

Ducati XDiavel V4 – Viel hilft viel
Sie sieht aus wie ein Dragster, fährt wie ein Sportler und will ein Cruiser sein: Die neue Ducati XDiavel V4 ist ein Motorrad ohne Kompromisse – oder vielleicht voller davon.
Die neue Ducati XDiavel V4 ist da – und sie hat viel zu erzählen. Vielleicht sogar ein bisschen zu viel. Denn was ursprünglich mal als stylischer Power-Cruiser mit Ducati-Genen startete, ist jetzt ein fahrbarer Beweis dafür, dass man MotoGP-Technik, Dragster-Optik und Touring-Komfort irgendwie unter einen Helm bekommen will. Ob das Ergebnis überzeugt? Kommt drauf an, wonach man sucht.
Was vom Cruiser bleibt? Sitzhöhe.
Mit 770 mm sitzt man weiterhin tief, das Heck ist breit, die Haltung lässig entspannt – soweit die Theorie. Wer jedoch erwartet, dass sich die XDiavel V4 fährt wie ein typischer Cruiser, dürfte sich wohl beim ersten beherzten Gasstoss verschlucken. Denn unter dem massigen Blechkleid schlägt das Herz des V4 Granturismo: Was bedeutet 168 PS, was bedeutet 126 Nm und was bedeutet, ein Geräusch, das zwischen Oper und Rammstein pendelt.
Leicht? Für so einen Brocken – ja.
Trockengelegt ist die neue XDiavel mit rund 229 Kilogramm (ohne Sprit) ganze sechs Kilogramm leichter als ihr Vorgänger. Möglich macht das der kompakte V4 und eine ganze Reihe technischer Kniffe – vom Aluminium-Monocoque bis zur einarmigen Schwinge. Damit soll sich die Maschine erstaunlich handlich fahren. Aber eben nur erstaunlich – nicht leichtfüssig. Denn eine 240er Walze hinten bleibt das, was sie halt ist: beeindruckend, aber eher Show als Funktion.
Optisch bleibt die XDiavel eine Showqueen. Die neuen Farben „Burning Red“ und „Black Lava“ sind effektvoll, der 4-Endrohr-Auspuff schreit förmlich nach Aufmerksamkeit, und die Lichtsignatur mit „Welcome Light“ und DRL-Spielerei dürfte noch vor Motorstart Eindruck machen. Wer’s dezent mag, ist hier falsch.
Dezent übertrieben kann man die vielen Assistenzsysteme bezeichnen. Launch Control, Wheelie Control, Cornering-ABS, Quickshifter, drei Power-Modes, vier Fahrmodi, IMU, Bluetooth, App, TFT-Display mit Kinoformat. Kurz: Die XDiavel V4 will alles können – manchmal auf Kosten der Klarheit. Wer einfach nur draufsitzen und losfahren will, muss sich erstmal durch Menüs und Modi tippen. Oder wird spätestens wenn man beim gemütlichen Cruisen die Zylinderabschaltung hört, sich fragen ob man Effizienz oder Emotion möchte?
Unsere Meinung: Der Spagat.
Die XDiavel V4 will Cruiser sein, gleichzeitig Dragster, Langstrecken-Tourer und Technikträger. Das gelingt ihr technisch gesehen sicher beeindruckend – atmosphärisch aber nicht immer glaubwürdig. Für einen echten Cruiser ist sie zu ambitioniert, für einen reinrassigen Performance-Brenner zu inszeniert. Aber genau darin liegt auch ihr Reiz: Sie passt in keine Schublade – aber in die Garage derer, die nicht jeder Norm folgen wollen.
Text: GAT
Bilder: Ducati