

Aston Martin DB2/4 – Understated fast
Ein britischer Sportwagen mit Stil, Verstand und Geschichte: Der Aston Martin DB2/4 fuhr nie im Rampenlicht – und wurde gerade deshalb zur Legende für Kenner. Eine Entdeckung auf vier Rädern.
Bevor James Bond seine Martini schütteln liess und im DB5 durch Filmgeschichte jagte, war da ein anderer Aston Martin – leiser, aber nicht weniger bemerkenswert. Der DB2/4 hatte alles, was es brauchte, um Legende zu werden – nur noch keinen Mythos. Es war der erste Aston Martin mit Platz für vier, einer Heckklappe und einer sehr britischen Haltung: understated but fast. Geboren 1953, gebaut bis 1955, insgesamt 565 Exemplare vom Mark I. Davon rund 400 als schnittiges Coupé, das sich mehr an Tweed als an Smoking orientierte. Von den Cabriolet-Ausführungen schaffte eines dann doch den Sprung nach Hollywood: In Alfred Hitchcocks Filmklassiker Die Vögel kurvt Tippi Hedren in einem DB2/4 durchs Bild.

Unter der handgedengelten Aluminiumhaut aus dem Hause Mulliner arbeitete zunächst der von W. O. Bentley konstruierte VB6E-Reihensechszylinder mit 2,6 Litern Hubraum und 125?PS. Später folgte der stärkere VB6/J-Motor mit 2,9 Litern und 140?PS. Doch neben vier Gängen und einer fehlenden Servolenkung hatte der DB2/4 vor allem eines: reichlich Charakter. Speichenräder, Smiths-Instrumente, Connolly-Leder – eine Prise Upper Class, so trocken wie der Humor der Inselbewohner. Dem DB2/4 Mark I folgten weitere Generationen: Ab 1955 kam der Mark II mit leicht überarbeitetem Design und Panoramascheiben. 1957 folgte der DB2/4 Mark III – der letzte seiner Art, bevor Aston Martin mit dem DB4 endgültig in den automobilen Olymp aufstieg. Wer die fehlende Zahl zwischen DB2 und DB4 sucht: Parallel entstand der DB3, allerdings als reinrassiger Rennwagen.

Driver’s Car

Der DB2/4 aber blieb das kultivierte Bindeglied – zwischen Garage und Gentlemen’s Club. Ein Gentleman-Gleiter. Eine rollende Bibliothek. Ein Fahrzeug für jene, die lieber auf Landstrassen nachdenken als auf Boulevards posieren. Mit einer Dachlinie tief und flach sowie einem Interieur, das mehr Clubzimmer als Cockpit suggeriert. Sein Erfolg lag in seiner Vielseitigkeit und einer gesunden Balance: familientauglich, aber nicht bieder. Sportlich, aber nicht protzig. Und mit einer seitlich öffnenden Heckklappe sogar noch irgendwie praktisch. Es war ein Sportwagen für Intellektuelle, Poeten, Architekten – mit gesundem Selbstbewusstsein und noch besserem Geschmack.

Wer ihn fährt, wird sich auf den besonderen Charakter einlassen müssen. Was dieser Aston Martin DB2/4 akustisch und fahrdynamisch liefert, übersteigt jede Erwartung an ein fast 70-jähriges Automobil. Der Motor tritt mit verblüffender Vehemenz an, das manuelle Getriebe schaltet knackig und präzise. Die Bremsen – Servo-Unterstützung gibt’s woanders – verlangen Gefühl, vermitteln aber ehrliche Rückmeldung. Die Lenkung ist nichts für nebenbei oder eine Hand – sie fordert, belohnt aber mit einem intensiven Fahrgefühl.

Die Wiederbelebung

Und dann gibt es da dieses eine Exemplar, das selbst unter diesen Exzentrikern hervorsticht: das mit der Chassisnummer LML/649. Erstzulassung: 2. Juni 1954. Farbe: Sea Green. Besitzer: ein gewisser Mr. Grahame S. Bourne. Der Mann behielt das Auto sage und schreibe 54 Jahre lang – wahrscheinlich länger als seine erste Ehe. Länger als wohl die meisten Ehen. Über 170.000 Kilometer fuhr er ihn, bevor das Fahrzeug in den Ruhestand ging. 2015 dann der Auftritt bei Bonhams in London. Eine Zeitkapsel auf vier Rädern. Der Zustand? Nennen wir es mal „authentisch“. Das Leder? Ermüdet. Die Technik? Sie hatte ihren Frieden gefunden.

Doch dann kam Goodtimer aus St. Margrethen ins Spiel – und investierte über 200’000 Franken und vier Jahre in eine Restauration, die mehr Kur als Umbau war. Heute präsentiert sich LML/649 wie ein frisch gebügelter Savile-Row-Anzug. Der Lack nun in perfektem Glanz, das Connolly-Leder in originalgetreuem Tan, die Technik von Motor, Getriebe und Fahrwerk komplett überholt. Auch die Speichenräder wurden neu verchromt und standesgemäss bereift. Die Kirsche auf der Torte: ein Concours-d’Elégance-Pokal aus Zürich und zwei Rallye-Erfolge in der Schweiz, ein 3. und ein 7. Platz sprechen für sich. Dieser frühe DB2/4 ist ein fahraktiver Klassiker mit Motorsport-Vita.

Der DB2/4 war immer die leise, aber gewichtige Stimme – und LML/649 eine ihrer schönsten Interpretationen. Kein Gadget, kein Knopf für Nebelwerfer. Dafür ein Fahrzeug mit Geschichte, Haltung und britischer Souveränität. Wer ihn haben will, kann sich bei goodtimer.ch melden.

Bilder: Christian Lienhard (lienhardbildwerke.ch)


