MG ZS EV: “Rocken Sie ihr Leben mit MG”
MG hat mit der ursprünglichen Marke Morris Garage aus dem Jahr 1924 nur noch das ikonische sechseckige Logo gemeinsam. Der chinesische Autohersteller baut vor allem praktische und preisgünstige Fahrzeuge. Wie den ZS EV. Wir haben ihn getestet. Unser Fazit?
Man zeigte mit dem Finger auf uns. Tja, mit einem MG fiel man schon immer auf – und tut es anscheinend mit dem MG ZS EV immer noch. Hierzulande (noch) selten anzutreffen, gehört der in China produzierte SUV dort zu den meistverkauften E-Autos. Der chinesische Autohersteller SAIC kaufte 2007 die Rechte am MG-Logo und warb mit Josef Kaban einen erfahrenen europäischen Fahrzeugdesigner an.
Nun möchte MG auch den hiesigen Markt mit günstigen, praktischen, elektrischen und hybridisierten Fahrzeugen fluten. Dabei handelt es sich um alles andere als Elektroschrott: Der MG ZS EV hat fünf Sterne im Euro-NCAP-Crashtest.
Ein “normales” Auto
Äusserlich gibt sich der MG ZS EV zurückhaltend – eine Mischung aus Mazda, Ford und Irgendwas –, bodenständig wie ein Multifunktionsschuh. Keine fancy Hinweise darauf, dass es sich um ein Stecker-Auto handelt – es könnte auch ein “normales” Auto sein.
Wer glaubt, es mit einem klapprigen China-Spielzeug zu tun zu haben, wird angenehm überrascht sein. Die Mittelkonsole und Türverkleidungen sind mit Kunstleder oder Plastik in Lederoptik versehen, was gar nicht so schlecht wirkt. Zwar merkt man an der einen oder anderen Stelle, dass etwas gespart werden musste, doch der MG ZS EV bietet ein durchdachtes und komfortables Interieur. Zwischen den Vordersitzen befindet sich in der Mittelkonsole ein grosser Drehknopf, der zur Vorwärts- oder Rückwärtsfahrt gedreht werden muss. Ein Druck auf den Knopf stellt das Fahrzeug auf Parkposition ab und aktiviert die elektronische Handbremse – so einfach geht das in China.
Zwei Getränkehalter und ein Staufach befinden sich unter einer Klappe der Armlehne. Unter der Mittelkonsole gibt es ein kleines Ablagefach mit zwei USB-Anschlüssen – so wie man es auch von anderen Autos kennt. Die Bedürfnisse sind also hier wie dort dieselben: Kaffeeschlürfen und Handyladen.
Alle Batterien im Blick
Der Fahrer schielt auf zwei grosse analoge Anzeigen für Geschwindigkeit und Motorleistung sowie eine kleine Anzeige mit einem Überfluss an Informationen. Drückt man etwas an den Tasten rum, erscheint sogar neben dem Ladestand der Hochvoltbatterie auch die der kleinen 12-Volt-Batterie. Man wusste vielleicht nicht, welche wichtiger ist und hat sich entschieden, lieber zu viel als zu wenig zu informieren.
Neben dem etwas über informierendem Cockpit, bietet der zentrale Touchscreen Navi, Radio sowie Smartphone Konnektivität. Die Klimaanlage hingegen wird manuell gesteuert, also nicht nur manuell über Tasten, sondern auch manuell, im Sinne von ohne Temperaturautomatik. Wir Westler sind halt einfach zu verwöhnt.
Motivationsschübe
Der MG ZS EV verwöhnt dafür mit serienmässiger adaptiver Geschwindigkeitsregelung, Verkehrszeichenerkennung, Spurhalteassistent und Notbremsassistent. Überrascht sind wir von den Sprachansagen des ZS. Von «Einen schönen Tag und geniessen Sie ihr Leben» bis «Rocken Sie ihr Leben mit MG» wird man freundlich begrüsst.
Antriebstechnisch besitzt der MG ZS EV einen 156 PS schwachen Motor mit flüssigkeitsgekühlten NMC-Lithium-Ionen-Batterien von CATL. Das sorgt für eine solide Reichweite von im Schnitt 340 Kilometern, die sich im ECO-Modus weiter verlängern lässt. Im Sportmodus wird die Reaktion des rechten Pedals nachgeschärft; dennoch bleibt eine spürbare Gedenkpause. Neben der indirekten Stromannahme rekuperiert der MG ZS EV hingegen bei der Energierückgewinnung fast schon zu hart. Über einen KERS-Schalter kann dies eingestellt werden. Allerdings springt es nach jedem Neustart auf die härteste Stufe zurück.
Vollladen ohne Ladezeitenmanagement
Geladen wird über 11 kW oder im Schnellverfahren mit bis zu 94 kW. Doch bereits nach kurzer Zeit beginnt die Ladeleistung zu sinken. Leider gibt es weder eine App noch ein Lade- oder Heizzeiten-Programm. Sobald das Kabel eingesteckt wird, beginnt automatisch das Laden auf 100 Prozent. Schade, dass man für den Batterieschonung keinen Ladezielwert einstellen kann.
Achtung: Wer vergisst nach dem Laden die Ladeklappe zu schliessen, wird nicht vom Fahrzeug gewarnt, sondern fährt mit offenem Nasenloch und heraus baumelnder Gummiabdeckung durch die Gegend – dies allerdings weich gefedert. Nur kurze, harte Fahrbahnunebenheiten dringen in den Innenraum ein. Trotz seiner SUV-Karosserie bleibt er in Kurven stabil (niedriger Schwerpunkt), aber verliert bei leichten Beschleunigungen stets Traktion. Das Lenkgefühl fühlt sich taub an und bedarf keinerlei Kraftaufwendung.
Die Raumaufteilung ist praktisch, die Rücksitze bieten genug Platz für zweieinhalb Personen und der Kofferraum ist nicht unterdimensioniert. Auffällig ist jedoch, dass es im Fond zwar einen USB-Anschluss gibt, jedoch keine Sitzheizung (first-world-problems), keine Luftauslässe (ohh!) und keine Beleuchtung (what?!) gibt.
Fazit:
Insgesamt ist der MG ZS EV ein praktischer Stromer mit schicken inneren Werten. Für alle, die preisgünstig in die Elektrowelt reinschnuppern wollen. Natürlich hat der MG ZS EV gewisse Defizite. Doch als Alltagsfahrzeug für lokale Fahrten, Pendeln oder Kinder abzuholen, gibt es derzeit wohl kaum einen besseren Elektriker zu diesem Preis.
Text: GAT
Fotos: Toni Bader