
Schwiegermuttis Liebling
Meine Schwiegermutter, ein platter Reifen und der Citroën C5 Aircross. Absoluter Härtetest für Auto und Redaktor. Und Petra, wenn du das hier liest: Ich mag dich auch nicht!
Samstagmorgen, das Telefon klingelt. «Meine Mutter hat an ihrem Velo einen Platten, kannst du sie abholen? Bitte sei lieb zu ihr, sie hat einen schlechten Tag», erklärt mir meine Frau. Ja merci, einen solchen habe ich jetzt auch. Also mache ich mich mit dem Citroën C5 Aircross auf den Weg zu meiner gestrandeten Schwiegermutter. Ich ahne, dass nicht nur das Velo im Fokus stehen wird. Kurz nach der Ankunft am Pannenort bestätigt sich die Vermutung.
Schon beim Einsteigen mustert sie den Innenraum kritisch. «Ist ja ganz nett hier drin, aber warum so hoch? Ist das ein Traktor?», sagt sie mit ihrer stets charmanten Art. Ich erkläre, dass SUVs genau dafür gelobt werden: ein einfacher Einstieg und ein guter Überblick über die Strasse. Sie schnauft. «Ich sehe nicht einmal, wo die Motorhaube endet. Was soll ich da überblicken?» Ich ignoriere die Bemerkung und verstaue ihr Velo. Die Rücksitze des C5 lassen sich mühelos umklappen und mit 1630 Litern Stauraum passt der Göppel locker hinein – ohne dass ich auch nur ein Rad abnehmen muss. «Na ja, Platz hat er wenigstens», gibt sie zu, «aber das macht ihn nicht hübscher.» «Puh, nichts wie los und auf dem schnellsten Weg den Drachen zurück in seine Burg bringen», denke ich mir.
Von unberechtigter Kritik …
Wir wollen losfahren. «Ist das Auto überhaupt an?», schnaubt es aus des Ungeheuers Nüstern. Selbstverständlich! Der Hybrid fährt im Elektromodus nahezu geräuschlos, besonders bei niedrigen Geschwindigkeiten. «Ganz nett», sagt sie, «aber wie lange hält die Batterie? Muss ich gleich anschieben?» Ich erkläre ihr geduldig, dass der Wagen nicht geladen, sondern nur getankt werden muss. Der Benzinmotor springt an, wenn der Akku (0,9 kWh) leer ist oder via Gaspedal nur ein bisschen Leistung abgerufen wird – also sehr oft. «Das ist mir viel zu viel Technik», grummelt sie. «Die funktioniert aber prima», will ich entgegnen, besinne mich aber noch rechtzeitig. Unter uns: Der 1,2-Liter-Benziner und das unterstützende Mildhybrid-System arbeiten reibungslos zusammen. Lautlos könnte es von mir aus jetzt gerne im Innenraum weitergehen.
Wir fahren auf eine Ampel zu, die auf Rot wechselt. Ich nehme das Gas weg, die Rekuperation schaltet sich ein und das Auto verzögert. «Warum bremst du so kräftig?», hallt es von rechts. Ich erkläre, dass die Energie zurückgewonnen wird, wenn ich vom Gas gehe, was nicht nur den Akku lädt, sondern auch den Verbrauch (Testverbrauch 5,7 l/100 km) senkt. «Das Gehoppel wirkt so, als wärst du Fahranfänger», meint sie trocken.
… zu leiser Begeisterung
Zurück auf der Landstrasse fällt ihr die komfortable Federung auf. «Der schaukelt ja wie ein alter Gaul», bemerkt sie, während wir sanft über eine Bodenwelle gleiten. Ich erkläre, dass der C5 auf Komfort ausgelegt ist und das ja auch tief in der DNA von Citroën verankert ist. Dass es anstelle der seligen Hydropneumatik jetzt eine Federung mit progressivem hydraulischem Anschlag richten muss, erscheint mir als überflüssige Information in diesem Gespräch. Zu Recht: «Komfort schön und gut, aber in Kurven fühlt sich das an, als würde ich gleich aus dem Fenster rutschen», kommentiert sie schnippisch. Kein schlechter Gedanke.
Sie fängt an, auf dem Touchscreen herumzutippen. «Ach, Hightech. Früher hatten wir Knöpfe, die haben immer funktioniert.» Ich habe genug gehört und überlege mir, wie mir meine Frau das hier nur antun konnte. Und es ist ja noch nicht vorbei: «Hey, fahr nicht so schnell, wir sind hier nicht auf der Rennstrecke!», ruft das Schwiegermonster. «Der Antrieb hat nur 100 kW/136 PS, wie um Himmels willen soll ich damit bitte zu schnell fahren?», protestiere ich und rede mich in Rage: «Er ist praktisch und bequem, voll ausgestattet, verbraucht wenig, die Kinder lieben ihn und er besitzt eine grosse, aber leider nicht elektrische Heckklappe, die ich gleich öffnen werde, um deinen blöden Drahtesel herauszuwerfen.» Es folgt Stille.
Wir kommen an ihrem Haus an und laden das Velo aus. Noch bevor ich wieder einsteige, fragt sie mich, wie viel dieses Auto denn koste. Auf die von mir angegebenen knapp 39 000 Franken folgt ein anerkennendes Nicken. «Ein ziemlich fairer Preis. Eigentlich ein gutes Auto. Danke fürs Abholen!», sagt sie ganz unschuldig. So freundlich und nett ist sie sonst nie, der komfortable Franzose scheint es tatsächlich in ihr Herz geschafft zu haben. Er hat den Tag überstanden – und ich auch. Aber nächstes Mal bringe ich ihr lieber ein Flickzeug.
Text: GAT
Bilder: Toni Bader