70 Jahre VW Transporter in der Schweiz
Der 23. April 1950 markiert den Start des Volkswagen Transporters in der Schweiz. 70 Jahre später und nach sechs Generationen haben bis dato über 265 000 Exemplare in fast jedem Lebensbereich zuverlässige Dienste geleistet. Und die Geschichte dauert an. Im ersten Quartal 2020 war der Transporter stets in den Schweizer Top-Ten der meistgekauften Autos.
Der «Typ 2» eröffnete eine zweite Modelllinie für Volkswagen. Der Nutz-VW kam gerade richtig zum Wirtschaftswachstum der 1950er-Jahre. In seinem Herkunftsland war der zuverlässige Lieferwagen ein Rückgrat dessen, was wir heute als «Wirtschaftswunder» bezeichnen.
Der erste Bulli – angeblich die Kombination von «Bus» und «Lieferwagen» – strahlt bis heute die Zuversicht und den Zukunftsglauben aus, der die Zeit seiner Hochblüte so prägte. Den Namen Bulli hingegen durfte der Transporter bis in die jüngste Vergangenheit gar nicht offiziell tragen. «Bully» war 1950 von der Firma Kässbohrer besetzt.
Sehr rasch folgte der grosse Bus seinem erfolgreichen Bruder, dem Käfer. Laut Volkswagen Wolfsburg wurden noch 1950 237 Stück Typ 2 in die Schweiz exportiert, im Jahr darauf waren es bereits 605. In den AMAG-Büchern hingegen, beim Schweizer Importeur, wurde bis 1952 noch nicht zwischen Bus und Käfer unterschieden. So oder so, überzeugt hat in der Schweiz die gute Traktion des Bus, seine robuste Mechanik und im Fall der Fälle das rasch wachsende, gute Servicenetz.
Käfer-Qualitäten
Mit der Luftkühlung boten sich zudem dieselben Vorteile wie beim Käfer – Unempfindlichkeit gegen Hitze und Kälte und einfache Wartung. Dank seinem Heckmotor brachte der Bus zudem selbst als Frontlenker leer genügend Gewicht auf die Antriebsachse, ein Vorteil auch schlechten Strassen. Der Ur-Bus leistete gerade mal 25 PS und erreichte knapp 80 km/. Mit dem 1951 eingeführten «Sondermodell», in der Schweiz überproportional oft bestellt und heute als Samba- oder Fensterbus bekannt während er bei uns oft «Plexibus» hiess, stand den Hotels ein perfektes Shuttle zur Verfügung. Auf unzähligen alten Schweizer Postkarten ist irgendwo ein Samba-Bus zu sehen. Behörden und die Armee bestellten tausende seiner einfacheren Varianten. Viele erhaltene Schweizer T1, so heissst die erste Generation des VW Transporters, stammen denn auch aus ehemaligen Armeebeständen. Oft werden sie auf zivilen Look umgebaut. Das Los der Transporter in der privaten Wirtschaft aber hiess harte Arbeit bis zum Ende. Und so wurden sie bis zum bitteren Ende geschunden und verbraucht. Aber manch ein Handwerker hat mit dem T1 in Dankbarkeit seinen Handwagen in die Ecke gestellt und konnte seinen Kundenkreis und das Arbeitsrayon signifikant erweitern.
Hartes Leben
Die Überlebensrate der ersten Transporter-Generation ist somit mehr als gering. Von den ersten 273 Exemplaren im Jahr 1950 – alle tragen vierstellige Chassisnummern – dürfte kaum mehr als eine Handvoll erhalten geblieben sein. Kein Wunder werden selbst über Jahrzehnte im Wald gelegene Exemplare geborgen, so wie vor einiger Zeit im Entlebuch, wo ein 1950er Bus die Zeit auf dem Dach liegend überdauert hat und nun wieder auf die Räder kommen soll...
Über 46 855 Fahrzeuge des T1 wurden von 1950 bis 1956 in Wolfsburg, danach bis 1967 ab Hannover mit Destination «Schweiz» für die AMAG verladen. Darin sind die beiden Jahrgänge 1950 und 51 aus oben erwähntem Grund nicht eingerechnet. Insgesamt sind es laut Wolfsburg aber gar 53 714 Exemplare des T1 für die Schweiz. Die letzten Exemplare hatten 12 Volt Elektrik und ein 1.5 l Motor mit 44 PS und 104 Nm Drehmoment. Das reichte für etwas über 100 km/h.
