Renault Espace - Auch als SUV noch gut?
Für die sechste Generation hat Renault den Espace vom Van zum SUV umgestrickt. Mit Premiumansprüchen bei nach wie vor gutem Platzangebot bietet der Franzose viel Auto fürs Geld. Was kann er sonst noch? Grosser Test mit Video!
In den 1980er-Jahren machte der Renault Espace Vans in Europa salonfähig und sogar cool. Mit ihm war man gerüstet für jede erdenkliche Alltagssituation und konnte problemlos mit der erweiterten Familie samt Gepäck und Sportgerät in die Ferien fahren. Heute wollen die Kunden von Vans nicht mehr viel wissen und so haben VW Sharan, Ford Galaxy und Konsorten längst das Zeitliche gesegnet. (Diese Autos verlassen uns 2023!)
Der Fahrbericht im Video!
Auch Renault hat sich beim neuen Espace dem Zeitgeist gebeugt. Doch während bei den ehemaligen Mitstreitern auch gleich der Modellname verschwand, haben die Franzosen bei der sechsten Generation ihres Raumwunders den Namen beibehalten. Nur ist der neue Espace eben kein Van mehr, sondern ein weiteres der heute so beliebten Crossover-SUVs. Mit etwas weniger Stauraum, dafür auch mit weniger Angst vor schlechten Strassen.
Ein verlängerter Austral
Die optionale Lackierung in Gris Schiste Matt macht den Renault Espace zum Hinkucker.
Mit der Neuausrichtung ging eine Vereinfachung der Modellpalette einher, denn der Espace basiert auf der gleichen CMF-C-Plattform wie der kleine Bruder Austral, bringt nur gewachsene Abmessungen mit. Optisch dagegen gleicht er ihm aufs Haar. Das Design gefällt, wirkt modern, aber nicht überzeichnet. In der von uns getesteten Esprit-Alpine-Ausstattung kommt sogar noch ein Hauch Sportlichkeit in Form von 20-Zoll-Felgen und einigen Designdetails hinzu. Manche würden sich ein paar Unterscheidungsmerkmale zum Austral wünschen, doch das ist Geschmackssache.
Fünf oder sieben Sitze
Bei umgelegten Sitzen entsteht eine tiefe, nahezu ebene Ladefläche. Per Schlaufen lassen sich die Sitzlehnen mit einem Handgriff wieder aufrichten.
Der Name täuscht nicht darüber hinweg, dass Espace Nummer sechs im Gegensatz zum Vorgänger 14 Zentimeter kürzer geworden ist. Die Zeiten von «Velo-hochkant-als-Ganzes-einladen» sind vorbei, ansonsten hat die Praktikabilität nicht merklich gelitten. Der Kofferraum ist mehr als ausreichend gross und dank niedriger Ladekante einfach zu beladen. Nach wie vor wird der Espace auch als Siebensitzer angeboten, bei dem der Stauraum dann marginal kleiner wird. Während bei der fünfsitzigen Version bis zu 1818 Liter zur Verfügung stehen, sind es beim Siebensitzer noch 1714 Liter.
Laut Renault werden sich die meisten Kundinnen und Kunden für die fünfsitzige Version entscheiden, wobei beide Varianten gleich viel kosten. Es sind also nicht die eigenen Finanzen, sondern nur die Bedürfnisse, die entscheiden, welchen man wählt – zumal der Espace von Haus aus schon fair eingepreist ist, doch dazu später mehr.
Die Platzverhältnisse in Reihe drei taugen nur für Kinder. Für Erwachsene ab etwa 1,5 Meter Körpergrösse mangelt es an Kopffreiheit.
Vermutlich sind eher die Platzverhältnisse der Grund, der einen zum Fünfsitzer greifen lässt. Reihe drei ist nur für Kinder bis rund 1,5 Meter Körpergrösse geeignet. Für Erwachsene ist sie wegen der fehlenden Bein- und vor allem Kopffreiheit auch auf Kurzstrecken tabu. Dafür sitzt es sich dann in der um 22 Zentimeter verschiebbaren zweiten Reihe fürstlich. Je nach gewählter Ausstattung gibt es sogar kleine Kissen an den Kopfstützen. Das Raumgefühl ist dank des vollflächigen Panoramadachs grosszügig. Viele Ablagen, Getränkehalter und USB-Steckdosen auf allen Plätzen machen den Espace noch eine Ecke praktischer.
