Lohnt sich ein gebrauchter Dacia?
Dacias gelten als die günstigsten Neuwagen am Markt. Gleichzeitig gehören sie zu den gefragtesten Occasionen. Doch die Angebote sind vergleichsweise teuer, der Wertverlust gering. Darauf müssen Sie beim Gebrauchtkauf achten!
Im Jahr 2004 wurde die rumänische Marke Dacia unter der Führung des langjährigen Eigners Renault exportfähig gemacht. Der Erfolg über den pummeligen Logan mit Stufenheck blieb in der Schweiz bescheiden, was sich mit der Lancierung des Logan MCV – ein Kombi mit bis zu sieben Sitzen – änderte. Als Neuwagen sind Dacia legendär günstig.
Auf dem Gebrauchtwagenmarkt dagegen vergleichsweise teuer, weil gefragt und mit geringem Wertverlust gesegnet. Wir verraten, worauf Sie beim Dacia-Gebrauchtkauf achten sollten, und ob sich ein gebrauchter Dacia lohnt. (So gut ist der Dacia Duster im Gelände.)
Sandero
Dacia Sandero
TCe 90 Ultimate MT, 2019, 40 000 km, 9500 Fr. gem. Auto-i-Dat
Mit dem fünftürigen Sandero ab 2008 fasste die Marke richtig Fuss. Die Akzeptanz des Ostlabels wurde von vielen Branchenkennern unterschätzt. Der Sandero ist nicht nur ein günstiges, sondern auch ein sympathisches Auto. Das Image ist inzwischen so gut, dass man sich rühmen kann, zu den Marken mit den geringsten Wertverlusten zu gehören. Mit anderen Worten: Ein Dacia ist als Neuwagen relativ gesehen preiswerter als ein gebrauchter.
Der Sandero ist geräumig und komfortabel gefedert. Die Bedienung stresst auch Festnetztelefonierer wenig. Die frugalsten Versionen, beispielsweise ohne elektrische Fensterheber, findet man nicht im Markt. Die luxuriöseren bis hin zum Lauréate schon eher, aber auch nicht an jeder Ecke. Meistens bleibt ein Dacia lange in erster Hand. An das viele Hartplastik kann man sich gewöhnen, ärgerlich sind die ungepolsterten Ablagen, wo harte Gegenstände zwangsläufig scheppern.
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Etablierten sich die Dacia vorerst als robuste Autos, so manifestieren sich mittlerweile Defizite in der Langzeitqualität. Beim Sandero ärgert die miserable Tankentlüftung. Um die letzten zehn Liter in den 50-Liter-Tank zu bekommen, braucht es mehr als Geduld. Zudem hängt die digitale Tankuhr manchmal. Einige Motorschäden sind beim 1,6-Liter-Benziner mit 82 PS dokumentiert. (Dacia Jogger jetzt mit Hybrid und Automatik.)
Vermehrt Ölverlust
Die MFK-Prüfer kritisieren lose Auspuffanlagen, ausgeschlagene Fahrwerksgelenke und Spurstangen. Letzteres in krassem Ausmass. Die verbauten Renault-Diesel- und Benzinmotoren können den Antriebsblock selten trocken halten. Der moderne 0,9-Liter-Dreizylinder von Renault fährt sich im relativ grossen Dacia tadellos.
Duster
Dacia Duster
1,2 T Unlimited 4x4 MT, 2017, 90 000 km, 10 400 Fr. gem. Auto-i-Dat
Auf ein Auto wie den Duster haben auch viele Eidgenossen sehnlichst gewartet. Ein stattliches SUV zum Preis eines Clio! So wie sich Herr und Frau Schweizer ihr Auto wünschen, werden letztlich dann doch runde 25 000 Franken draus, aber es bleibt eine Ansage. Schliesslich haben sich die Rumänen an das Thema Getriebeautomatik gewagt und liefern das vorderradgetriebene Rumänien-SUV – sowie den Sandero – auch mit Automatik aus.
Das typisch gewordene Schweizerauto mit Automatik und Allradantrieb bietet das günstigste SUV zwar nicht. Aber allein die Verfügbarkeit einer automatischen Schaltbox hat dazu geführt, dass es zum einen oder anderen Eintausch gekommen ist, da die Dacia-Vertreter gute Angebote machen. Da liegt profitmässig mehr drin als beim Verkauf eines produktionsfrischen Rumänen.
Logan MCV, Dokker, Lodgy
Dacia Lodgy
1,6 Ambiance MT, 2013, 100 000 km, 4900 Fr. gem. Auto-i-Dat
Gutes Raumangebot, einfache Bedienung und ansprechende Verarbeitung gehören neben dem niedrigen Anschaffungspreis zu den Vorzügen des Duster sowie den Raumwundern Dokker, Lodgy und Jogger. Fahrdynamik ist weniger ihr Ding. Die Ausstattung bessert sich oberhalb der Basisversion ins Gesellschaftsfähige.
