Kurztest

Kia Niro – drei Mal E

Der Kia Niro war zwar eher der biedere Typ, doch er verkaufte sich gut. Ein Auto ohne grosse Schnörkel, aber mit viel praktischem Nutzen. Vor allem die Auswahlmöglichkeit aus Hybrid, Plug-in-Hybrid und Vollelektrischem kam bei den Kunden an. Dies behalten die Koreaner in der neuen Version bei. Doch der Rest ändert sich grundlegend – zumindest auf den ersten Blick. Drei Kurztests.

Veröffentlicht am 15.07.2022

Der Überblick:

Pro:

• Frisches und modernes Styling
• Tolles Infotainment und hochwertiges Ambiente
• Sehr komfortable Fahrwerksabstimmung


Contra:

• Hybrid-Modelle mit eher träger Performance
• Ladeperformance des EV nur Durchschnitt
• Teilweise einfach Materialien


Multi-Antriebs-Plattformen stehen oft in der Kritik, sie wären weder Fisch noch Fleisch und würden keine Vorteile bringen, sondern nur Nachteile kombinieren. In Teilen ist das sicher richtig, für eine Marke stellen sich mit Blick auf das eigene Portfolio aber durchaus Szenarien, die eine solche Alleskönner-Basis rechtfertigen. So etwa bei der ersten Generation des Kia Niro. Die Akzeptanz der Kunden in Sachen E-Mobilität war nur schwer abzuschätzen. Man entschied sich deshalb gleich drei Versionen an den Start zu rollen: einen Hybrid, einen Plug-in-Hybrid und eine rein elektrisch angetriebene Variante. Der Erfolg sollte den Koreanern recht geben. Alle Modelle fanden guten Anklang bei den Kunden.

Deshalb gibt es nun auch in der neuen Variante die bekannten Antriebsmöglichkeiten. Zwar steht der Kia Niro des Modelljahres 2022 auf der völlig neu entwickelten K3-Plattform, doch in Sachen Motoren hat sich erstaunlich wenig getan. Während vielen das mit Blick auf die sehr erfolgreiche E-GMP-Plattform des EV6 als unverständlich erscheint, ist es gerade der intelligente Feinschliff an den bisherigen Modellen, der sich am Ende auszuzahlen scheint.


Design: Von unauffällig-bieder zu selbstbewusst-cool

Dem üblichen Trend folgend wuchs auch die zweite Niro-Generation. Mit 4,42 bleiben allerdings alle drei Versionen angenehm kompakt, obwohl es 65 Millimeter in die Länge ging. Davon wächsst der Radstand zwar nur zwei Zentimeter, dennoch wirkt der neue Niro optisch deutlich gestreckter. Die neu gezeichnete Karosserie verabschiedet sich völlig vom bisherigen Biedermann-Look und lässt die drei E-Kias frisch und modern wirken. Gerade die Front erinnert an eine selbstbewusst-coole Interpretation des aktuellen Souls und dürfte trotz des nicht gerade unauffälligen Stylings sicher viele Freunde finden.

Die Unterscheidungsmerkmale der drei Antrieb fallen übrigens überraschend klein aus. Hybrid und PHEV sind nur an der zweiten Tankklappe des Stecker-Hybriden am vorderen Fahrerkotflügel zu unterscheiden, während der Kia Niro EV eine leicht geänderte Front mit mittiger Ladebuchse erhält. Auch die Aerodynamikmassnahmen unterscheiden sich in Details, wie etwa verschiedenen Felgen-Design und anderer Steuerung der aktiven Luftklappen im Kühlergrill.


Innenraum: Familiäre Atmosphäre im Interieur mit noblen Materialien

Im Innenraum unterscheiden sich die drei Modelle praktisch gar nicht. Einzig vereinzelte Schalter für die EV-Betriebsmodi sind im HEV, PHEV oder BEV unterschiedlich. Doch das Grosseganze ist in allen neuen Niro identisch. Und das ist gut so. Denn der Kompakte überzeugt in der neuen Generation mit einem tollen Ambiente. Den durchgängigen Mega-Screen aus zwei 10,25-Zoll-Displays kennt man nun schon auf EV6 und Sportage. Auch im Niro macht er mächtig Eindruck und gefällt durch die gute Bedienbarkeit. Auch das Mulit-Mode-Panel, das neben der Radio- auch die Klimabedienung beherbergt, zieht nun in den Kompakten ein.

