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Salami-Taktik für Salami-Auto

Erst der Sound, dann die Zahlen und vielleicht irgendwann das Auto selbst? Ferrari präsentiert seinen ersten Stromer in homöopathischen Dosen. Die «Elettrica» kommt 2026, aber in Maranello hat man offenbar beschlossen: Spannung erzeugt man nicht mit Volt, sondern auch mit Geduld.

Veröffentlicht am 10.10.2025

Wir sind genervt. Seit wann bitte macht man das – Autos wie Kino-Trilogien am Ende nochmals in zwei separaten Filmen aufteilen? Früher liefen Fahrzeugpräsentationen wie folgt: Man geht hin, bekommt ein Auto gezeigt, ein paar Bilder und technische Daten in den Rucksack, Preis folgt – und jetzt Tschüss und auf Wiedersehen. Zack, fertig, aus. Heute dagegen: Salami-Taktik mit Marketingtrüffel.
Angefangen hat’s mit Teasern: ein Scheinwerfer hier, eine Lichtsignatur da, ein Datum im Kalender. Dann folgten die „Covered Drives“ – Journalisten durften neben einem muffelig wie schweigsamen Ingenieur Platz nehmen, der auf jede Frage mit seinem einstudierten Song antwortete: «Das kann ich Ihnen im Moment leider noch nicht sagen.» Wer versuchte, unter das Tuch zu linsen, hätte auch gleich versuchen können, der Queen unter den Rock zu schauen.

Die italienische Art

Aber was Ferrari jetzt abzieht, ist selbst für italienische Verhältnisse Oper. In Maranello hat man sich gedacht: Warum ein Auto zeigen, wenn man auch einfach mal einen vordudeln kann? Der erste elektrische Ferrari – zweifellos eine Revolution auf vier Rädern – wird uns also häppchenweise gereicht. Erst kam der Klang, dann die Zahlen und noch ein Bild von der Batterie. Die Arroganz des Hauses Ferrari? Legendär. Aber diese neue Salami-Strategie treibt’s auf die Spitze.

Dabei klingt das Konzept gar nicht schlecht – im wahrsten Sinne: Die Elettrica soll nämlich nicht klingen wie ein V12 aus der Retorte, sondern echt. Keine künstliche Klangkulisse wie der lange BMW-Zimmer-Rülps, sondern Schwingungen, die direkt vom Antrieb stammen. Ein Sensor misst die Vibrationen des Motors, verstärkt sie und schickt sie wie ein elektrischer Gitarren-Pick-up durch den Verstärker. Das Ergebnis soll ein «authentischer Ferrari-Sound» sein – anders, aber echt. Ein bisschen Hendrix statt Hans, aber warten wir das Ergebnis im Realbetrieb erst mal ab.
Chefingenieur Ernesto Lasalandra hingegen erklärt das so: «Der Klang muss real sein. Alles andere wäre für unsere Testfahrer inakzeptabel», sagt der Mann, der neben einer 1,1-Megawatt-E-Gitarre steht.
Die nackten Zahlen der «Elettrica» klingen aber tatsächlich beeindruckend: 122-kWh-Akku, über 1.100 PS, vier Motoren, 8.000 Newtonmeter an den Hinterrädern, 0 auf 100 in 2,5 Sekunden, 310 km/h Spitze. Dazu 530 Kilometer Reichweite, 800 Volt Bordspannung und eine aktive Fahrwerksregelung, die jedes Rad einzeln steuert. Klingt nach Zukunft – wiegt aber 2,3 Tonnen. Es ist, als hätte man das Prinzip «leicht, aber stark» auf «schwer, aber schnell» aktualisiert.
Ferrari verspricht, die typische «Fahrseele» nicht verloren zu haben. Dafür sollen Paddles hinterm Lenkrad künstliche Gangwechsel simulieren, weil’s sonst «zu steril» wäre. Man fragt sich unweigerlich: Hoffentlich haben sich das die Pioniere auf dem Gebiet von Hyundais N-Abteilung gut patentieren lassen. Bei so viel Simulation kommt die Stimulation? Das Vorgaukeln von Klang, Gang und Fahrgefühl – wie viel Ferrari bleibt dann noch übrig?

Fest steht: Der Ferrari Elettrica wird kein Auto, sondern ein Versuch. Ein rollendes Symbol für die Angst vor der Stille. Und während Maranello noch Soundfiles verschickt und Spannung aufbaut, sitzen wir hier – kopfschüttelnd, aber schon irgendwie neugierig.
Sollte das Ding dann doch irgendwann mal 2026 endlich enthüllt werden, werden wir es Ihnen gleich verraten. Vielleicht präsentiert man uns bis dahin das Handschuhfach, eine Bremsscheibe und den Wischwasserbehälter – einzeln versteht sich.

Bilder: Ferrari

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