Modernen Konstruktionen gegenübergestellt sind alle Dacia innen wegen der Abrollgeräusche vergleichsweise laut. Von den Motorfahrzeugkontrollen und ähnlichen Institutionen im Ausland gibt es inzwischen unerfreuliche Rückmeldungen, was nach längeren Erfahrungen mit Logan MCV (2006–2020), Dokker (2012–2021) und Lodgy (2012–2022) irgendwie zu erwarten war. Die Haltbarkeit von Spurstangen und Achsgelenken sowie der Auspuffanlage ist unterdurchschnittlich. Ebenso fallen Ölundichtigkeiten am Antrieb häufiger auf. Der schriftliche Hinweis «ab MFK» ist deshalb ein Muss beim Kauf einer Dacia-Occasion.
So «modern» sehen Dacia-Innenräume erst seit dem Jogger aus.
Kaum erfreulicher fallen Recherchen in den Werkstätten aus. Selbst Motor- und Getriebeschäden kommen in den Meldungen so häufig vor, dass man nicht von Ausreissern reden kann. Dazu gibt es Informationen über vorzeitige Zündkerzenausfälle und ärgernde Motorsteuerungen. Ungenaue Tankanzeigen muss man als serienmässigen Dacia-Mangel bezeichnen. Und defekte Kupplungsnehmer-Zylinder sowie wackelnde Sitzgestelle gehören ebenfalls zum Ärger-Repertoire.
Garantie bis sechs Jahre
Tröstlich ist immerhin die dreijährige Werksgarantie bis 100 000 Kilometer. Da dürfte der eine oder andere Montage- oder Fabrikationsmangel bereits behoben worden sein. Gegen Aufpreis kann der Neuwagenkunde den Dacia mit einer Garantieverlängerung über vier bis sechs Jahre gegen Schäden versichern – maximal allerdings nur bis 100 000 Kilometer. Es kann lohnend sein, sich nach der Garantieverlängerung ab Werk zu erkundigen. (Die Zukunft der Marke Dacia.)
Der Deckungsbereich der angebotenen Occasionenversicherungen reicht meistens weniger weit als die Werksgarantie. Trotz vieler bekannt gewordener Mängel bewerten in einer hiesigen Befragung die Händler die Dacia-Qualität als gut. Da die Dacia-Margen extrem tief sind, finden sich kaum Vorführwagen. Und wenn doch, kriegt man sie mit einem kaum erwähnenswerten Abschlag.
Die Motoren
Motorisch wird man zufriedenstellend bedient. Die Drehmomente der 1,6-Liter-Benziner mit 105 und 115 PS hängen etwas durch, der 1,2-Liter-Turbo mit 125 PS ist stämmiger und der 1,5-Liter-Turbodiesel (110 PS) zieht schön von unten heraus. Mit nicht zu viel Bagage gibt auch der Dreizylinder-Einlitermotor eine akzeptable Figur ab. Verbrauchsmässige Wunder darf jedoch weder die Benzin- noch die Dieselfraktion erwarten.
Fazit: Dacia besser neu kaufen
Unsere Empfehlung lautet: Besser einen neuen Dacia statt einer überteuerten Occasion kaufen. Gebrauchte Dacias sind eine Versuchung wert, wenn man beabsichtigt, das Auto lediglich eine kurze Zeit zu halten. In diesem Moment kann man von den geringen Abschreibern profitieren und mit einer ausreichenden Garantie ein paar Monate richtig günstig fahren. Erstaunlicherweise sind viele neue Dacia als Tageszulassung am Markt. Da müsste dann gegenüber einem nicht eingelösten Neuwagen ein gewisser Abschlag drin liegen.
Welche Ausführung?
Das manuelle Fünfgang-Getriebe ist in dieser Klasse kein Nachteil (teilweise Sandero, Lodgy, Dokker, Logan). Ob die CVT-Automatik passt, sollte man auf einer Probefahrt evaluieren. Die karg ausgestatteten Basisausführungen werden in der Schweiz praktisch nicht verkauft. Man muss vor Ort checken, ob die Ausstattung passt oder etwas fehlt – beispielsweise Sitzheizung oder elektrische Fensterheber. Online sind nicht alle Details perfekt ersichtlich.
Welcher Motor?
Der 1,5-Liter-Turbodiesel ist im Duster-Angebot mit rund einem Viertel vertreten und okay. Der 1,3-Liter-Turbobenziner ist es aber auch und im Sandero kann man zum Einliter-Dreizylinder raten. Der 1,6-Liter-Benziner scheint ein Problemaggregat zu sein. Bei den Nischenmodellen besteht im Occasionenhandel praktisch keine Motorenauswahl.
Text: Jürg Wick
Fotos: auto-illustrierte