50 Jahre Mercedes W 123

Deutsche Bank auf Räder

Vom Taxifahrer bis zum Staatspräsidenten, vom Buchhalter bis zum Popstar, aber auch die Sanität und die Polizei: Alle fuhren in den 1970er Jahren einen Mercedes W 123. Es ist mehr als ein Auto – es ist der Inbegriff deutscher Qualitätsarbeit. Eine Million Kilometer? Kein Problem für die Bank auf Räder, die 1975 in Serie ging.

Veröffentlicht am 06.10.2025

In den 1970er Jahren war Deutschland der wirtschaftliche Motor Europas. Das lag vor allem an der deutschen Autoindustrie, die einen Bestseller nach dem anderen raus haute. VW hatte den Golf, Opel den Kadett und BMW kam mit dem 3er BMW gerade so richtig in Fahrt. Aber Mercedes-Benz fuhr allen davon.

Das lag vor allem an einem Modell, dem W 123, der 1975 in Serie ging. Entworfen von Bruno Sacco, entwickelt von Friedrich Geiger, waren beim neuen Benz die passive Sicherheit, hoher Komfort sowie Servicefreundlichkeit wichtig. Und sie haben sich in allen Bereichen selbst übertroffen.

Fahrendes Einfamilienhaus 

Der Stern ragte stolz aus dem Kühlergrill, die Linien kantig wie die Koteletten jener Zeit. Ob Ärzte, Unternehmer, Bauern, Minister, Taxifahrer – alle sassen sie hinter dem gleichen dünnen Bakelit-Lenkrad. Nur die Motorisierung verriet, ob man Oberarzt war oder als Taxifahrer noch auf Kundschaft wartete.

Die W 123 Modellreihe, die zwischen 1975 und 1986 gebaut wurde, war nicht einfach ein Fahrzeug – es war die automobile Version des Einfamilienhauses. Und ein Lebensgefühl, das Sicherheit, Wohlstand und bürgerliche Klasse ausstrahlte. 

Grosse Modellpalette

Die Bandbreite des Bürger-Benz war episch: vom 200 D, der mit 55 PS die Geduld arg strapazierte, bis zum 280 E, der mit 185 PS immerhin Rallyes gewann. Dazwischen alles, was der Mensch so brauchte – Coupés für Popstars (Falco huschte im weissen 280 CE durch die Nacht), Kombis fürs neue Freizeit-Bewusstsein, und natürlich die langen Limousinen für Präsidenten oder Grand-Hotels. 

Erste Probleme mit 850’000 km

Der 123er war so robust, dass MFK-Prüfer schon in den 80ern kapitulierten: Ein 200 D musste rechnerisch 850’000 Kilometer fahren, bevor er ernsthaft krank wurde. Kein Wunder, dass Taxifahrer den Wagen so verehrten wie den Heiligen St. Christophorus. Kurz: Der W 123 war eine sichere Bank, egal wie viel man auf dem Konto hatte. 

Kult Benz 

Auch jenseits des Teichs wurde der Benz zum Star. Nelson Rockefeller wählte lieber einen Mercedes-Benz 300 D als einen Cadillac, John Lennon kutschierte im weissen Kombi durch New York und Lady Gaga fährt noch heute einen turbodieselnden 300 D in Chinablau. Der W 123 war schon immer der coolste Diesel der Welt – und das, obwohl er mit jeder Beschleunigung eine Russfahne in der Fifth Avenue hinterliess. 

Und dann diese Farben! Cayenneorange, Saharagelb, Kaledoniengrün – man fühlte sich beim Einsteigen wie in Omas Wohnzimmer mit Polstergarnitur und Schrankwand. Doch wer den Typenschriftzug vom Heck schraubte, konnte immerhin so tun, als läge unter der Haube mehr als der brave Vierzylinder.

Bis zu drei Jahre mussten die Westdeutschen auf einen neuen Mercedes-Benz warten. Zwar nicht ganz so lange wie im Osten auf einen Trabi, aber man brauchte auch im Westen Geduld. In den 11 Jahren Bauzeit liefen fast 2,7 Millionen Exemplare vom Band. Die Qualität und Langlebigkeit sind bis heute unerreicht – eine echte Bank auf Räder. 

PS: John Lennons weisser Turbodiesel-Kombi wurde 2006 für rund 124‘000 Dollar versteigert.  

Text: auto-illustrierte.ch

Bilder: Mercedes-Benz

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