Nur wenige Kritikpunkte im Innenraum
Renault spricht dem neuen Espace einen Premiumanspruch zu. Der ist dann auch zu spüren, die Materialien und Verarbeitung fühlen sich grundsätzlich sehr wertig an. In der Esprit-Alpine-Ausstattung kommen blaue Ziernähte, ein mit grauem Stoff bezogener Dachhimmel und Mikrofaserbezüge hinzu, was einiges hermacht. Ziernähte in den Trikolore-Farben und kleine Frankreich-Fahnen zeugen von Liebe zum Detail und einem Hauch Patriotismus. Hartplastik findet sich ebenfalls, aber ausserhalb des Sichtfelds, das ist okay.
Das Cockpit des Espace kennt man bereits aus dem Austral. Bis auf die vielen Hebel an der Lenksäule ist die Bedienung optimal.
Ein paar kleine Kritikpunkte gibt es. Erstens fühlen sich die Türen beim Öffnen und Schliessen sehr leicht an, was wenig solide wirkt. Zweitens müsste der kratzeranfällige Klavierlack nicht sein. Drittens erschliesst sich uns der Vorteil eines Schlüssels im Kreditkartenformat nicht, an dem Renault schon lange festhält. Man kann ihn weder an den Schlüsselbund hängen noch ins Portemonnaie stecken. Viertens ist die Lösung mit der vor Hebeln und Schaltern überquellenden Lenksäule suboptimal. Wir haben mehr als einmal den Scheibenwischer aktiviert, statt den Gang einzulegen.
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Der Rest der Bedienung ist ein Traum. Für die wichtigsten Funktionen gibt es separate Tasten, etwa für die Klimabedienung. Das meiste wird über das gestochen scharfe und reaktionsschnelle Infotainment gesteuert. Wie auch bei Polestar und Volvo basiert Renaults OpenR-Link-System auf Android, womit Google-Funktionen wie Navigationskarten, der Sprachassistent und anderes direkt integriert sind. Die Bedienung des vertikalen Bildschirms mit den grossen, konfigurierbaren Kacheln und nur wenigen Untermenüs ist vom Smartphone bekannt und schnell gelernt. Das stark individualisierbare Digitalcockpit zeigt auf Wunsch eine vollformatige Navigationskarte an, die Infos werden auch ins Head-up-Display gespiegelt.
Vollhybrid als einzige Motor-Option
Grundsätzlich rollt der Espace elektrisch los. Es wird wie im Austral nur ein Antrieb angeboten, ein Vollhybrid mit 200 PS und 230 Nm Drehmoment. Die fühlen sich kräftiger an als vermutet. Für einen 1,2-Liter-Dreizylinder klingt der Verbrenner sogar ganz anständig, wird nur im Generatorbetrieb im Stadtverkehr zu laut und klingt dann wie ein Diesel. Wie viele Hybride fühlt sich der Antrieb im Espace bei Viertel- bis Halbgas am wohlsten. Dann kommt die Elektropower am effektivsten zur Geltung.
20-Zöller sehen schick aus, kleinere Felgen mit dickeren Reifenflanken würden aber noch mehr Komfort bringen.
Auf der anderen Seite hilft die E-Unterstützung beim Spritsparen. Im Test zeigte sich der Antrieb angenehm genügsam. Der Durchschnittsverbrauch lag zwar 1,7 Liter über dem WLTP-Wert, was aber auch mit dem hohen Autobahnanteil in diesem Test zu tun hat. Auf unserer Normrunde genehmigte sich der Espace weniger. Der Hybrid ist ein Antrieb für alle Lebenslagen, im Grunde wie der Espace selbst. Gerade für Märkte wie die Schweiz wäre ein Allradantrieb als Option wünschenswert – den Espace gibt es nur mit Vorderradantrieb.
Mirakulöse Allradlenkung
Hinter dem Signet «4CONTROL», das die B-Säulen ziert, versteckt sich somit kein Vierradantrieb, sondern die Vierradlenkung. Sie ist in zwölf Stufen einstellbar und verkleinert den Wendekreis von 11,6 auf 10,4 Meter, was das Manövrieren zum Kinderspiel macht. Die höheren Stufen sind nur fürs Rangieren zu empfehlen. Wenn man hier bei Landstrassentempo abrupt einlenkt, kommt der Espace schnell in den ESP-Regelbereich.
Allradantrieb wird im Espace leider nicht angeboten.
Für uns hat sich der Individualmodus mit Lenkung auf Sport sowie Fahrwerk und Antrieb auf Komfort als ideale Einstellung herausgestellt. Dann verschwindet die Nervosität der Lenkung bei Autobahntempi und das Fahrwerk ist bequem und nachgiebig. Die präsenten Reifenabrollgeräusche und das herbere Ansprechverhalten auf Querfugen dürften sich mit einer kleineren Besohlung erledigen, die es im Konfigurator ebenfalls gibt.
