sehr lang. Bisher wurden mehrere Ausweisentzüge ausgesprochen: Im Jahr 2004 wegen Missachtung des Vortritts, Überfahren einer Sicherheitslinie, Nichtanpassen der Geschwindigkeit, mangelnder Aufmerksamkeit, erneute Verstösse im Jahr 2005, Geschwindigkeitsübertretung im Jahr 2007 mit neuerlichem Ausweisentzug und Verkehrsunterricht, Fahren unter Drogen im Jahr 2009, leichte Geschwindigkeitsübertretung im Jahr 2017, ein Unfall 2018, Fahren ohne Führerausweis im Jahr 2020. Als dann nochmals eine grobe Geschwindigkeitsübertretung anfangs 2023 dazukam, reichte es dem Strassenverkehrsamt. Es entzog Ralf das Billett und ordnete eine verkehrspsychologische Abklärung an. Und Ralf segelte glatt durch. Er spielte die Vorfälle herunter, zeigte keine Einsicht und wurde als charakterlich ungeeignet eingestuft, um ein Auto zu fahren.
Es gibt sie also tatsächlich, die Fälle, bei denen man zur Verkehrspsychologin muss. Nämlich dann, wenn aus verkehrspsychologischer Sicht eine charakterliche Problematik besteht, die dazu führt, dass die Person sich in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht an das Strassenverkehrsgesetz halten wird.
Anders eingeschätzt
Ralf wurde die Wiedererteilung von der Bedingung abhängig gemacht, dass eine verkehrspsychologische Begutachtung die sogenannte «charakterliche Fahreignung» bejaht. Es ging dabei nicht um die Physis oder die Koordination, sondern darum, ob sich Ralf auf der Strasse im Griff hatte. Nachdem Ralf mit dem Ergebnis der Verkehrspsychologin nicht zufrieden war, empfahl ihm Robin Road einen anderen Gutachter. Und Ralf bereitete sich auf das Gespräch besser vor.
Der neue Verkehrspsychologe schätzte die Situation deutlich weniger dramatisch ein als seine Kollegin noch ein paar Monate zuvor. Die Empfehlungen und Schlussfolgerungen des Gutachters waren für das Strassenverkehrsamt nachvollziehbar und schlüssig. Aufgrund des verkehrspsychologischen Gutachtens erhielt Ralf den Führerausweis wieder zurück, wenn auch unter Auflagen:
Ralf musste sechs Sitzungen Verkehrstherapie im Einzelsetting verteilt auf sechs Monate absolvieren. Die Kosten der Auflagenkontrolle musste er selbst bezahlen. Zudem war er dafür verantwortlich, dass die Sitzungen fristgemäss stattfanden und die Therapiebestätigungen dem Strassenverkehrsamt unaufgefordert eingereicht wurden. Wäre die Verkehrstherapie nicht eingehalten worden (beispielsweise wegen nicht wahrgenommener Termine) oder wären die Therapiebestätigungen nicht fristgerecht dem Strassenverkehrsamt zugestellt worden, hätte dies einen erneuten Entzug des Führerausweises zur Folge haben können.
Vorbereitung lohnt sich meist
Zusammenfassend hängt es von der Quantität, aber auch von der Qualität der Vorbelastungen ab, ob eine verkehrspsychologische Beratung notwendig ist. Und wenn man dann hingehen muss, sollte man sich eine gute Gutachterin aussuchen, eine, die einen guten Ruf hat und mit der man klarkommt. Manchmal reicht dazu ein Telefongespräch, um einen ersten Eindruck zu erhalten. Und natürlich ist die Vorbereitung auf das Gespräch das A und O. Im Internet gibt es Listen der schweizweit anerkannten verkehrspsychologischen Gutachter. Robin Road wünscht allseits gute Fahrt!
Robin Road hilft
Dr. Rainer Riek – alias Robin Road – schreibt in jeder ai-Ausgabe und auf unserer Website über strassenverkehrsrechtliche Themen sowie rund ums Auto im Recht. Er ist Rechtsanwalt und Notar bei www.zp-law.ch und unter anderem spezialisiert auf Strassenverkehrsrecht. Zudem postet er seine Autoquartette auf dem Autoblog von www.driving.legal. Wichtiger Hinweis: Es handelt sich hier meist um reale Fälle mit geänderten Namen. Jeder Fall ist verschieden und muss einzeln betrachtet werden. Daher erfolgen sämtliche Empfehlungen und Angaben ohne Gewähr.
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