Robin Road

Mitfahrgelegenheit wird zur Horrorfahrt

Francis ist Taxifahrer und hat schon viel erlebt. Aber jenen Donnerstagmorgen wird er nie vergessen – allerdings nicht im positiven Sinn. Was als unscheinbarer Auftrag begann, endete in einer dramatischen Fahrt, die Francis in eine prekäre Lage bringen sollte.

Veröffentlicht am 29.12.2024

Einer seiner Stammkunden rief Francis für eine Taxifahrt nach Zürich an. Beim Kunden angekommen wollte der ihm unbedingt sein neues Elektrospielzeug mit 1000 Nm zeigen. Er lud ihn zu einer Probefahrt ein. Zur Kundenpflege nahm Francis das Angebot an. Nach ein paar vorsichtigen Metern wollte der Kunde, dass Francis endlich mal richtig Gas geben sollte. Er hingegen fuhr gemütlich weiter, bis es dem Kunden zu langweilig wurde. Einen Fahrerwechsel später zeigte er Francis, wie man einen Elektrorenner richtig fährt. Was Francis zu diesem Zeitpunkt nicht ahnte, war, dass sein Kunde unter Drogen stand und offenbar zu viel «Fast and Furious» geschaut hatte.

Ein Unfall nach dem anderen

Vor einer scharfen Linkskurve kam das Auto ins Schlingern und kollidierte mit der Leitplanke. Schlagartig wurde aus der harmlosen Mitfahrgelegenheit eine Horrorfahrt. Anstatt anzuhalten, setzte der Kunde seine Fahrt im Affentempo fort. Wenig später nach dem ersten Unfall verursachte er mit massiv überhöhter Geschwindigkeit beinahe einen Überschlag und drehte sich mehrfach auf der Wiese. Das Auto kam mit einem Platten zum Stehen. Auch das kümmerte den Kunden nicht. Vielmehr fuhr er unbeirrt zu seiner Wohnung zurück. Froh, mit dem Leben davongekommen zu sein, wollte Francis so schnell wie möglich aus der Gefahrenzone – einfach nur weg von seinem waghalsigen Kunden. Dass Francis in seiner traumatischen Verfassung nicht daran dachte, die Polizei zu rufen, sollte ihm noch zum Verhängnis werden. Erst ein paar Stunden später, als er sich vom Schock erholt hatte, meldete sich Francis bei der Polizei.

Sein Kunde wusste nichts Besseres, als Francis die Schuld in die Schuhe zu schieben. Er gab gegenüber der Polizei sogar an, Francis sei gefahren und habe die Unfälle verursacht. Erst viel später erfuhr Francis von der Polizei, dass sein Kunde mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,5 Promille und unter Medikamenteneinfluss gefahren war. Dies war Francis zuerst nicht aufgefallen, da der Kunde schon immer ein etwas gspässiger Typ war.

Busse wegen Beifahrerflucht

Für Francis war die Sache eigentlich erledigt, bis er Post von der Staatsanwaltschaft erhielt. Geschlagene eineinhalb Jahre nach dem Unfall wollte sie Francis wegen Vereitelung der Blutprobe büssen – sozusagen wegen Beifahrerflucht. Auch wenn er nicht gefahren sei, hätte er die Polizei rufen müssen, so die Staatsanwaltschaft. Dies einerseits, weil ein Schaden entstanden sei, und andererseits, weil anfangs nicht klar gewesen sei, wer gefahren ist. Je nach den Umständen sei auch ein Beifahrer verpflichtet, die Polizei zu rufen, argumentierte die Staatsanwaltschaft. Francis verstand die Welt nicht mehr. Als unbescholtener Taxifahrer war er lediglich ein Beifahrer, der keinen Einfluss auf die Fahrweise seines Kunden hatte.

Francis erhob Einsprache und hoffte, die Staatsanwaltschaft bei einer neuerlichen Befragung von seiner Unschuld zu überzeugen. Die fand jedoch kein Gehör. Er musste vor Gericht antraben, weil die Staatsanwaltschaft Anklage gegen ihn und den Kunden erhob. Immerhin sprach das Gericht Francis endlich frei: Er habe nicht an der Fahrfähigkeit seines Kunden zweifeln müssen. Weiter konnte der Taxifahrer glaubhaft erklären, dass er beim besten Willen nichts für die Unfälle konnte und unter Schock stand, als er sich entfernte, ohne die Polizei zu rufen. Merke: In solchen Fällen ist es ratsam, immer die Polizei zu rufen, insbesondere, wenn man sich nichts vorzuwerfen hat. Dies hätte wohl Francis den Gang vor das Gericht erspart. Robin Road wünscht allseits gute Fahrt! 

Robin Road hilft

Dr. Rainer Riek – alias Robin Road – schreibt in jeder ai-Ausgabe und auf unserer Website über strassenverkehrsrechtliche Themen sowie rund ums Auto im Recht. Er ist Rechtsanwalt und Notar bei www.zp-law.ch und unter anderem spezialisiert auf Strassenverkehrsrecht. Zudem postet er seine Autoquartette auf dem Autoblog von www.driving.legal. Wichtiger Hinweis: Es handelt sich hier meist um reale Fälle mit geänderten Namen. Jeder Fall ist verschieden und muss einzeln betrachtet werden. Daher erfolgen sämtliche Empfehlungen und Angaben ohne Gewähr. 

Haben Sie Fragen oder Anregungen für Robin Road?

Schreiben Sie ihm:
road@auto-illustrierte.ch
oder per Post:
Robin Road
c/o auto-illustrierte Steinackerstrasse 35
8902 Urdorf

<< Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren: