Villa d’Este - ein Kommentar
Wir hatten es schon angedeutet: der Concorso d’Eleganza in Villa d’Este war heuer, im Vergleich zu anderen Jahren, eher mau. Was aber gleich geblieben ist: ein gewisses Unverständnis für die Jury-Entscheidungen.
Gut, es ist ganz allgemein schwierig, den Überblick zu bewahren über all die Töpfe, die es in Villa d’Este zu gewinnen gibt. Nach dem Wochenende geht wohl keiner der Besitzer nach Hause ohne Auszeichnung, und wenn diese nur heisst: einziger BMW 2002 im Wettbewerb. Doch es gibt schon ein paar Preise, die sind wichtiger als andere. Und dazu zählen wir die «Coppa d’Oro» nicht, denn diese wird vom Publikum verliehen, das in diesem Jahr so richtig zahlreich strömen durfte. Dies gegen ein Entgelt von 850 Eurp pro Person, ohne, dass etwa noch ein Glas lauwarmer Prosecco inbegriffen gewesen wäre, das von den gewohnt missmutigen Kellern des Hotels fast nur unter Androhung körperlicher Gewalt zu erhalten ist. Wie auch immer, Publikumsliebling wird der tatsächlich grossartige Aston Martin Bulldog, den der Milliardär Phillip Sarofim in den vergangenen Jahren so perfekt zu einer Schönheit restaurieren liess, die der Bulldog Zeit seines Lebens nie war.
Dass das bezahlende Publikum eher für den Bulldog stimmt als für den so wunderbaren Bugatti Type 59 Sports aus Schweizer Besitz, ist irgendwie noch verständlich: der Aston sieht so aus wie die Gäste (also: wie geleckt), der Bugatti hat eine wunderbare Patina (was von den wenigsten der Anwesenden behauptet werden kann, es war Villa d’Este auch ein Fach-Forum in Sachen Schönheitsoperationen - wäre vielleicht auch einmal einer Bewertung durch eine Fach-Jury würdig…). Für den grossartigen Bugatti (siehe Titelbild) reicht es gerade einmal zu einem kleinen Topf, dies am Samstag: «best preserved pre-war car». Danke für das Blümchen. Nicht einmal das erhielt der Ferrari 335S (unten), nichts, gar nichts. Vielleicht, weil er 2018 schon einmal abräumen konnte?
Am Sonntag geht es dann ans Eingemachte, die halb-professionelle Jury, erkennbar an ihren Strohhüten, macht ihr Verdikt publik. Dass in der Klasse der Mercedes ein Mercedes und in jener der BMW ein BMW gewinnt, das erstaunt nicht weiter; dass es bei den Bayern aber der 3.0 CSL ist, der abräumt, das hingegen schon. Lag es an den gelben Hosen des Besitzers des gelben BMW?
Auch nicht genau erkennen konnten wir den Grund für den Sieger in der Klasse «Pioneers that chased the magic 300 kp/h», einen Porsche 959. Gut, er war rot. Der Chrysler, der bei den früheren Sonder-Karosserien obenaus schwang, war sicher nicht das schönste Fahrzeug in seiner Klasse, der Porsche 356 B Carrera Abarth GTL, der den Pot bei den Rennwagen kassierte, immerhin ziemlich selten. Das darf man auch bei Ferrari 365 P Berlinetta Special Tre Posti so schreiben, denn es gibt nur zwei. Wohl deshalb durfte er seine Kategorie gewinnen.
Denn genau das war wohl das Problem des Ferrari 250 GT Zagato: Davon gibt es fünf Exemplare. Wohl deshalb reichte es nicht zum grossen Pot, obwohl das blaue Fahrzeug sich in einem wunderbaren Zustand präsentierte - und überhaupt eines der schönsten Stücke der diesjährigen Austragung war. Auch der Besitzer wäre sicher der richtige gewesen, David Sydorick. Ja, das ist auch wichtig bei solchen Veranstaltung, vielleicht sogar fast noch wichtiger als das Fahrzeug und dessen Zustand und dessen Geschichte. Aber da begeben wir uns jetzt auf dünnes Eis.
Und so kommen wir noch zum «Best of Show», dem wichtigsten Preis überhaupt. Es gewinnt ihn ein Bugatti 57S von 1937. Klar, ein historisch sehr interessanter, auch schöner Wagen, gerade mit seinem Vanvooren-Aufbau. Davon gab es nur vier Exemplare (von den 57S insgesamt wohl 42). Es haben schon andere Bugatti 57S in Villa d’Este gewonnen (andere auch nicht), dieser Vanvooren ist davon der wohl am wenigsten spektakuläre. Aber er hat mit Andrew Pisker halt sicher den richtigen Besitzer. Welchen Bugatti wir gewählt hätten, das dürfte klar sein.
Text: Peter Ruch - Photos: BMW