

Statt Sternenglanz gab es diesmal eher Stirnfalten. Tiefe sogar. Ola Källenius, Vorstandschef und Markenvisionär mit Hang zum Hochglanz, verteidigte gewohnt standhaft den eingeschlagenen Kurs: volle Fahrt voraus ins Luxussegment. A-Klasse – was war das? C-Klasse – viel zu klein. Es zählt S, EQS und alles, was nach Champagner und Chalet duftet. Doch genau daran reibt sich mittlerweile nicht nur der Markt (oder der Autor, als Alt-Mercedes-Besitzer) – sondern zunehmend auch die Anteilseigner.
Wie läuft’s?
Denn das erste Quartal 2025?! Läuft! Ja, läuft richtig gut – wie ein alter Diesel im kalten Januar. Der China-Absatz? Im Sinkflug. Und für alle Share-, Stake- und Bierholder natürlich ganz wichtig: die Gewinne? Geschrumpft. Gut, für das Chaos von Onkel Donald, den USA und diesen Zickzack-Handelskurs kann Mercedes-Benz ja auch nichts. Positiv wirkt sich das auf die Situation beim Erfinder des Automobils aber auch nicht aus. Das tut auch das aktuelle Abfindungsprogramm für die Mercedes-Belegschaft nicht. Da stehen grosse Summen auf den Papieren – für diejenigen, die freiwillig ihre Koffer packen. Klingt sozial, ist aber vor allem: teuer.
Die zentrale Frage der Hauptversammlung: Kann man sich in Zeiten globaler Umbrüche wirklich auf Luxus verlassen? In China, dem einstigen Wachstums-Mekka, wird Mercedes von BYD & Co. nicht nur preislich unterboten, sondern inzwischen auch technologisch übertrumpft. Wer da mit einer schwäbischen Luxus-Kutsche durch China rollt, wird nicht mehr automatisch gefeiert, sondern höflich weggewunken – oder einfach überholt.

Image ist alles?
Und dann ist da noch das gute alte Markenimage. Jahrzehntelang stand der Stern für Prestige, Souveränität, deutsche Ingenieurskunst. Heute fragen sich viele: Steht er bald nur noch für „schön, aber schwierig zu bezahlen“? Die Marke glänzt noch – was man vor allem den famosen Fahrzeugen der Vergangenheit zu verdanken hat. Aber die Jungen können sich bald nicht mehr an polierte Denkmäler wie einen Strich-Acht, W124 oder R129 erinnern. Das waren noch Autos zum davor ehrfürchtig Niederknien...
Källenius bleibt gelassen, spricht von internationaler Strahlkraft und markiert das Luxussegment als Zukunftspfad. Die Aktionäre? Hätten lieber Taten als Zitate. Wo bleibt die Antwort auf den E-Auto-Boom, der nicht nur in China, sondern auch in Europa vielleicht langsam in Fahrt kommt? Wo ist das Tesla für Reiche, das Lucid für Feinschmecker? Stattdessen wirken manche Modelle wie iPhone-Preise in Blackberry-Hüllen.
Und so bleibt nach der digitalen Hauptversammlung eine digitale Erkenntnis: Mercedes steht am Scheideweg zwischen Tradition und Transformation. Zwischen Glanz und Glätte. Der Wind wird nicht aufhören. Die Frage ist: Wird man ihn nutzen wie ein Segel – oder dagegen ankämpfen wie mit offenem Schiebedach auf der A1? Luxus kann man sich leisten – aber nur, wenn der Rest der Welt das auch noch will.
Text: GAT
Fotos: Mercedes-Benz