Fahrbericht 718 RS

Little Bastard: Porsche 718 Spyder RS

Wer einen Porsche 718 Spyder RS fährt, braucht nicht mehr in den Europapark zu gehen: 500 PS schiessen die 1410 Kilo Rennflunder nach vorne. Als wäre man auf der «Bluefire» – aber nicht als Passagier, sondern der Pilot.

Veröffentlicht am 06.06.2024

«Little Bastard» nannte James Dean seinen silbernen Porsche 550 Spyder. Der Grund: Der 550 Kilogramm leichte Sportwagen war mit dem 110 PS starken Motor eine Rakete auf Rädern (Spitze: 230 km/h). Mit seinem neuen Porsche 550 Spyder wollte der junge Schauspieler am 30. September 1955 in Salinas an einem Autorennen teilnehmen. Die 320 Meilen von Hollywood nach Salinas hielt er für die ideale Strecke, um den Neuwagen für das Rennen einzufahren. Es passierte gegen Abend. Vielleicht blendete ihn die Sonne, vielleicht war es auch nur Pech: Bei der Abzweigung zum Highway 41 nach Fresno fuhr James Dean mehr oder weniger ungebremst in ein Auto, das abbiegen wollte. Der Schauspieler starb – eine Legende war geboren. 

Big Bastard

Eigentlich kein gutes Omen für die bevorstehenden Testfahrten mit dem neuen und zugleich letzten Porsche 718 Spyder RS mit Verbrennermotor. Im Vergleich zu James Deans Little Bastard hat der aktuelle Spyder RS knapp fünfmal mehr PS, was ihn zum «Big Bastard» macht.

Sportlich geht es schon los 

Wenn ein Auto den Ausdruck Sportwagen verdient, dann der Porsche 718 Spyder RS. Man muss nämlich recht sportlich sein, um einsteigen zu können. Bei einer Höhe von 1,25 Meter ist die Fahrerkabine bei geschlossenem Verdeck etwa so hoch wie ein Igluzelt.

Doch sitzt man erst mal in den Rennschalensitzen knapp über dem Boden, will man gar nicht mehr aussteigen. Vielleicht auch ein bisschen, weil das Aussteigen noch würdeloser aussieht als das Einsteigen. Besser geht es, wenn das, ähem, Dach offen ist. 

Das Spyder-Dach-Öffnungsspiel

Das «Dach» ist mehr oder weniger eine gespannte Plane, die nicht nur für natürliche Dauerbelüftung sorgt, sondern auch den Motorenklang ungefiltert in die Fahrerkabine leitet. Herrlich! Gerade mal 6,5 Kilogramm wiegt es. So leicht das Dach ist, so schwer ist es zu öffnen. Uns ist es erst nach dem Anschauen eines Youtube-Tutorials gelungen.

Rennwagen-Feeling pur 

Die Zeit, die man für das Spyder-Dach-Öffnungsspiel braucht, hat man sich auf dem Weg eingespart. Es braucht viel Selbstdisziplin, nicht immer sinnlos aufs Gaspedal drücken zu wollen, um dann wieder in die Eisen zu steigen. Denn wegen der tiefen Sitzposition knapp über dem Asphalt wirkt jedes Fahrmanöver aufregender als es ist. Das liegt auch am wahnsinnigen Sound, der so ohrenbetäubend ist, dass sich jede Fahrt anfühlt wie live an einem Rennwochenende dabei zu sein. Jede Tunnelfahrt kommt einem vor wie Formel 1 im Louis-II-Tunnel in Monaco, jede Steigung wie der Pikes Peak Hill Climb. 

Tierisches Vergnügen 

Schaltet man runter, heult der Porsche auf wie ein liebeshungriger Coyote. Schaltet man hoch, röhrt er wie ein wilder Hirsch, den man die Hoden quetscht. Der erste Gedanke ist: Darf man so laut sein? Der zweite: Geil! 

