

Vom «blinden» Genie zum autonomen Pilot
Der Tempomat wurde von einem Mann erfunden, der nie sah, wohin er fuhr. Heute ist er ein Hightech-Assistent mit Radar, Kamera und Stauassistent und hat eine erstaunliche Karriere hinter sich.
Der Tempomat gehört für mich zu diesen kleinen Komforttasten am Lenkrad, die aus langen Fahrten eine Art Entspannungsübung machen. Seine Existenz verdankt er einem Mann, der selbst nie sehen konnte, wohin er eigentlich fuhr. Über Ralph Teetor sind drei Dinge bekannt: Er war US-Ingenieur, seit seinem fünften Lebensjahr blind – und maximal genervt vom unruhigen Gasfuss seiner Fahrer. Mal gaben sie Gas, wenn sie sprachen, mal bremsten sie, wenn sie zuhörten. Teetor trieb das zur Weissglut – und er suchte nach einer Lösung. 1945 meldete er den «Speedostat» zum Patent an: ein mechanisch-pneumatisches System, das die Geschwindigkeit konstant hielt und bei Überschreitung sanft das Gaspedal zurückdrückte.
Durchsetzender Erfolg
In den 50ern griff Chrysler die Idee auf und bot im Imperial den «Auto-Pilot» an. Cadillac verpasste ihm 1960 den griffigen Namen «Cruise Control» (ja, den hatte auch schon K.I.T.T., das Auto von Michael Knight…). Mercedes zog in Europa Anfang der 60er nach – damals noch als teures Extra für die Oberklasse. Die Ölkrise 1973 machte den Tempomat plötzlich zum Liebling der Spritsparer: Gleichmässiges Tempo bedeutete weniger Verbrauch – und weniger Stress beim Einhalten der damals neu eingeführten Tempolimits.
Mit den 80ern kam die Elektronik. Weg von Seilzügen und Vakuumdosen, hin zu Steuerchips und Motorsteuergeräten. Der Tempomat wurde präziser und konnte sogar bergab eingreifen.
Dynamisch statt stur
Doch er konnte auch ein ziemlich sturer Bock sein: Er hielt Tempo – egal, ob ein LKW voraus auftauchte oder nicht. Das änderte sich Mitte der 90er, als Mitsubishi mit Lasersensoren erstmals auf den Vordermann achtete. 1999 brachte Mercedes in der S-Klasse den radarbasierten «Distronic» – nun konnte der Wagen Gas wegnehmen, bremsen und automatisch wieder beschleunigen. In den ersten Generationen geschah das mehr oder weniger sanft, aber der Fortschritt war klar erkennbar.
Heute ist der Tempomat längst kein Luxusfeature mehr. Vom Kleinwagen bis zum E-SUV regelt er den Abstand, stoppt im Stau, fährt selbsttätig wieder an. Kameras lesen (mehr oder weniger erfolgreich) Tempolimits, Karten- und Navigationsdaten passen die Geschwindigkeit an Kurven oder Ausfahrten an. Und irgendwie steht er damit kurz davor, seinen Erfinder zu übertreffen: Ralph Teetor wollte nur gleichmässiger fahren – wir sind längst auf dem Weg zu Autos, die für kurze Zeit auf einfachen Streckenabschnitten ganz ohne ihren Piloten auskommen.
Text: GAT
Bilder: Mercedes, Bosch, VW