Volvo Designer würde 95 Jahre alt

Jan Wilsgaard: “Simple is beautiful”

Gerade Linien statt Schnörkel: Jan Wilsgaard prägte die Designsprache von Volvo wie kein anderer. Vier Jahrzehnte lang entwarf der Designer legendäre Modellreihen – vom Volvo Amazon bis zum Volvo 940. Am 23. Januar würde Jan Wilsgaard 95 Jahre alt; leider starb der langjährige Volvo Designchef im Jahr 2016.

Veröffentlicht am 11.01.2025

“Das Funktionelle ist oft das Schöne. Man folgt den Gesetzen der Natur und macht die Dinge nicht komplizierter, als sie wirklich sind. Funktionelle und vernünftige Lösungen sind oft die attraktivsten.” So lautete das Credo des langjährigen Volvo Designer Jan Wilsgaard: "Simple is beautiful". Bis er zu dieser Erkenntnis kam, liess sich auch der jugendliche Jan Wilsgaard vom amerikanischen Auto-Barock und italienischem Renaissance-Auto-Design verführen.

Volvo Philip

Als Jan Wilsgaard 1950 frisch von der Gothenburg School of Applied Arts bei Volvo als Designer anfing, wurde er beauftragt, einen Volvo zu entwerfen, der auch den Amis gefallen könnte. Damals waren üppige Rundungen die typischen Merkmale der amerikanischen Strassenkreuzer. So entstand sein erstes Auto, der Volvo Philip. Der 1952 präsentierte Prototyp hatte einen V8-Motor an Bord, der später in Volvo Trucks verbaut wurde. 

Der Volvo Philip ging allerdings nie in Serienproduktion. Ebenfalls aussen vor blieb der Jungspund, als es um das Design des Volvo P1800 ging; der Entwurf von Pelle Petterson war schlicht perfekt. 

Volvo Amazon

Wilsgaards Zeit sollte erst noch kommen. Mit dem Design des Volvo Amazon 1956 gelang dem 26-jährigen Jan Wilsgaard der erste grosse Wurf. Das sah Volvo Mitbegründer Assar Gabrielsson anders: “Das Auto sieht aus wie ein Pin-Up-Girl, es ist viel zu hübsch. Es sollte hässlicher sein.” Zum Glück setzte sich der Patron nicht durch. Und der Volvo Amazon wurde zum bis dato erfolgreichsten Modell. 

Volvo 140: Segen und Fluch

 

Wie sollte Wilsgaard seinen eigenen Erfolg noch toppen? Mit dem Nachfolgemodell, dem Volvo 140, wagte er einen Stilbruch, der so radikal war, dass die Kunden Bauklötze staunten, als sie 1966 zum ersten Mal die Volvo 140 Reihe sahen. Statt rund, gab es nun eckig. Und trotzdem war die 140er Baureihe aerodynamischer als manche andere dynamisch scheinende Konkurrenzmodelle. Und er gefiel den Käuferinnen und Käufer. Über 1,2 Millionen Mal verkaufte sich die 140er Reihe in allen Modellvarianten (142/144/145). 

Volvo 164

1968 kam mit dem Volvo 164 erstmals ein Modell auf den Markt, das sich an der Oberklasse orientierte. Für viele Wilsgaard Fans gilt der Volvo 164 als sein schönster Wurf. Der Volvo Designchef träumte schon lange davon, eine repräsentative Front zu designen, die aussieht wie das Tor zu einem Schlosspark.

Wie alles bei Volvo war auch der imposante Auftritt keine Show, sondern der Funktionalität geschuldet. Der Volvo 164 hatte eine längere Haube, um dem grossen Reihen-Sechszylindermotor Platz zu bieten. Die bis zu 160 PS beschleunigten die Premium-Limousine in 8,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h. 

Volvo P1800 ES 

Andere wiederum sehen im “Schneewittchensarg” den Gipfel von Wilsgaard Designkunst. Es war Anfang der 1970er Jahre, als er den Auftrag bekam, einen Nachfolger für den Volvo P1800 zu entwerfen. Wilsgaard entwickelte ein Shooting-Brake, der wegen des hohen Fensteranteils spöttisch als Schneewittchensarg bezeichnet wurde. Das Sportkombi ging weg wie warme Semmel. Doch die Euphorie dauerte nur zwei Jahre. Es war allerdings nicht die böse Schwiegermutter, die der Schönheit neidisch war, sondern neue Sicherheitsbestimmungen in den USA, die 1973 den Volvo P1800 ES in den ewigen Schönheitsschlaf versetzte. 

Volvo 240

Mit dem Ende der 140er Modellreihe 1974 sah sich Wilsgaard erneut mit dem ihm bekannten Problem konfrontiert. Wie soll man sein erfolgreichstes Design noch toppen können? Mit der 240er Baureihe gelang ihm schliesslich das Unglaubliche; fast 19 Jahre lang wurde die 240er (242, 244, 245) gebaut und setzte neue Sicherheitsstandards. Die Modellreihe war so erfolgreich, dass der Nachfolger, der Volvo 740, um ein Jahr verschoben wurde. Auch die 740er Baureihe zeichnete sich durch Wilsgaard Motto aus: “Das Funktionelle ist oft das Schöne.“ Der Erfolg gab ihm recht: der Volvo 740/760 sollte – inklusive der Weiterentwicklung als Volvo 940/960 – bis 1998 gebaut werden. 

1991 verliess Jan Wilsgaard Volvo Cars. Er arbeitete 41 Jahre lang für Volvo und leitete die Designabteilung drei Jahrzehnte lang. Jan Wilsgaard starb im September 2016 im Alter von 86 Jahren. Am 23. Januar 2025 würde der Vater der Ziegelsteine 95 Jahre alt. 

Text: Jürg Zentner 

Bilder: Volvo

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