Aston Martin Probefahrt

Staubige Sache: Testfahrten des Aston Martin DBX in Oman

Dreckige Autos sind im Oman per Gesetz verboten. Doch das lässt sich im Wüstenstaat nicht immer vermeiden – sofern man das überhaupt will. Aston Martin verlegt die Erprobungsfahrten des DBX gerade wegen der staubigen Pisten und des heissen Klimas in das Sultanat. Wir waren bei den Testfahrten im SUV-Prototypen exklusiv dabei.

Veröffentlicht am 20.01.2020

Irgendwo in der Nähe der omanischen Hauptstadt Maskat. Chefingenieur Matt Becker gesteht: «Eigentlich versuchen wir, die Autos möglichst dreckig zu lassen.» Gerade die staubige Umgebung und die Temperaturen, die im Sommer schon einmal 40 bis 50 Grad betragen können, bieten ideale, weil besonders herausfordernde Testbedingungen für das erste SUV von Aston Martin. Nach 8000 Kilometern auf dem Nürburgring (D) und Offroadtests auf dem ehemaligen Rallye-Areal «Walters Arena» in Wales sind Matt und sein Team hier mit einem sogenannten First Production Vehicle unterwegs.

Der Prototyp entspricht in grossen Teilen bereits der Serienversion – zumindest was die Hardware betrifft. Das gilt sowohl für das Design der Vollaluminium-Karosserie als auch für das Chassis. Designer und Ingenieure arbeiteten von Anfang an bei der Entwicklung zusammen: «Als wir mit dem Konzept begannen, wollten wir sicherstellen, dass wir das klassenbeste Package, also das bestmögliche Platzangebot für die Insassen haben», erklärt Matt. «Man könnte es auch andersherum machen und mit dem Design anfangen und dann Kompromisse beim Platz machen. Das wollten wir nicht. Deshalb haben wir uns für eine eigenständige Plattform entschieden.» Ziel sei es gewesen, das fünf Meter lange SUV trotz des geräumigen Innenraums kompakt erscheinen zu lassen. Und natürlich sollte ein Aston-SUV sich bei allem nötigen Komfort noch sportlich fahren.

Die Testfahrten in Oman

Die Testfahrten in Oman

Im Oman waren Kamele über Tausende von Jahren das wichtigste Transportmittel. Heute sind die Wüstenschiffe hauptsächlich Statussymbole.

Im Oman waren Kamele über Tausende von Jahren das wichtigste Transportmittel. Heute sind die Wüstenschiffe hauptsächlich Statussymbole.

Exklusive Erläuterung: Chefingenieur Matt Becker (rechts) erklärt Redaktor Michael Lux das Fahrwerk des SUV.

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Grosse Schlappen: Der DBX ist serienmässig mit 22-Zöllern besohlt.

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Nix offroad: Bei den unasphaltierten Pisten handelt es sich um reguläre Strassen.

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 Edles Innenleben: Das Cockpit-Design ist bereits final. Es wird aber zahlreiche Ausstattungen geben.

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Zahlreiche neue Systeme

«Ignorieren Sie bitte die Christbaumbeleuchtung», schmunzelt Matt, als ich auf dem Fahrersitz Platz nehme. Im Digital-Cockpit leuchten jede Menge Fehlermeldungen auf. Die meisten betreffen die Assistenzsysteme. SUV-Kunden haben punkto Sicherheit und Komfort schliesslich höhere Erwartungen als Sportwagenfahrer. Deshalb hat der DBX eine ganze Armada an Helferlein an Bord. Als erster Aston überhaupt verfügt das SUV beispielsweise über einen adaptiven Tempomaten und einen Spurhalteassistenten. Für den nötigen Fahrkomfort sorgt eine adaptive Dreifach-Luftfederung, für optimale Fahrdynamik ein 48-Volt-Anti-Rollsystem, das die traditionellen Stabilisatoren ersetzt. «Die grösste Herausforderung neben der Entwicklung einer neuen Plattform und eines neuen Federungssystems war die Integration all der neuen Systeme», erzählt Matt weiter.

Um festzustellen, wie gut das funktioniert, unternehmen die Ingenieure im bergigen Hinterland täglich Langstreckenfahrten und sammeln Informationen: «Jeden Tag bekommen wir neue Updates. Gestern haben wir beispielsweise eine neue Software für unser Federungsmodul bekommen, die dann prompt ein Problem verursacht hat. Das Auto liess sich nach dem Update nicht mehr anheben.» Je nachdem, welcher der sechs Fahrmodi gewählt ist, lässt sich das Fahrzeugniveau um 45 Millimeter erhöhen oder 50 Millimeter absenken.

Wo sind die Bangs?

Tadellos arbeitet bereits der V8-Twin-Turbo von AMG, der schon im DB11 sowie im Vantage zum Einsatz kommt. Im SUV wurde der Front-Mittelmotor bewusst tief eingebaut, um mehr Platz im Cockpit zu schaffen. Ergebnis: Die durchbrochene Mittelkonsole, in der die Handtasche der für die Zukunft erhofften, zunehmend weiblichen Kundschaft versorgt werden kann.

Neben dem Verdichtungsverhältnis und neuen Ladekühlern wurde die Zündreihenfolge der Zylinder verändert, um den passenden Aston-Sound zu generieren. Beim Druck auf den mächtigen Startknopf knurrt der V8 zunächst böse auf, um dann dezent vor sich hin zu grummeln. Im gezähmten GT-Mode gibt sich der Turbo noch recht entspannt. Zudem besitzt der DBX als erster Aston eine doppelte Trennwand zwischen Motorraum und Kabine als Schallisolierung. Die 22-Zoll-Reifen von Pirelli verfügen darüber hinaus über eine integrierte Geräuschunterdrückung, was den Fahrkomfort erhöht.

