

Der Nissan Micra stand in den letzten Jahren eher für... sagen wir: Existenz als für Exzellenz. Der Kleinwagen der Vernunft. Der Dauerstudent unter den Stadtautos. Nett. Aber kaum dreht man sich um, ist er schon wieder vergessen. Doch 2025 meldet er sich zurück. Elektrisch. Stylisch. Selbstbewusst. Und plötzlich fragen wir uns: Was ist da passiert bei Nissan?
Natürlich: Der neue MICRA steht auf der Renault-5-Plattform – man könnte es auch „technisches Couchsurfing“ nennen. Während der Renault 5 nostalgisch mit 70er-Charme und Haifischscheinwerfern flirtet, rollt der MICRA nüchtern ins Heute. Keine Retrospektive, kein "Weisst-du-noch-wie-früher?", sondern: schwarze Radläufe, dicke Felgen, klare Linien. Der neue MICRA verzichtet auf Spielereien – und zeigt Haltung.
Man hat sich wirklich Mühe gegeben
Nissan nennt das Ganze „audacious design“. Man könnte auch sagen: Zum ersten Mal sieht er nicht mehr aus wie ein rollendes Wasserkocher-Regal. Fortschritt! Schon aussen fällt der neue Stil auf – aber innen wird’s richtig spannend. Ambientebeleuchtung in 48 Farben, zwei grosse Bildschirme (10,1 Zoll), clevere Google-Integration und – für alle Freunde des stilvollen Detailfetischs – ein kleiner Fuji-Berg im Ablagefach. Warum? Keine Ahnung. Aber charmant ist es. Die Sitze? Je nach Ausführung „Modern“, „Audacious“ oder „Chill“. Das ist kein Interieur mehr – das ist eine Persönlichkeitserklärung.
Mit bis zu 253 Kilometern Reichweite (52-kWh-Batterie), Schnellladen in 30 Minuten und einem Verbrauch, der sich nicht gleich bei jeder Steigung beleidigt zurückzieht, ist der MICRA bereit. Nicht für die Nordschleife – aber für Innenstadt, Landstrasse und sogar die spontane Schwiegermutter-Evakuierung auf 180 Kilometer Distanz. Er kann V2L, e-Pedal, ProPilot – also alles, was man braucht, um den „Ich bleib beim Verbrenner“-Onkel beim nächsten Stammtisch argumentativ an die Wand zu fahren.
Der neue grosse Wurf?
Nein, nicht ganz. Der MICRA EV ist nicht die Revolution auf Rädern. Nicht das Auto, das alle haben wollen. Aber vielleicht das, das viele brauchen. Und er ist genau das, was Nissan dringend brauchte: ein Auto, das nicht nur rational, sondern auch emotional funktioniert.
Und vor allem: Er kommt nicht mit dieser typischen Manager-Attitüde von „Wir retten jetzt die Welt mit einem 2,2-Tonnen-Crossover“. Der MICRA bleibt klein. Und vielleicht ist Kleinsein heute der mutigste Schritt überhaupt.
Text: GAT
Fotos: Nissan