Glücklicherweise ist es aussen nicht lauter als innen, sonst würde man wohl in jeder Polizeikontrolle hängenbleiben. Schon bei tiefen Geschwindigkeiten dröhnt der Motor so unanständig laut, dass eine Konversation schwierig ist. Der Sound nimmt standesgemäss zu, je mehr man den Motor hochtreibt. Und das scheint der einzige Zweck dieses phänomenalen Sportwagens zu sein. Bis 9000 U/min liegen mit dem Vierliter-Sechszylinder drin, schreibt Porsche. Der gleiche Motor treibt sowohl den 718 Cayman GT4 RS als auch den Porsche GT3 an. 

Der will nur spielen

Beim Geradeausfahren auf normaler Strasse folgt der Spyder RS wegen der sehr breiten Semi-Slicks jeder Spurrille, wird aber handzahmer, wenn man ihm Gutzi gibt. Die Hände müssen trotzdem immer am Lenkrad bleiben. Die Kurven tranchiert der Sportwagen schärfer als ein Santoku-Messer. Beschleunigt man ohne ESC heraus, wackelt der Hintern fröhlich wie ein junger Welpe. Awww, so süss, denkt man: Er will doch nur spielen.

Schneller als Lucky Lukes Schatten

Wird der Porsche 718 Spyder RS von der Leine gelassen, zieht er schneller los als der Schatten von Lucky Luke schiessen kann: 3,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h, 10,9 Sekunden auf 200 km/h. Erst bei 308 Sachen ist Schluss. Dabei wird man ganz schön in die Rennsitze gedrückt, die feuchten Hände am griffigen Lenkrad, die Finger an den Paddels wie am Abzug einer Pistole. Bäm, bäm, bäm! Verfolgt man die G-Kraft auf dem Display, glaubt man, auf einer Achterbahn zu sein. Juhuuuu!

Angst und Schmerzen auf der Autobahn

Autobahnfahrten gehören nicht zu den Stärken des Spyder RS. Das liegt einerseits an der Lautstärke, die auf langen Fahrten nerven kann. Und andererseits an den dünnen Rennsitzen in Kombination mit dem harten Fahrwerk. Jede Unebenheit ist ein Gruss an die Bandscheibe. Fast schon prekär wird das Fahren bei Starkregen auf der Autobahn. Das Dach hält zwar überraschenderweise dicht, aber die fetten Rennlatschen sind schnell mal mit der Wasserverdrängung überfordert. Mehr als 80 km/h wagen wir nicht, um die Fahrt nicht so zu beenden wie einst James Dean in seinem Porsche Spyder. 

Fazit 

Der Porsche 718 Spyder RS ist ein reinrassiger Sportwagen, der nichts anderes als Spass verspricht. Und hält. Im Vergleich zu den sportlichen 911er-Modellen ist er kompromissloser und agiler im Handling. Kurz: Selten soviel Spass gehabt mit einem Auto wie mit dem Porsche 718 Spyder RS. Schade ist es der letzte seiner Art. 

Technische Daten: 

  • Bezeichnung: Porsche 718 Spyder RS (Weissach-Paket)
  • Typ: Zweisitziger Mittelmotor-Sportroadster
  • Motor: 4,0 Liter-Sechszylinder-Boxer-Saugmotor
  • Leistung: 368 kW/500 PS bei 8’400 U/min,
  • Maximales Drehmoment: 450 Nm bei 6’750 U/min,
  • Getriebe: Siebengang-Doppelkupplungs-Automatik
  • Beschleunigung: 0 – 100 km/h: 3,4 s
  • Vmax: 308 km/h,
  • Verbrauch 13,6 Liter/100 Kilometer
  • Masse: Länge 4,42 Meter, Breite 1,82 Meter (1,99 m), Höhe 1,25 Meter,
  • Radstand: 2,48 Meter
  • Leergewicht: 1’410 kg
  • Kofferraumvolumen: 125 (vorn) + 120 Liter (hinten)
  • Preis Testfahrzeug: CHF 239’850.--


Text: Jürg Zentner 

Bilder: Chris Melo

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