Hippies und Weltenbummler
1967 kam der Nachfolger T2 mit neuer Hinterachse mit Doppelgelenkwelle – wie ein Porsche – und mehr Sicht nach Vorne dank Panorama-Frontscheibe. Der Nutzwert, die Variabilität und Vielfalt blieb dieselbe: ob Pritsche, Kastenwagen, Kombi, Hochdach, Kleinbus, Ambulanz – die Liste ist schier unendlich. Deutlich grösser wurde der Anteil an reinen Freizeitmodellen. Die Campingbusse von Westfalia mit dem typischen Aufstelldach sind noch heute rund um den Globus unterwegs. Und genauso nervt bis heute auf dem Campingplatz nachts die laute, nun serienmässige Schiebetür des Transporters T2. Wahre Fans stört das allerdings kaum – oder campen gleich abseits der grossen Masse. In Brasilien blieb der T2 als «Combi» bis 2013 in Produktion, nachdem dort bereits der T1 bis 1975 überleben konnte. Der Bus wurde stärker, erhielt sogar auf Wunsch ein 3-Gang-Automatikgetriebe und den bis zu 70 PS starken Motor auf Basis des Typ 4 (VW 411/412). Das Konzept gefiel auch in der Schweiz: Post, Armee, Behörden, Betriebe und Private – insgesamt 63 692 Käufer hat der T2 als Lösung ihrer Transportbedürfnisse bis 1979 überzeugt. Währenddessen der alte T1 mit geteilter Frontscheibe in den Händen von Abenteurern und Weltenbummlern durch die Persische Wüste, über den Hindukusch, rund ums Mittelmeer oder über die Schotterstrassen zum Nordkap gefahren wurden, und zumeist auch wieder zurück. In X-ter Hand war ein «VW-Büssli» billig, einfach zu reparieren und, selbst wenn er aus dem letzten Loch pfiff, meist im Bodenblech, noch hart im Nehmen.
Die Bezeichnung Hippiebus haben die ersten beiden Generationen des Transporters hierzulande erst durch den einschlägigen Song von Dodo abgekriegt. Das Gros seiner Nutzer hatte mit den langhaarigen Hippies absolut nichts am Hut.
Mehr Sicherheit
Die 1970er-Jahre brachten die Ölkrise und den Wunsch nach weniger Verbrauch. Bei Volkswagen schickte man den Transporter durch eine neue Entwicklungsrunde. Heraus kam 1979 der wohl beste Transporter aller Zeiten, der T3, zunächst mit den alten luftgekühlten Motoren. Selbst als Frontlenker konnte er mit dem Sicherheitsstandard eines PWs aufwarten. Und mit der Einführung einer Wasserkühlung 1982 für den Boxermotor hatten sich schon 1981 die Voraussetzungen auch für einen reichlich phlegmatischen, geneigt eingebauten 1.6-Liter Reihenvierzylinder 50 PS Diesel aus dem Golf und ab 1985 den Turbodiesel mit 70 PS ergeben. Dies, um dem Wunsch nach weniger Verbrauch gerecht zu werden. Als Synchro mutierte 1988 der T3 zur Bergziege, die Schweiz griff wiederum dankend zu. Der Synchro-Anteil lag weit über dem internationalen Durchschnitt. Mit 2.1-Liter-Boxer stieg die Leistung auf 112 PS, allerdings nicht lange für unsereiner, hier blieb es – dank Katalysator – bei 87 PS. 1992 war Schluss mit Heckmotor bei VW in Europa. Die Schweiz hatte sich den T3 45 843 mal gegönnt. Erstaunlich viele sind noch heute im Arbeitsalltag unterwegs und die Preise für gute Exemplare steigen...