«Roooaar! Rooaar!», auf Sport+ zeigt der DBX, dass er auch anders kann. Dann öffnen sich die Auspuffklappen, und der Achtzylinder macht beim Beschleunigen mit kernigem Grollen auf sich aufmerksam. Sportlich, aber nicht brutal, lautet das Motto – very british eben! «Der Sound ist schon zu 95 Prozent final», sagt Matt. «Wir müssen nur noch festlegen, wann genau es die Bangs gibt.»

Wie auf Stichwort gibt es kurze Zeit später einen lauten Knall, der mich zusammenzucken lässt. Was war das? Ein Steinschlag oder ein geplatzter Reifen? Nein, nur eine Übersteuerung aus den Boxen der Stereoanlage. Dem Infotainment werden bis zum Serienstart ebenfalls noch die Kinderkrankheiten ausgetrieben. Zum Einsatz kommt das Mercedes-Infotainment aus der aktuellen E-Klasse –
nicht das DBUX-System wie in der neuen A-Klasse.

550 PS gegen 2,2 Tonnen

In Maskat geht es noch schlimmer zu als in Zürich – zumindest was die Blitzer angeht. Gefühlt alle zehn Meter ein Starenkasten. Schade, denn die perfekt gepflegten Stras-sen laden geradezu dazu ein, einmal richtig auf die Tube zu drücken. Als die neoorientalischen Bauten der Hauptstadt langsam im Rückspiegel verschwinden, schalte ich auf Sport und wage einen Versuch: Sofort senkt der DBX die Schnauze um 15 Millimeter, der V8 spannt die kräftigen Muskeln und schiebt die 2,2 Tonnen ungestüm vorwärts. Wie ein wilder Stier! Verzeihung, den Claim haben ja schon die Italiener belegt. Mit 550 PS und 700 Newtonmetern schenkt der DBX dem Lamborghini Urus aber nicht viel. 0,9 Sekunden, um genau zu sein. In 4,5 Sekunden sprintet der grosse Brite von 0 auf 100 km/h. Genauso schnell wie sein zweiter grosser Konkurrent, der Bentley Bentayga. Was das Fahrwerk angeht, ist der Aston Martin irgendwo zwischen den beiden angesiedelt, wie sich zeigen wird.

Allradler mit Fun-Potenzial

«Hier wieder rechts»,  kommandiert Matt. Zweimal abgebogen, dann endet urplötzlich die Asphaltstrasse. Als Schotterpiste schlängelt sich der Weg weiter durch das ausgetrocknete Flussbett. Links und rechts des Wadis ragen zerklüftete Felskegel in den dunstigen Himmel. Wir ziehen eine ellenlange Staubfontäne hinter uns her. So viel zum Thema saubere Autos!

In den Sportmodi ist der ebenfalls von AMG stammende Allradantrieb mit aktivem Verteilergetriebe und elektronischem Hinterachssperrdifferenzial möglichst hecklastig ausgelegt – bis zu 100 Prozent des Drehmoments gehen bei Bedarf an die hinteren Räder. «So kann man das Auto zum Tanzen bringen», ermutigt mich Matt, auf der an einen Rallye-Parcours erinnernden, menschenleeren Piste. Tatsächlich, in Sport+ schwänzelt der DBX bei schnellen Lenkbewegungen beinahe leichtfüssig mit dem Hinterteil. Dank der sehr direkten Lenkung reichen ein feiner Dreh am Volant sowie ein gezielter Gasstoss, um in den leichten Drift zu kommen. Das 48-Volt-Anti-Roll-System verhindert, dass sich das SUV bei schnellen Kurven aufschaukelt.  Unebenheiten federt das Dickschiff dank Luftfederung und über drei Meter langem Radstand ohne mit der Wimper zu zucken weg. Das Fahrwerk ist zwar nicht ganz so weich wie beim Bentayga, aber trotz aller Sportlichkeit ausreichend komfortabel.  Und geht es doch mal in gröberes Geröll, gibt es die beiden Offroad-Modi Terrain und Terrain+, in denen der Fahrzeugboden bis zu 45 Millimeter angehoben wird.

Luxusliner statt Offroader

«Wir erwarten eher, dass die Leute mit dem DBX zum Jagen fahren als ins Gelände zu gehen», gibt Matt im Gespräch zu. «Aber er hat die Fähigkeiten dazu.» Bei einem Basispreis von umgerechnet 195 000 Franken könnte er da wohl recht behalten. Die Kunden aus Nordamerika und China dürfte vor allem das gute Platzangebot mit dem 632 Liter  grossen  Kofferraum sowie die Anhängelast von 2700 Kilogramm locken. Und natürlich die luxuriöse Ausstattung des DBX. Schon der Prototyp ist innen rundum in edles Leder gehüllt. Dazu soll es zahlreiche  individuelle Ausstattungsvarianten und aussergewöhnliches Zubehör geben – vom «Pet Pack» mit Hundewaschanlage über ein «Ski-Pack» mit Stiefelwärmer oder Holzeinlagen passend zum eigenen Jagdgewehr. Da reicht es der betuchten Kundschaft sicher auch noch zu einer Fahrt durch die Waschanlage. Der neue Sultan hätte jedenfalls seine Freude daran.

Michael Lux

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