

Cool, graziös und sexy: Mercedes 230 SL
Gibt es einen schöneren Mercedes-Benz als den W 113? Formvollendet, durchdacht, schnell und erst noch sicher: Der “Pagode” Mercedes-Benz 230 SL ist ein Meilenstein der Automobilgeschichte. Was ihn so besonders macht? Einfach alles.
John Lennon fuhr einen, genauso wie Sophia Loren und Kate Moss. Das passt: Der Mercedes-Benz 230 SL (W 113) vereint die Coolness eines Rockstars, die Grazie einer Film-Diva und den Sexappeal eines Supermodels in einem technisch brillanten Auto.
No Schnickschnack
Es war ausgerechnet ein Franzose, der das schönste deutsche Auto aller Zeiten designte. Nachdem Paul Bracq 1957 zu Daimler-Benz nach Sindelfingen kam, wurde er zunächst mit dem Design des Mercedes-Benz 600 beauftragt – ebenfalls eine Ikone der Automobilbaukunst. Gleichzeitig arbeitete Bracq und sein Team am Nachfolger des Mercedes-Benz 190 SL. Im Briefing stand, dass das neue Modell “maskuliner” wirken soll als die rundlichen Formen des Vorgängers: Keine verspielten Details mehr – Form folgt der Funktion.
Präsentation in Genf
Paul Bracq und sein Design-Team entwarfen daraufhin diese hinreissende Karosserie. Der 230 SL nahm nicht nur Stilelemente der grossen Mercedes-Benz-Baureihe auf, sondern übernahm auch deren technische Basis sowie Motorisierung. Präsentiert wurde der “Mercedes-Benz Tourensportwagen 230 SL” am 14. März 1963 auf dem Genfer Autosalon. 400 Pressevertreter waren vor Ort und berichteten fiebrig von der Weltpremiere. Die französische Sporttageszeitung L’Équipe titelte am 19. März 1963: "Genéve 1963: An 1 du Style Pagode". Voilà, der Übername war geboren.
Ein Cabrio, das für sein Dach berühmt wurde?
Mit Pagode ist die Form des Hardtops gemeint, das eine konkave Wölbung nach innen aufweist – genauso wie die asiatischen Pagode-Dächer. Normalerweise sind Autodächer nach aussen gewölbt. Nicht so beim Mercedes-Benz 230 SL, den es ausschliesslich als Cabriolet gab. Erst gegen Aufpreis bekam der “Tourensportwagenkäufer” das Pagode-Hardtop.
Funktionale Grundidee
Die spezielle Dachform geht zurück auf den Erfinder der passiven Sicherheit Béla Barényi. Er versprach sich vom gewölbten Hardtop eine höhere Stabilität des Sportwagens bei gleichzeitig geringem Gewicht. Paul Bracq sah das Dach auch rein funktional als Nutzfläche, zum Beispiel für ein Dachzelt oder einen Dachträger. Der Designer sagte mal in einem Interview: “Wenn wir ein klassisch nach oben gewölbtes Dach entworfen hätten, wäre es bei gleicher Stabilität und gleich hohem Einstieg zehn Zentimeter höher geraten und hätte das Auto zu bullig wirken lassen. Die Alternative zum konkaven Dach wären zwangsläufig ein um zehn Zentimeter verringerter Einstieg und eine schlechtere Rundumsicht gewesen. Das Pagodendach hat also in erster Linie funktionelle Gründe. Die Ästhetik und der moderne Look spielten die zweite Geige.”
Ferrari-Jäger
Der Mercedes-Benz 230 SL sah nicht nur heiss aus, sondern hatte auch ordentlich Dampf. Vorne arbeitete ein 6-Zylinder Motor mit 2,3 l Hubraum, der rund 150 PS leistete. Der Mercedes-Benz 280 SL (1968 bis 1971) hatte gar 170 PS. Das waren damals hervorragende Fahrwerte. Auf dem Nürburgring musste sich sogar Ferrari geschlagen geben, weil das ausgewogene Mercedes-Fahrwerk und die hervorragenden Bremsen einen technischen Vorsprung boten.
Sicherheit ging vor
Schön, schnell und … sicher. Beim 230 SL führte Daimler-Benz umfangreiche Sicherheitsmassnahmen ein. Der W 113 hatte eine steife Fahrgastzelle und Knautschzonen mit leicht verformbaren Bug- und Heckelementen. Im Innenraum gab es keine harten Ecken und Kanten. Sicherheitsgurten waren als Sonderausstattung erhältlich. Das Lenkgetriebe wurde aus dem Crash gefährdeten Bereich gerückt und die geknickte Lenksäule hatte Gelenke, um den Lanzen-Effekt bei einem Unfall zu verhindern.
China-Rallye Veteran
Bei diesem Goodtimer mit Jahrgang 1964 handelt es sich um eine Schweizer Erstauslieferung. Er war über zwei Jahrzehnte im selben Besitz eines Autojournalisten. (Nein, nicht der Schreibende). Der Pagode war übrigens schon selbst im Land der Pagoden. (Der Schreibende ebenfalls nicht). Dieses Auto fuhr an der China-Rallye von Peking nach Shanghai mit. Danach wurde der 230 SL in der Schweiz umfangreich restauriert, Chassis und Unterboden komplett eisgestrahlt, Rost entfernt und die gesamte Struktur hochwertig konserviert. Das war im Jahr 2013. Heute sieht der Pagode immer noch aus wie neu, was von der hohen Qualität der Restaurierung zeugt.
Das Echtleder-Interieur des 230 SL wurde originalgetreu in Blau restauriert und mit der ebenso originalen grauen Teppichlandschaft verkleidet. Selbst die Türverkleidungen wurden erneuert und sämtliche Applikationen restauriert. Einzig der Deckel zum Aschenbecher fehlte.
Tipp von Goodtimer.ch:
“Dieser 230 SL besticht durch seine einmalige Kombination aus Schweizer Erstauslieferung, prominentem Vorbesitz, exklusiven Reisegeschichte und einer sehr schön ausgeführten Restauration vor 12 Jahren. Im Zustand 2 präsentiert sich der 230 SL authentisch restauriert.” Hier geht es zum Link
Text: Jürg Zentner
Bilder: Christian Lienhard (lienhardbildwerke.ch)