Ein Volkswagen für das Volk

Kommunismus sei die Macht der Sowjets plus die Elektrifizierung des ganzen Landes, sagte berühmterweise einst Vladimir Lenin. Ähnlich tönt es heute aus Brüssel, nur nimmt vorerst die Dekarbonisierung die Stelle des Kommunismus ein, in dieser Formel des grossen Klassikers. Die Elektrifizierungsvorhaben der EU schreiten voran und somit auch die der Hersteller. In nur zehn Jahren sind alle neuen Wagen nur noch elektrisch unterwegs. Bereits heute machen sich die grossen Player für die neue Ära startklar und Stellen ihre Zukunftskonzepte vor. Der ID. EVERY1 des deutschen Primus VW wird das Feld von unten aufrollen, zusammen mit 3 weiteren Elektromodellen auf dem neuen Modularen E-Antriebsbaukastens MEB mit Frontantrieb soll er bis 2027 die Elektromobilität erschwinglich und für neue Kundengruppen zugänglich machen.

Günstig nicht billig 

Das Beste zuerst. Der EVERY1 wird günstig. 20'000 Euro (der Frankenpreis ist noch nicht bekannt). Der Wagen soll in Europa gebaut werden und ist der Ideennachfolger des 2023 eingestellten up! VW nennt seine Gattung, der auch der grössere Bruder ID. 2all angehört, Electric Urban Car Family. Das Zielpublikum sind also vor allem junge Leute, die in der Stadt wohnen und noch keine grossen Investitionen für ein Auto tätigen können.
 
Das Design, entwickelt von einem dedizierten Team, bestehend aus jungen Talenten, ist sportlich und frisch. Auf den Bildern sehen wir zwar nur eine Studie, aus vertrauenswürdigen Quellen wissen wir aber, dass das Serienmodell nicht weit davon entfernt sein wird. Innen gibt es Platz für vier Personen und 305 Liter für Koffer und Taschen. Mit seiner Länge von 3880 positionier er sich zwischen dem up! (3600 mm) und dem Polo (4074 mm). Dank des Frontantriebs wird der Raum effizient genützt. Mit einer neuentwickelten E-Maschine a 70 kW (95 PS) soll der Wagen bis 130 km/h schnell sein, die Reichweite liegt bei 250 Kilometern.

 
Als erstes Serienauto von VW bekommt der ID. EVERY1 eine grundlegend neue und leistungsfähige Software-Architektur, die zusammen mit dem amerikanischen Technologiepartner Rivian entwickelt wird. Mit der neuen Architektur bekommt der Einstiegs-Volkswagen neue Funktionen über den gesamten Lebenszyklus in Form von Updates eingespielt.

Der A-Plan

Volkswagen hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt, in naher Zukunft eine technologische Spitzenposition im Bereich nachhaltiger Mobilität zu besetzen. Dafür wurde ein Drei-Phasen-Plan definiert, der aus drei As besteht: Aufholen, Angreifen und Anführen. Neue Modelle wie der ID. 2all für unter 25’000 Euro oder der ID. EVERY1 für rund 20’000 Euro spielen in diesem Plan eine zentrale Rolle.


Ausser zahlreichen Chinesischen Modellen wird der neue Budget-VW unter anderem gegen den Dacia Spring und Renault Twingo antreten. Zu klären bleibt die Frage, ob und wie schnell die günstige Elektromobilität ihr Klientel findet. City-Elektriker haben nicht ausreichend Reichweite um meist weitentfernte Supercharger aufzusuchen und sollen per se die Stadt nur selten verlassen, sie müssen also zwingend daheim geladen werden können. Erschwingliche Einstiegselektriker zielen aber vor allem auf junge Wenigverdiener ab, die in einer günstigeren Mietwohnung wohnen, in der das Laden – Stand heute – meist problematisch ist. Somit bleibt das Schicksal der kleinen Elektroautos – vorerst – das Zweit- (oder Drittwagen) in einer eher gutverdienenden Familie zu sein, die bereits ein grosses E- oder Verbrennerauto besitzt. Wenn die ambitionierten Klimaziele also erreicht werden wollen, soll sich dieser Zustand bald ändern.

Text: Serge Schilov
Fotos: Volkswagen