VW Golf IV R32 - Mitten ins HeRRRRz
Fernab des GTI reifte der VW Golf 4 R32 zur eigenen Legende. Dank zukunftsweisender Technik, Allradantrieb und dem wohl schönsten Sound, der die Produktionshallen in Wolfsburg je verlassen hat. Ach, wie wir diesen VR6 lieben.
Retrospektive. Was staunten wir damals, als VW entschied, den VR6 in den Golf III zu packen. Ein potenter Sechszylinder in einem Hatchback? Ziehen die VW-Entwickler jetzt Falschluft? Der allmächtige GTI ist plötzlich nur noch zweite Wahl, wenn es darum ging, einen schnellen Golf zu fahren? Ja nun, bei Volkswagen konnte man mindestens zwei dieser Fragen mit einem energischen «Ja!» beantworten. Die Frage nach dem angeschlagenen Geisteszustand hätte man aber mit einem «Nö!» quittiert. Die wussten schon sehr genau, was sie da tun.
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Volkswagen war zielstrebig auf dem Weg, den heissesten aller Hot Hatches zu bauen. Allerdings mussten sich die R-Anwärter punkto Auslieferung noch bis zum Anfang der 2000er-Jahre gedulden. Dann kam der Golf 4 – natürlich erst einmal als eher zahmer GTI mit Vierzylinder-Turbo und asthmatisch anmutenden 150 PS. Für die Community war er eine Enttäuschung. So mancher hatte recht, wenn er sagte, dass sein «alter» Golf III VR6 mehr Charakter habe als der neue GTI. Aber die Mitbewerber hatten das Spiel von Volkswagen längst durchschaut und ihre Hausaufgaben gemacht.
Bildergalerie
Wir schreiben das Jahr 2002. So ziemlich jeder etablierte Hersteller hatte mindestens ein Modell der Golf-Klasse im Sortiment, das flotter um die Ecken ballerte als das Kassengestell mit Optiksportpaket. Weniger als 200 PS reichten da gefühlt nirgendwo mehr hin. Hersteller wie Alfa Romeo brachen mit dem 147 GTA gar die 250-PS-Schallmauer, Ford liess den ersten Focus RS mit 215 PS los und sogar Renault lancierte mit dem verrückten Clio Sport V6, ein Mittelmotor-Sportgerät mit ebenfalls über 250 PS.
Alle diese Autos hatten etwas gemein: Einerseits die für diese Fahrzeugklasse noch ungewöhnlichen Leistungsdaten, andererseits aber nur jeweils eine angetriebene Achse. Und vor allem bei dem Alfa war das fatal, hatte dieser Berserker ja noch nicht mal eine Sperre an der Vorderachse. Klingt verrückt? Oh ja, der GTA war der König unter den Verrückten mit veritablem Reifenhunger.
Betriebsinterne Tuningabteilung
Als Volkswagen den R32 lancierte, fiel sicherlich mal die stramme und vor allem heute noch zeitlose Optik auf. Grosse Vielspeichenräder, breite Radkästen und eine zweiflutige Auspuffanlage waren eine ziemliche Ansage – auch an die Tuningindustrie. Man hätte wohl kaum vermutet, dass dieses Auto der Vorreiter für so manche, heute absolut etablierte technische Innovationen werden wird. Beispielsweise das erste Doppelkupplungsgetriebe in einem Serienauto, das heute schon fast Standard ist. Allrad? Ohne geht es heute irgendwie nicht mehr.
Und dann dieser Sound!
Oder eben die Auspuffanlage mit aktiver Klappensteuerung, die ab 70 km/h den Endschalldämpfer auf Durchzug stellt. Und damit eines der authentischsten Klangbilder in der Welt der Sechszylinder von sich gibt. Rrrrrrr32! Heute kommt kaum ein sportlich ambitioniertes Auto ohne so etwas aus, aber kaum eines kommt an die Klangcharakteristik eines R32 heran.
Ach, da fällt mir ein, kann es sein, dass da mal so ein kleiner Unterdruckschlauch an einer ganz bestimmten Unterdruckdose gerne mal lose war? Damit konnte der R32 die Steuerung des Auspuffklimas nicht mehr selbst vornehmen. Ab dem ersten km/h war dann Lärm in der Hütte. Ein Problem, das heute noch vielfach vorkommen soll.
Technische Daten
Volkswagen Golf IV R32 (2002) / Motor: VR6-Saug-Benziner / Leistung: 177 kW/240 PS / Drehmoment: 320 Nm / Getriebe: 5-Gang-Doppelkupplung / Antrieb: Allrad / Verbrauch (Werk): 11,5 l/100 km / Beschleunigung 0–100 km/h: 6,4 s / Höchstgeschwindigkeit: 247 km/h / Abmessungen L/B/H: 4150/1740/1440 mm / Leergewicht: 1452 kg / Zuladung: 529 kg / Ladevolumen: 242–1099 l / Gebrauchtpreise: ab ca. 17'000 bis 30'000 Franken
Text und Fotos: Markus Kunz