Mehr Variabilität
Der nagelneue Transporter T4 war schon ab 1990 dem erfolgreichen Muster von SEVEL gefolgt. Die Kooperation von PSA und Fiat hatte ab 1982 die Citroën C25, Peugeot J5 und Fiat Ducato mit Quermotor und Frontantrieb und verschiedene Radständen hervorgebracht und den Lieferwagenmarkt neu aufgemischt. Mit alledem hatte bisher noch kein Volkswagen Transporter aufwarten können. Nun gab es im neuen T4 sogar 5-Zylindermotoren, später gar den VR6 Motor mit bis zu 204 PS. Dafür aber ging ein Grossteil des eigenwilligen Charakters der ersten drei Bulli-Generationen verloren.
Dass VW mit dem T4 verlorenes Terrain aufholen musste, schlägt sich in den Verkauszahlen nieder: Zwischen 1990 und 2003 verkaufte sich der T4 schweizweit nur 34 725 mal. Absolut gesehen ist das nicht schlecht, aber eben doch über 10 000-mal weniger als der Vorgänger in einem ähnlichen Zeitrahmen.
Der überarbeitete T5 würde diesen Rückstand wettmachen. Und Volkswagen baute nun auch seinen Campingbus in einem kleinen Werk in Hannover-Limmer selber. Der alte Partner Westfalia, wo bereits 1951 die Campingbox den Kombi in ein Freizeitfahrzeug verwandelt hatte, war schon 2001 zu 100 Prozent von Daimler-Chrysler übernommen worden. Heute gehört die Westfalia Camper-Sparte zur Rapido-Gruppe aus Frankreich. Noch in den 1980er-Jahren aber hatte der Westfalia Joker auf T3-Basis den Begriff Freizeitauto richtig etabliert. Der Joker-Campingbus diente vielen Kunden erstmals als einziges (Alltags-)Auto überhaupt und machte das Konzept salonfähig – und erschwinglich.
Der T5 brachte wieder richtig Schwung in den Transporter: starke Benzin-Motoren und hocheffiziente Pumpe-Düse-Diesel, ein neuer Allradantrieb und zahlreiche Sondermodelle des Multivan prägen seinen Werdegang. 41 385 Schweizer Kunden in 12 Jahren liessen sich gewinnen. Auffällig: der Schweizer Markt entwickelte eine besonder hohe Affinität zu den Freizeit- und Familienmodellen Multivan und California. Dessen Kehrseite bis heute: VW-Busse sind längst nicht mehr preisgünstige Alleskönner, sondern lassen sich ihre Qualität, den technischen Anspruch an die Konstruktion und das Image einiges Kosten. Dem Erfolg hingegen tut dies keinen Abbruch.
Transporter für alle
Der T6 von 2015 brachte für den Laien die dezenteste Erneuerung des Vielzweck-Volkswagens. Allerdings standen diesmal vorwiegend innere Werte im Pflichtenheft der neusten Generation der seit 1956 in Hannover gebauten Transporterfamilie. Eine Zweifarbenlackierung, bei einigen Modellen, nimmt sich die mittlerweile zu Kultfahrzeugen gemauserten ersten beiden Transporter-Generationen T1 und T2 zum Vorbild. Denn der Ur-Bulli bricht Rekorde bei Auktionen und geniesst eine Popularität wie kaum ein Fahrzeug der 1950er und 60er-Jahre. Wie sehr die Schweiz derweil ein Bus-Land ist, zeigt sich in der Tatsache, dass sie teilweise einen Viertel der gesamten California-Produktion abnimmt.
Seit Ende letzten Jahres gibt es nun den T6.1. Seine Codierung wie ein Computerprogramm orientiert sich an der fortschreitenden Digitalisierung – bis Dato waren die T-Facelifts mit dem Zusatz a oder b unterschieden worden. Nun gibt es das ganze Programm an Assistenzsystemen, ein virtuelles Cockpit und die Vernetzung zwischen dem Handy und dem Fahrzeug. Und weitere On-Line-Dienstleistungen lassen sich installieren. Das alles scheint den Schweizern besonders zu gefallen. Der T6.1 landet im ersten Quartal 2020 unter den Top-Ten der Zulassungsstatistik. In nur 5 Jahren seit seinem Verkaufsstart hat es der T6 in der Schweiz bereits auf 33 154 Stück gebracht – Tendenz stark steigend.
Text: Martin Sigrist
Fotos: ETH E-Pics, AMAG, Volkswagen Nutzfahrzeuge, ai-Archiv