Immer mehr setzen auf Wasserstoff
Nutzfahrzeuge welche mit Wasserstoff laufen sind nach wie vor ein heisses Thema für den Zukunftsverkehr. Dabei muss aber auch der Parameter aus Energiedichte und Preis passen. Die Analysten der Unternehmensberatung Berylls haben eine klare Meinung, welche die geeignete Version ist.
Geht es nach vielen Regierungen, ist eines klar: Der Diesel-Lkw hat keine Zukunft mehr. Also sollen auch die Brummis elektrisch Güter transportieren. Doch ein 40-Tonner bräuchte eine riesige Batterie, um seine Tagestouren zu absolvieren. Dann ist da noch das Laden. Um die gigantischen Energiespeicher der Fahrzeuge schnell zu füllen, sind geeignete Tankstellen nötig, jede Menge Strom und viel Platz. Schliesslich dockt in der Regel nicht nur ein Sattelzug am Stromrüssel an. Das ist in einer Branche, bei der es um jeden Cent und jede Minute geht, aktuell noch ein Totschlagargument.
In der Lkw Branche weiter als bei den PWs
Viele Experten setzen daher bei der Lkw-Transportbranche auf Wasserstoff als den Energieträger der Zukunft. Die hohe Energiedichte und die vergleichsweise schnelle Betankung sprechen für das chemische Element. Allerdings ist die Wasserstoff-Aufbewahrung nicht ganz trivial. «Soll der von den Tankstellen abgegebene Wasserstoff gasförmig oder flüssig sein? Es müssen Standards definiert und Technologien weiterentwickelt werden und es gilt, parallele Investitionen in beide Szenarien zu vermeiden. Die Entscheidung hängt von den Anforderungen der Nutzer, der Lkw-Technologie, dem Aufbau der Infrastruktur und der Beschaffung des Wasserstoffs ab», erklärt Berylls-Experte Steffen Stumpp.
Für den ehemaligen BMW-Wasserstoff-Experten Dr. Tobias Brunner führt ohnehin kein Weg an Wasserstoff vorbei. Vor allem bei Lkw-Verkehr. «Wir haben nicht genug Strom für alle Batteriefahrzeuge. Wir brauchen die Kombination aus Batterie und Wasserstoff, um den Verkehr zu dekarbonisieren. Eines allein reicht nicht», erklärt der Cryomotive-Geschäftsführer, der auf «tiefgefrorenen» Wasserstoff als Energieträger setzt, seinen Ansatz. Den sieht die Berylls-Studie kritisch: «Kryokomprimierter Wasserstoff weist die höchste Energiedichte auf, jedoch ist seine Handhabung heikel. Kryokomprimierter Wasserstoff ist weder gasförmig noch flüssig und benötigt neue Technologien für die Betankung und Speicherung. Daher wird kryokomprimierter Wasserstoff in naher Zukunft bei dem kommerziellen Lkw-Betrieb keine Rolle spielen.»
Der Kompromiss bei Wasserstoff
Im Grunde geht es beim Wasserstoff um einen Kompromiss zwischen der Aufwendigkeit der Lagerung und der Energiedichte. Die ist entscheidend für die Reichweite. Die gasförmige Variante des Wasserstoffs, die mit einem Druck von 350 bar gespeichert wird, ist zwar ausgereift, aber die Energiedichte von 24 kg/m3 ist nicht ausreichend für den Langstreckenbetrieb. Schliesslich kann man die Tanks nicht beliebig gross machen. Manche Experten sehen sogar die 40 kg/m3, die mit 700 bar einhergehen, als ungenügend an. Das bringt den flüssigen Wasserstoff (LH2) ins Spiel, der mit einer Energiedichte von 70 kg/m3 fast den doppelten Wert erreicht. Bliebe da noch die Kostenfrage: Analysten gehen davon aus, dass Wasserstoff bei der Lkw-Transportbranche nur für bei einem Preis, der unter fünf Euro pro Kilogramm rentabel ist. Tests laufen bereits. Der Wasserstoff-Truck Hyundai Xcient Hydrogen hat bei Probeläufen in der Schweiz bereits mehr als eine Million Kilometer abgespult.
Bei den Pkws ist der Zug wohl in Richtung batterieelektrischen Antrieb abgefahren, aber bei grösseren Fahrzeugen feiert der Wasserstoff eine Renaissance! Obwohl dessen Herstellung aufwendig ist. Allerdings könnte Wasserstoff als Energieträger fungieren, der produziert wird, wenn der erneuerbare Strom nicht benötigt wird. Zum Beispiel bei Windrädern in der Nacht. Toyota sieht nach wie vor die Brennstoffzelle als eine alternative zu den BEVs. Für die Japaner bleibt der Wasserstoff eine Säule der Zukunftsstrategie. Zusammen mit der Präfektur Fukushima will der japanische Autobauer eine wasserstoffbasierte Infrastruktur testen. Auch mit Lkws. Damit sind für Toyota die Einsatzmöglichkeiten noch längst nicht ausgereizt. Auch auf der Schiene soll die Brennstoffzelle den CO2-Ausstoss signifikant reduzieren. Ein Pilotprojekt mit Brennstoffmodulen für einen emissionsfreien Zug wird aktuell getestet.
Doch auch mit den PWs wird entwickelt
Wie einst BMW zaubert der japanische Autobauer Wasserstoff als Treibstoff für einen klassischen Verbrennungsmotor aus dem Hut und hat mit dem Buggy Lexus ROV und den für den Rennsport konzipierten GR Yaris H2 zwei Studien präsentiert, die auf ein solches Antriebskonzept setzen. Und BMW? Laut Entwicklungsvorstand Frank Weber führe zwar kein Weg am Elektroauto vorbei, aber der Wasserstoff-Antrieb habe als Nischenlösung eine Zukunft - vor allem für grosse Autos. Dass die Münchner noch an diesem Ball sind, zeigt die IAA-Studie BMW iX5 Hydrogen.
Mit diesem Ansatz rennt Weber bei Stellantis offene Türen ein. Für den neu geschaffenen Grosskonzern ist Wasserstoff eine Antriebsalternative. «Wobei sich diese Technik zunächst bei den Nutzfahrzeugen durchsetzen wird», erklärt Opel-Chef Uwe Hochgeschurtz. Den Worten folgen Taten. Stellantis will in den kommenden zwei Jahren am Standort Rüsselsheim eine Kleinflotte von bis zu 2.000 Fahrzeugen produzieren, die vom batteriebetriebenen Elektroantrieb auf eine Brennstoffzelle umgerüstet werden. Renault geht das Thema Wasserstoff ähnlich an und hat unlängst mit dem Prototypen Master H2-TECH das erste von drei leichten Nutzfahrzeugen präsentiert, die der französische Autobauer in einem Joint Venture mit Hyvia auf den Markt bringen wird. Das Fahrzeug verfügt über eine 33-kWh-Batterie sowie über eine 30-kW-Brennstoffzelle, die mit Wasserstoff aus vier Tanks mit einem Gesamtfassungsvermögen von sechs Kilogramm gefüttert wird. Reichweiten von bis zu 500 Kilometern sollen damit möglich sein, davon 100 Kilometer im reinen Batteriebetrieb.
Text: Wolfgang Gomoll; press-inform