Thekengespräch mit einem Insider

Warum bezahlbare Auto verschwinden

Neulich sass ich mit einem alten Bekannten bei einem Bier zusammen. Er ist schon seit langem in der Autoindustrie tätig. Einer dieser Typen, die immer ein bisschen mehr wissen, als sie offiziell sagen dürfen. Also fragte ich ihn direkt: “Warum gibt’s eigentlich kaum noch bezahlbare Autos für normale Leute?" Seine Antwort hat mich verblüfft.

Veröffentlicht am 27.12.2024

“Früher gab’s doch jede Menge Autos im unteren Preissegment. Warum heute nicht mehr?” Ich dachte an die vielen kleinen, erschwinglichen Modelle, die ich vor ein paar Jahren noch überall gesehen hatte. Heute? Ausgestorben. Stattdessen haben wir an jeder Ecke SUVs und grosse Crossover, die sich die meisten jungen Leute kaum leisten können.

Mein Bekannter nahm einen Schluck Bier und grinste. “Schau, das Interesse der Hersteller an bezahlbaren Autos ist nur so lange da, wie sie damit Kunden gewinnen können, damit sie später zu den teureren Modellen wechseln. Der Fokus liegt nicht mehr auf 'Verkauf um jeden Preis', sondern auf 'Verkauf mit Profit' – und das ist eine ganz andere Welt.”

Das Geheimnis

“Meiner Meinung nach ist es das pikante Geheimnis der Autoindustrie”, sagte er. “Ein grösseres Auto zu bauen, kostet nicht viel mehr als ein kleines. Aber für das grosse Ding ist der Kunde bereit, wesentlich mehr abzudrücken. Das macht die Sache zu einem Spiel mit Gewinnmargen, nicht nur mit Verkaufszahlen.”

“Ah, das ist also der wahre Grund, warum die Hersteller lieber grosse Autos im Angebot haben: Sie bringen viel mehr Gewinn pro Stück ein. Warum also ein kleines, günstiges Auto verkaufen, wenn sie den Kunden auch in einen teureren, margenstarken SUV setzen können”, versuchte ich zu verstehen. 

Billige Modelle sterben aus

„Klar, ein paar Hersteller bieten noch günstige Einstiegsmodelle an“, erklärte er weiter. “Aber oft nur, um junge Kunden anzulocken, die dann hoffentlich in ein paar Jahren auf die teuren Modelle umsteigen.” Er lachte und fügte hinzu: “Aber die meisten machen sich die Mühe gar nicht mehr. Die Hersteller haben gelernt: Wenn die Kunden gleich von Anfang an ein grösseres, teureres Auto nehmen, hat man nicht nur weniger Ärger, sondern auch mehr Geld. Der Wechsel von einer Kauf- zur Leasing-Kultur hat dieses Phänomen noch stärker beflügelt.” Deshalb sind so viele preiswerte Kleinwagen einfach von der Bildfläche verschwunden.

Günstige Elektroautos?!

Dann kamen wir auf Elektroautos zu sprechen. “Glaubst du, wir werden bald ein Elektroauto für Normalverdiener sehen?”, fragte ich. Er schüttelte den Kopf. “Ganz ehrlich? Ein Elektroauto mit einer vernünftigen Reichweite für 25’000 Franken möchte kein Hersteller gerne auf den Markt bringen. Selbst die Hersteller, die daran arbeiten, wissen, wie gering ihre Margen dafür sein werden. In der Realität ist das einfach nicht wirklich profitabel und wenn der Technikteufel zuschlägt und die Dinger in der Garantiezeit Probleme machen, hat man nichts als Ärger am Hals.

Die Hersteller sind also hinter den Margen her. „Mehr Volumen bringt auch mehr Kosten mit sich. Rückrufe, Garantien, Logistik, alles Mögliche. Die goldene Regel wäre lieber nur wenige Verkäufe, aber dafür mit den Modellen mit hohem Gewinn.“

Billige Leasingverträge

“Aber was ist mit den 0,0-Prozent-Finanzierungen und mit den günstigen Leasingangeboten”, warf ich ein. Er winkte ab. “Das ist ein anderes Spiel“, sagte er. “Die günstigen Leasing-Preise sind oft ein Zeichen dafür, dass der Markt übersättigt ist, die Hersteller zu viel produziert haben und die Kisten vom Hof müssen. Die versuchen dann zuerst, die Autos loszuwerden, ohne dafür die Verkaufspreise direkt senken zu müssen.”

Er stellte sein Glas ab und beugte sich vor. “Die Wahrheit ist: Die Autohersteller sind nicht mehr darauf aus, den Kunden alle zwei, drei Jahre ein günstiges Auto zu verkaufen. So tickt ja auch keiner mehr von uns Käufern. Sie wollen dir ein teures Fahrzeug mit möglichst hoher Marge andrehen und es am besten gleich für sieben Jahre durchfinanzieren. Der Hersteller ist happy, ein weiteres Auto an den Mann gebracht zu haben. Der Verkäufer ist happy, dass man mit dem schmucken Teil brav in den Service fährt. Und die Bank ist glücklich für die vielen Zinsen, die man zahlt. Und nicht zuletzt ist man selbst happy, ein dickeres Auto zu fahren, als es das Portemonnaie eigentlich erlauben würde.”

Grosse Autos, grosse Preise

Ich seufzte und fragte, ob sich das irgendwann wieder ändern könnte. Er lachte. “Nur wenn die Käufer anfangen, die fetten Margen-Autos links liegen zu lassen. Aber solange die Leute weiter die grossen SUVs und Crossover kaufen, wird sich nichts daran ändern. Die Hersteller werden auf grosse, teure Fahrzeuge setzen, weil sie damit einfach viel mehr verdienen.” Liegt es am Bier oder am Gespräch? Der Traum vom “Auto für den kleinen Mann” ist inzwischen eine nostalgische Vorstellung geworden.

Text: GAT

Bilder: KI

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