Die Bedienung ist also auf dem bekannt hohen Niveau der Koreaner. Gleiches gilt für die Materialien. Man gibt sich bei Kia Mühe, dass man den Nachhaltigkeitsgedanken auch Anfassen kann. So kommen nicht nur am Dachhimmel Recycling-Materialien zum Einsatz, sondern auch bei den Sitzbezügen. Verwendet werden wiederverwertete Papierfaser und Eukalyptusblätter. Für die meisten Kunden dürfte das aber weniger eine Rolle spielen. Vielmehr im Vordergrund steht die Haptik. Und die hat man beim neuen Kia Niro gut im Griff. Er wirkt schon beim Erstkontakt wie ein hochwertiges und modernes Auto. Damit sind die Koreaner aktuell in ihrer Preisklasse in die Spitzengruppe aufgerückt.


Technik: Eine Plattform mit drei Gesichtern

Viel Feinschliff wurde auch der K3-Plattform zuteil. Die Rahmensegmente wurden versteift und sorgen so nicht nur für mehr Sicherheit, sondern auch für besseres Schwingungsverhalten und damit bessere Fahrdynamik und bessere Dämmung der Fahrgeräusche. Technisch bauen die drei neuen Kia Niro aber überraschend nah auf ihren Vorgängern auf. Auf den ersten Blick wirken die Daten gar gleich, doch auch hier zeigt sich auf den zweiten Blick eine feine Überarbeitung.

Die Batterie des Elektrischen ist weiterhin eine 400V-Einheit, die es nun auf 64,8 statt 64kWh bringt. Der Motor leistet weiterhin 204PS und 255Nm und die Reichweite steigt marginal von 455 auf 460 Kilometer. Leider ist auch die Ladeleistung nur bei 75kW am CCS-Lader geblieben. Daheim am Wechselstrom nimmt der Niro EV weiterhin 11kW maximal auf.

Den Steckerhybriden kann man weiterhin nur einphasig mit 3,7kW laden. Doch bei nur 11,1kWh nutzbarer Batteriegrösse ist das nicht weiter schlimm. Überhaupt hat der PHEV die meisten Änderungen bekommen. Er bringt es nun auf 183PS Systemleistung, was gut 40PS mehr als vorher sind, obwohl der 1.6-Liter-Vierzylinder-Sauger wie bisher nur 105PS produziert. Doch der E-Motor ist nun auf 84PS erstarkt und sorgt für ausreichenden Vortrieb. Spannend: sowohl der Plug-in-Hybrid, als auch der Hybrid haben den Rückwärtsgang verloren. Um Platz, Gewicht und Reibung zu sparen, vertraut Kia rein auf die Elektromotoren und fährt die beiden Niro flüsterleise retour.

Beim HEV dürfte dies dann aber nicht ganz so flott ausfallen, denn er hat mit 43,5PS den schwächsten E-Motor spendiert bekommen. Hier bleibt prinzipiell alles beim Alten, auch die Systemleistung von 141PS. Dennoch überzeugt der kleine Hybrid während der Fahrt, was nicht zuletzt an seinem geringen Leergewicht von 1‘474kg liegt.


Fahrdynamik: Die ausgesparte Eigenschaft

Das Kapitel Fahrdynamik scheinen die koreanischen Entwickler im Lastenheft nicht sehr weit oben stehen gehabt zu haben. Zwar sind die Steifigkeitsmassnahmen der neuen Plattform in der Theorie förderlich für mehr Dynamik, auch das Mehr an Breite hilft der Abstützung des Fahrwerks. Doch ein Dynamiker wird aus dem neuen Kia Niro dennoch nicht.

Immerhin, die 204PS des elektrischen Niro machen ihn zumindest längsdynamisch durchaus spritzig und insgesamt ist er im Vergleich zum Vorgänger handlicher geworden. Auch der PHEV profitiert von seiner Mehrleistung, wirkt jetzt im Alltag deutlich souveräner als auch schon. Nur der kleine Hybrid bleibt auf der gemütlichen Seite und sträubt sich gegen forsche Fahrweise.