Vielfältige Assistenzsysteme
Geringe Windgeräusche komplettieren die gelungene Vorstellung als Reiseauto zusammen mit den bis zu 32 Fahrassistenten. Dazu gehört der Abstandstempomat samt Spurhalteassistent, der einen auf langen Autobahnetappen gut unterstützt. Dank des berührungsempfindlichen Lenkrads reicht es, eine Hand leicht am Volant zu platzieren, damit das System seiner Arbeit nachgeht und nicht meckert. Alle paar Sekunden am Lenkrad zu rütteln, wie es die Systeme manch anderer Hersteller erfordern, ist so nicht nötig.
Am Ende zeigt der Espace viele Stärken und nur wenige Schwächen. Ein echtes Kaufargument ist der Preis. Wer es mit den Kreuzen in der Optionsliste nicht übertreibt, bekommt für unter 50'000 Franken ein geräumiges, gut ausgestattetes und praktisches Auto. Selbst unser voll ausgestatteter Testwagen kostet unter der 55'000 Franken.
Beim Espace gibt es viel Platz, gute Ausstattung und einen ausgereiften Antrieb zum fairen Preis. Weil das SUV ab sofort nahezu baugleich mit dem Austral ist, kann man sich überlegen, ob einem nicht vielleicht auch der kleine Bruder schon ausreicht.
Testbewertung
- Design: 4/5
- Komfort: 4/5
- Nutzwert: 4/5
- Antrieb: 3/5
- Preis: 5/5
Karosserie
+ Modernes und gefälliges Design, grosser und variabler Kofferraum, einfache Zuladung, gute Material- und Verarbeitungsqualität, grosszügiges Raumgefühl, bequeme Sitze in den vorderen Reihen, bis zu sieben Sitze.
– Dritte Sitzreihe nur für Kinder, etwas weniger Platz als im Vorgänger, Stehhöhe unter Kofferraumklappe knapp.
Fahrdynamik
+ Generell bequemes und langstreckentaugliches Fahrwerk, herausragende Allradlenkung mit kleinem Wendekreis, geringe Windgeräusche.
– Vernehmbare Abrollgeräusche mit 20-Zoll-Felgen, grobes Ansprechen auf Querfugen.
Umwelt
+ Niedriger Verbrauch im Mix, in der Stadt hoher Anteil an elektrischem Fahren, geringes Leergewicht.
– Unter Last erhöhter Verbrauch.
Antrieb
+ Harmonischer Hybridantrieb, kräftige Beschleunigung, leise Motorgeräusche im Fahrbetrieb, unauffällige Automatik.
– Teilweise rauer Motorsound.
Sicherheit
+ Viele Assistenzsysteme verfügbar, guter Abstands- und Spurhalteassistent, Scheinwerfer mit guter Fahrbahnausleuchtung, einfache Bedienung, gute Rundumsicht, ESP regelt früh und sicher.
– Je nach Lenkeinstellung nervös auf der Autobahn, Matrix-LED-Scheinwerfer leuchten Schilder nicht zuverlässig an, Verkehrszeichenerkennung unzuverlässig.
Kosten
+ Sparsamer Antrieb, fairer Grundpreis, hohe Ausstattung ab Werk.
– Drei Jahre Garantie nur Durchschnitt.
Technische Daten Renault Espace E-Tech
Motor und Antrieb: R3-Hybrid, 1199 cm3, 96 kW/131 PS, 205 Nm, System: 147 kW/200 PS bei 5600/min, 230 Nm bei 1750/min,
Li-Ionen-Batterie: 2,0 kWh, Multimode-Automat, Frontantrieb.
Fahrleistungen: Leistungsgewicht: 9,23 kg/PS, 0–100 km/h: 8,8 s, Spitze: 174 km/h (Werk), Verbrauch (WLTP): 4,6 l/100 km, CO2/Effizienzkat. (Werk): 104 g/B, Test: 6,3 l/100 km, ai-Runde: 4,9 l/100 km.
Fahrwerk: Vorne Querlenker mit MacPherson-Federbeinen, hinten Mehrlenkerachse, Schraubenfedern, Stossdämpfer, vier innenbelüftete Scheibenbremsen (v./h. 292/296 mm), Zahnstangenlenkung, elektromechanische Servolenkung, Spur v./h: 1590/1585 mm, Bereifung: 205/55 R19, Wendekreis: 10,4 m.
Masse und Gewichte: L/B/H: 4722/1843/1645 mm, Radstand: 2738 mm, Leergewicht: 1659–1824 kg (Serie), Zuladung: 396–536 kg, Kofferraum: 159–1818 l, Tank: 55 l, Bodenfreiheit: 180 mm.
Basispreis: 44'300 Franken
Testwagenpreis: 54'192 Franken
Text: Moritz Doka
Fotos: Markus Kunz/auto-illustrierte