Thekengespräch mit einem Insider

Thekengespräch - Der deutsche Spagat

Neulich sass ich wieder mit einem alten Bekannten bei einem Bier zusammen. Er ist schon länger in der Autoindustrie tätig und scheint oft ein bisschen mehr zu wissen, als er offiziell sagen dürfte. Also fragte ich ihn direkt: „Sag mal, hast Du gesehen, was die deutschen Hersteller da eigentlich für eine Nummer in Shanghai abziehen?“

Veröffentlicht am 27.04.2025

Er schüttelte den Kopf und murmelte: „Also ganz ehrlich, das ist ja wohl der Gipfel der Ideenlosigkeit.“ Ich grinste. „Na, unsere deutschen Premiumhersteller – die üblichen Verdächtigen. Kommen mit grossem Tamtam zur Auto Shanghai, tun so, als würden sie so richtig den Markt aufmischen – und bringen dann Modelle, die aussehen wie Copy-Paste aus dem chinesischen Katalog. Aber mit deutschem Logo. Und zum hohen Preis. Schau sie dir doch an, decke einfach mal das Logo ab und versuch mal zu erraten, welcher Hersteller sich dieses X-beliebige Ding erdacht hat. VW hat gleich drei solcher Ratespiele im Gepäck gehabt.“

Ich musste lachen. „Aber China ist halt der grösste Markt, da muss man schon lieb mitmachen und liefern.“ Er hob eine Augenbraue. „Ja, liefern. Aber was liefern sie denn wirklich? Ein Mercedes-Luxus-Van, der aussieht, als wär’s der 34. Versuch, aus einem Möbeltransporter einen Palast zu machen. Wird nie so gebaut werden und die ganzen Bildschirm-Schnick-Schnack können die dort drüben besser als wir. Ein Konzept auf Rädern, das schon beim Pressefoto müde gähnt.“ Ich nickte. „Hat den nicht schon 2014 irgendein Azubi als Semesterprojekt gebaut??“

Audi ohne Audi

„Eben, aber auch die Ingolstädter haben es so richtig krachen lassen“, sagte er trocken. „Die haben sogar ihre typischen Audi-Ringe geopfert. Die vier Ringe! Einfach so. Weg mit dem Erkennungsmerkmal, damit’s besser zum minimalistischen Design passt. Weisst du, da verbiegt man sich so sehr für China, dass es schon fast an Selbstverleugnung grenzt.“

Ich grinste. „Vielleicht wollen sie eben zeigen, dass sie den chinesischen Markt verstanden haben.“ Er winkte ab. „Nein, sie haben ihn nicht verstanden. Früher waren deutsche Autos dort ein Statussymbol, weil sie einfach besser waren. Jetzt? Jetzt sind die chinesischen E-Autos nicht nur günstiger, sondern oft mindestens auf Augenhöhe. Mehr Reichweite, mehr Ausstattung, mehr digitales Know-how – für weniger Geld. Und da kommen die Herren aus Stuttgart und Ingolstadt mit ihren tollen Modellen mit gleichem Konzept, nur doppelt so teuer.“

Ich runzelte die Stirn. „Meinst du, das merken die Kunden dort nicht?“ Er lachte. „Natürlich merken sie’s. Warum sollten die dort ein deutsches E-Auto kaufen, das aussieht wie ein Nio, fährt wie ein BYD – aber deutlich mehr kostet? Nur weil’s ’n Stern drauf hat? Das funktioniert nicht mehr. Die Markenbindung ist längst nicht mehr das, was sie mal war. Die kaufen, was gut und günstig ist – nicht, was mal in München auf dem Golfplatz stand.“


Die Zukunft – mit Stolz

Ich nahm einen Schluck und überlegte. „Aber irgendwas müssen sie doch versuchen…“ „Versuchen ist gut“, meinte er. „Es wirkt eher wie ein nervöses Zappeln. Statt mit echten Ideen zu kommen, biedern sie sich an. Präsentieren Autos, die keiner braucht, und hoffen, dass es irgendwie Eindruck macht. Dabei wäre jetzt der Moment, um wieder eigenständig aufzutreten. Was mit Haltung. Was mit Rückgrat.“

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Ich hob mein Glas. „Also auf den deutschen Erfindergeist.“ Er prostete mir zu. „Und auf die vier Ringe. Mögen sie eines Tages wieder voller Stolz und Inbrunst im Kühlergrill sitzen – statt sich für bessere Verkaufschancen zu verstecken.“

 

 

Text: GAT
Fotos: KI

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