Fords bewegte Geschichte
Bei Ford gibt es dieses Jahr viel zu feiern: Henry Ford ist vor 160 Jahren zur Welt gekommen, vor 130 Jahren lief sein erster Motor, und schliesslich jährt sich die Gründung der Ford Motor Company zum 120. Mal. Rückblick auf eine bewegte Geschichte.
Heiligabend 1893: Clara Ford ist gerade daran, für den eineinhalb Monate alten Säugling Edsel den Schoppen zuzubereiten, als ihr Mann Henry reinstürmt und ein unförmiges Ding ins Spülbecken stellt: seinen Einzylinder-Viertakter. Er leert eine Kaffeetasse Benzin in einen kleinen Behälter, schraubt an der Düsennadel neben dem Einlassventil herum und setzt eine Einfachstzündkerze unter Strom. Und siehe da: Das Ding wackelt, hustet und spuckt, aber es läuft. Nachdem er die von Nicolaus Otto 1863 — Henry Fords Geburtsjahr — erfundene Maschine genau studiert hatte, musste er eine eigene Version entwickeln. Ford verbringt viel Zeit in der Ziegelhütte hinter dem Wohnhaus, am 4. Juni 1896 rollt schliesslich ein vierrädriges, zweisitziges Vehikel mit Kuhschwanzlenkung und dem zum Zweizylinder weiterentwickelten Motörchen über Detroits Strassen.
Thomas Edison ist Pate
Finanziert wird Henry Fords Autofimmel durch einen Nachtjob bei der Edison-Gesellschaft, der es ihm erlaubt, tagsüber zu basteln. Wann Ford geschlafen hat, verrät uns die Geschichte nicht. Thomas Edison fördert den 16 Jahre jüngeren Ford nach Kräften. 1899 entsteht so die Detroit Motor Company, die jedoch ihre Tore nach 20 gebauten Autos wieder schliessen muss.
Thomas Edison (links) und Henry Ford.
Sein zweites Unternehmen, die Henry Ford Company, verlässt er nach kurzer Zeit. Der zugezogene Sachverständige ist übrigens ein gewisser Henry M. Leland, der die Firma weiterführt und umbenennt – in Cadillac. Am 16. Juni 1903 wird mit einem Kapital von 100'000 Dollar die Ford Motor Company gegründet. Dazu geht der 40-jährige Henry Ford eine Partnerschaft mit elf weiteren Geldgebern ein, die Know-how und Beziehungen in die Firma bringen. So etwa die Gebrüder Dodge, die Motoren und Getriebe herstellen. Das erste Modell ist der A Roadster.
Baubeginn ohne Bestellung
Ford Model A, das erste Auto der Firma.
Während andere Hersteller ein Fahrzeug nur auf Kundenwunsch bauen, startet der 850 Dollar teure A Roadster ohne eine einzige Vorbestellung in der Schublade. Am 15. Juli 1903 geht von Dr. Pfennig aus Chicago die erste Order der Ford-Geschichte ein. Nach 15 Monaten sind 1700 Autos verkauft: eine erstaunliche Zahl. Der Nachfolger heisst C, die 2000 Dollar teure Luxusvariante B, der — erfolglose — Sechszylinder nennt sich K. Aufgrund von Differenzen mit seinen Partnern geben diese nach und nach ihre Anteile ab. Seine Philosophie, nur gewinnbringende, leicht verkäufliche Einheitsautos zu bauen, passt ihnen nicht.
Die Fliessbandproduktion macht das Model T zum preisgünstigsten Auto der Welt.
Sie gipfelt im Model T, das am 1. Oktober 1908 auf den Markt kommt und dessen preisgünstige Fliessbandproduktion die Welt revolutioniert. Die von seinen Mitstreitern prognostizierte Pleite bleibt aus, der Ford T wird zum ersten Volksauto und macht Ford reich. 1919 kann er für sagenhafte 105'568'858 Dollar alle restlichen Aktien zurückkaufen und ist nun Alleinherrscher, seinen Sohn Edsel ernennt er zum Firmenchef.
Schwierige Beziehung
Das Vater-Sohn-Verhältnis ist allerdings problematisch. Der moderne Edsel und der konservative Henry harmonieren nicht. Das T-Modell neigt sich dem Ende seiner Laufbahn zu, aber der sture Vater willigt erst 1927 ein, mit dem – wieder Model A genannten – Nachfolger einen Neuanfang zu wagen. Edsel Ford setzt nicht nur seine Arbeitskraft, sondern auch seine Gesundheit für das Unternehmen ein. Er stirbt 1943 an Krebs, der 80-jährige Henry Ford ergreift erneut das Zepter, aber schliesslich siegt die Vernunft und Edsels Sohn Henry II. wird nach dem Krieg neuer Chef. Henry Ford I. stirbt am 7. April 1947 in Dearborn.
1924 landet der erste Ford in der Schweiz
Die Firma entwickelt sich schon früh zum weltumspannenden Unternehmen. Bereits ab dem Jahr 1911 werden Ford-Modelle in England, ab 1913 in Frankreich, später in Irland, Dänemark, Spanien, Italien, Belgien und schliesslich ab 1926 in Deutschland gebaut. Nicht immer geht das reibungslos vonstatten. Die Amerikaner mit ihren grossen Modellen und Untermarken wie Lincoln oder Mercury sind voll auf den US-Markt ausgerichtet, die Idee, für Europa eigene Fahrzeuge zu entwickeln, ist gut.
Aber auch die beiden europäischen Ford-Zentren Dagenham und Köln driften völlig auseinander. Oft wird ein fast identisches Modell zweimal entwickelt wie etwa der britische Cortina und der deutsche Taunus. Dem setzt die Heeresleitung in Dearborn allerdings bald ein Ende, und erfolgreiche Modelle wie Escort, Capri, Granada oder Sierra werden fortan zu (sehr erfolgreichen) Gemeinschaftsleistungen. Zu uns kommen die ersten Ford im Jahr 1924 durch Importeur Autavia in Basel. Ab 1933 werden die Aktivitäten in einem Büro in Zürich unter den Fittichen von Ford Belgien gebündelt, am 16. Oktober 1958 schliesslich wird die Ford Motor Company Switzerland S.A. aus der Taufe gehoben: Es ist eine bis heute andauernde Erfolgsgeschichte. (Aus für den Ford Fiesta.)
Text: Stefan Fritschi
Bilder: Ford