Very nice
Nach fast eineinhalb Jahren Robin Road gebe ich gern einen Einblick in meine Tätigkeit als Rechtsanwalt und wie es dazu kam, einen beschlagnahmten Rolls Royce aus den Asservaten der Justiz zu erlösen, ganz ehrwürdig den Initialen «RR» verpflichtend. Der Fall spielte sich im Jahr 2012 ab.
«Very nice» dachte sich Josh, als er zu einer exklusiven Rallye von London nach «Nice» an die Côte d’Azur startete. Ein kleiner aber feiner Tross edler Fahrzeuge querte dabei etwas gar zügig die Schweiz. Josh fuhr einen Rolls Royce Silver Ghost. Allerdings hatte er Pech, war er der letzte des Konvois, was dem sonst ja eher gemütlichen RR durchaus entsprach. Am Ende der Autobahn wurde er von einem Polizeiauto angehalten. Die Polizei konnte ihm glücklicherweise nicht recht folgen und eine Videoaufzeichnung war nicht möglich. Aufgrund der vermuteten Geschwindigkeit fackelten die Polizei nicht lange und beschlagnahmten den RR. Dies ganz zum Ärger von Josh, dessen Rallye-Kollegen schon über alle Berge waren, zumindest in St. Moritz, wo gerüchteweise weitere Beschlagnahmungen stattgefunden haben sollen. Zu allem Übel war auch noch Freitag und der Staatsanwalt wollte den Silver Ghost zuerst untersuchen lassen, ob er überhaupt zugelassen und fahrtauglich oder sogar gestohlen war. Zudem erhoffte er sich von den Fahrzeugdaten Angaben über die gefahrene Geschwindigkeit.
Polizei tappt im Dunkeln
Josh musste zudem umgehend bei der Polizei zur Befragung antraben, wozu er einen autoaffinen Rechtsanwalt beizog. Dabei wurde Josh unter anderem gefragt, wie schnell er gefahren sei. Josh konnte oder wollte darauf keine Antwort geben und hoffte, damit habe sich die Sache erledigt. Als der Polizeibeamte meinte, Josh müsse schon sehr schnell gefahren sein, weil nicht einmal das Polizeiauto ihm folgen konnte, meinte Josh salopp: Dies könne nur an einem defekten Polizeiauto liegen. Zum Glück verfügte der Polizeibeamte über genügend Humor und überliess die Würdigung der Aussagen dem Staatsanwalt. Diesem eilte es verständlicherweise nicht allzu sehr, den RR bald wieder freizugeben. Im Gegenteil: Der Staatsanwalt verlangte von Josh eine happige Kaution von 3000 Franken.
Nach dem Wochenende erhielt der Staatsanwalt Bescheid von den technischen Experten. Im Gegensatz zu heute (s. ai 05/2021) wurden damals, also 2012, aber noch keine Fahrzeugdaten gespeichert — zumindest gab dies offenbar die offizielle Rolls-Royce-Vertretung dem Staatsanwalt bekannt. Zudem gab es auch sonst keine Unregelmässigkeiten. Die Geschwindigkeit konnte mangels anderer Daten nur anhand der Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen zwei Autobahnüberwachungskameras ermittelt werden. Somit musste der Staatsanwalt dem Silver Ghost wieder freien Lauf lassen. Die Busse und die Verfahrenskosten entsprachen — wenn wundert’s — exakt dem Kautionsbetrag von 3000 Franken.
Aus dem Arrest geholt
Da Josh mit einem Mietauto — immerhin eine S-Klasse — seinen Kollegen hinterherfahren wollte, musste ein Freiwilliger den Rolls Royce Silver Ghost aus dem Arrest der Polizei befreien. Meine Mitarbeiter liessen es sich nicht nehmen, das teure und feine Leder als Passagiere vornehm königlich dahingleitend zu geniessen. Josh war erleichtert, seinen Silver Ghost wieder in Empfang zu nehmen, aber auch Robin Road. Denn als Ritter der Strasse mangelte es ihm an einer adligen Unterkunft für ein solch königliches Gefährt. Dass Josh die Fahrt durch unser schönes Alpenland mit allem Drum und Dran den Gegenwert eines Kleinwagen kostete und er ein längeres Fahrverbot für in der Schweiz kassierte, konnte er offensichtlich ganz gut verschmerzen.
Robin Road wünscht Ihnen weiterhin gute Fahrt!
Text: Robin Road
Fotos: Vesa Eskola
Robin Road hilft
Dr. Rainer Riek — alias Robin Road — schreibt in jeder ai-Ausgabe oder auf unserer Homepage
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Wichtiger Hinweis: Es handelt sich hier meist um reale Fälle mit geänderten Namen. Jeder Fall ist verschieden und muss einzeln betrachtet werden. Daher erfolgen sämtliche Empfehlungen und Angaben ohne Gewähr.
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