Robin Road

Ausweisentzug: Berufliche Angewiesenheit

Leo ist Berufschauffeur und hat es schon schwer genug, keine Bussen einzufahren. Überall lauern strassenverkehrsrechtliche Fallen, in die er treten oder besser fahren könnte. Innerorts in einer 30-er-Zone passierte es.

Veröffentlicht am 18.03.2023

Oft hört man, dass Berufschauffeure beruflich auf den Führerausweis angewiesen sind und deshalb geschont würden, wenn es um den Ausweisentzug geht. Das stimmt nur teilweise. Aufgrund der beruflichen Angewiesenheit kann die Entzugsdauer zwar reduziert werden, aber unter das gesetzliche Minimum geht es nicht. Konkret: Leo fuhr innerorts mit netto 24 km/h zu schnell. Ab 21 km/h zu schnell kommt es zwingendermassen zu einem Ausweisentzug von mindestens einem Monat.

Leo fuhr aber nochmals 3 km/h schneller und hatte vor einem Jahr eine Verwarnung. Deshalb erhöhte das Strassenverkehrsamt die Entzugsdauer auf drei Monate. Kündigt das Strassenverkehrsamt einen Ausweisentzug über dem gesetzlichen Minimum an, dann kommt die berufliche Angewiesenheit zum Zug. Im Beispiel der Geschwindigkeitsübertretung von Leo gibt das Gesetz eine Entzugsdauer von mindestens einem Monat vor. Leo wurden somit zwei Monate mehr als das Minimum angedroht. Das wollte er nicht hinnehmen, zu Recht!

Mögliche Reduktionsgründe

Eine Reduktion der Entzugsdauer ist nämlich in den folgenden Fällen möglich: Jemand, der beruflich auf das Fahren von Fahrzeugen angewiesen ist, erhält ein bis zwei Monate abgezogen. Als weitere Möglichkeit kommt ein Kursbesuch infrage. Es gibt spezifische Kurse für «Fahrauffällige». So bietet beispielweise die Beratungsstelle für Unfallverhütung Nachschulungskurse an. Es gibt aber auch private Anbieter. Wichtig dabei ist, dass diese vom Verband für Verkehrspsychologie (VfV) als Verkehrstherapeuten anerkannt und auf der offiziellen Liste der anerkannten Verkehrstherapeuten des VfV aufgeführt sind.

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Mit dem Besuch eines solchen Kurses wird die Entzugsdauer meist mindestens um einen Monat reduziert. Klären Sie aber unbedingt mit dem zuständigen Verkehrsamt ab, ob der Kurs anerkannt ist, und weisen Sie vor allem darauf hin, dass Sie einen solchen Kurs besuchen möchten. Das Strassenverkehrsamt muss darüber rechtzeitig informiert werden, auch über die berufliche Angewiesenheit. Und melden Sie sich umgehend an. Viele Kurse sind auf Monate ausgebucht

Reduktion mit Biturbo

Zurück zu Leo und der beruflichen Angewiesenheit: Leo ging zu seinem Chef, da das Strassenverkehrsamt eine Bestätigung des Arbeitgebers verlangt. Darin muss glaubhaft gemacht werden, dass man beruflich auf das Führen eines Fahrzeugs angewiesen ist – beispielsweise im Aussendienstbereich oder bei Transportberufen wie Chauffeusen und Chauffeuren. In der Regel genügt es, wenn der Vorgesetzte oder der Zeichnungsberechtigte des Arbeitgebers die Funktion, die jährliche Kilometerleistung und in wenigen Sätzen den Grund angibt, weshalb die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer im Vergleich zu einem anderen Lenker deutlich härter durch den Ausweisentzug getroffen würde.

Selbstständige können für sich selbst unterzeichnen. Es hilft aber, wenn ein Handelsregisterauszug und der Hinweis auf die Homepage des Unternehmens beigelegt werden und die Begründung stichhaltig ist. Beide Reduktionsgründe (berufliche Angewiesenheit und Kursbesuch) können übrigens «kombiniert» werden, sodass beides je zu einer Reduktion führt, sozusagen ein Biturbo.

Glück im Unglück

Vorliegend hatte Leo doppeltes Glück im Unglück. Einerseits konnte er den Ausweisentzug auf einen Monat reduzieren. Sein Chef teilte ihm für zwei Wochen andere Arbeit zu und die beiden anderen Wochen nahm Leo Ferien. Andererseits hätte er bei netto 25 km/h zu schnell den Ausweis zwingend und mindestens für drei Monate abgeben müssen. Die berufliche Angewiesenheit hätte ihm nichts genutzt. Wie denn das? Ab 25 km/h innerorts zu schnell handelt es sich um einen gesetzlich schwerwiegenderen Fall (sogenannte schwere Widerhandlung) mit einem höheren Minimum (drei Monate Entzugsdauer).

Deshalb: Merken Sie sich beim Ausweisentzug drei Kennzahlen: Innerorts 15, ausserorts 20 und auf der Autobahn 25 km/h zu schnell. Unter diesen Grenzen erfolgt kein Ausweisentzug. Darüber wird es schnell kompliziert – und teuer sowieso. Und: Ab April 2023 gibt es zusätzliche Erleichterungen bei beruflicher Angewiesenheit: Unter bestimmten Umständen gilt der Ausweisentzug nur für Privatfahrten und nicht für Berufsfahrten.

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Text: Dr. Rainer Riek alias Robin Road
Bild: ai-Archiv

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