Fahrkomfort: Komfort, Komfort und noch mehr Komfort

Ihm liegt das sanfte Gleiten. Das bekannt kommode Grundsetup ist erhalten geblieben und wird durch die cleveren Überarbeitungen gekonnt unterstützt. Die bessere Aerodynamik sorgt in Kombination mit den erweiterten Dämmmassnahmen für einen sehr guten Geräuschkomfort. Die neuen Sitze in der ersten Reihe sind nicht nur schlanker, sondern auch sehr bequem. Dazu kommen das gute Infotainment und die feine Ergonomie – fertig ist der komfortable Reisewagen. Doch es geht gar so sehr um die Langstrecke, der neue Kia Niro gefällt durch seine kommode Abstimmung vor allem im Alltag.


Fazit:

Der Kia Niro ist ein Auto für alle, die einfach nur ein gutes Auto brauchen. Der Verzicht auf die letzten Technologie-Sprünge wie etwa die 800V-Architektur ist ebensowenig interessant, wie ein hochaufgeladener Turbomotor für die letzten zehn PS an Motorleistung. Es geht um ein solides Gesamtpaket. Und das ist der Niro – in allen drei Varianten. Kia bietet den Kunden allerdings die Option zu entscheiden, wie elektrisch sie fahren wollen. Und das scheint uns eine sehr weise und zuvorkommende Entscheidung zu sein. Denn auch wenn man von 70 Prozent Verkaufsanteil für den EV ausgeht, so schätzen gerade die restlichen 30 Prozent die Qualitäten ihres neuen Hybrid-Niro.


Technische Daten:

Modell: Kia Niro Hybrid
Motor: Vierylinder-Reihe, 1‘580ccm
Leistung: 105PS (77kW)
Drehmoment: 147Nm
Elektromotor: integrierter Elektroantrieb
Leistung: 43,5PS (32kW)
Drehmoment: 170Nm
Systemleistung: 141PS (103kW)
Systemdrehmoment: 265Nm
Batterie: Lithium-Ionen
Kapazität: 1,32kWh (brutto)
Antrieb: Frontantrieb, Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe
Verbrauch (WLTP): 4,4 l Benzin/100km
Testverbrauch: nicht getestet
Testverbrauch: nicht getestet
Beschleunigung (0 – 100km/h): 10,4s
Höchstgeschwindigkeit: 165km/h (134km/h elektrisch)
Abmessungen (L/B/H): 4,42m/1,82m/1,54m
Gewicht: 1'474kg
Grundpreis: steht noch nicht fest


Modell: Kia Niro EV
Elektromotor: integrierter Elektroantrieb
Leistung: 204PS (150kW)
Drehmoment: 255Nm
Batterie: Lithium-Ionen
Kapazität: 64,8kWh (brutto)
Antrieb: Frontantrieb, Eingang-Reduktionsgetriebe
Verbrauch (WLTP): 16,2 kWh/100km
Testverbrauch: nicht getestet
Testverbrauch: nicht getestet
Beschleunigung (0 – 100km/h): 7,8s
Höchstgeschwindigkeit: 167km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,42m/1,82m/1,54m
Gewicht: 1'757kg
Grundpreis: steht noch nicht fest

Modell: Kia Niro Plug-in-Hybrid
Motor: Vierylinder-Reihe, 1‘580ccm
Leistung: 105PS (77kW)
Drehmoment: 147Nm
Elektromotor: integrierter Elektroantrieb
Leistung: 84PS (62kW)
Drehmoment: 203Nm
Systemleistung: 183PS (135kW)
Systemdrehmoment: 265Nm
Batterie: Lithium-Ionen
Kapazität: 11,1kWh (brutto)
Antrieb: Frontantrieb, Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe
Verbrauch (WLTP): 1,3 l Benzin/100km
Testverbrauch: nicht getestet
Testverbrauch: nicht getestet
Beschleunigung (0 – 100km/h): 9,8s
Höchstgeschwindigkeit: 161km/h (134km/h elektrisch)
Abmessungen (L/B/H): 4,42m/1,82m/1,54m
Gewicht: 1'594kg
Grundpreis: steht noch nicht fest

*: Werksangaben

Text: ai Online Redaktion/DF/FM
Bilder: ai Online Redaktion/DF/FM/Kia

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