Blitzerfoto und falsches Kennzeichen
Eine Busse für ein paar Stundenkilometer zu schnell auf der deutschen Autobahn. Das alltägliche Ereignis entwickelte sich zu einem ungewöhnlichen Fall von bürokratischem Hin und Her.
Tinu vermietet Autos. Oldtimer für Liebhaber der motorisierten Kultur. Seine Geschichte beginnt mit einem Blitzerfoto in Deutschland und endet in einem Polizeibericht mit einem scheinbar banalen Ereignis. Ein Kunde mietete bei Tinu einen Audi Quattro – passend für die deutschen Autobahnen. Der Mieter brachte den Quattro über beide Ohren strahlend zurück, da es vom Frontspoiler bis zur Heckschürze ein rundum gelungener Ausflug war. Dass der Quattro-Liebhaber aber auch geblitzt wurde, darüber verlor er keine Wort, als er den Audi zurückbrachte.
Kein klarer Fall
Umso mehr war Tinu erstaunt, als eine Busse ins Haus flatterte. Der Quattro sei mit 132 km/h geblitzt worden – 12 km/h über dem erlaubten Limit. Ein klarer Fall, könnte man meinen und Tinu wollte die Busse schon bezahlen. Als er das Nummernschild auf dem Blitzerfoto jedoch genauer anschaute, offenbarte sich eine Überraschung: Die zweite Stelle des Kennzeichens war nicht klar zu erkennen, was zu einer folgenschweren Verwechslung führte.
Tinu stellte fest, dass das auf den Unterlagen der deutschen Polizei angegebene Kennzeichen zwar mit einem Kennzeichen eines seiner Autos übereinstimmte, dieses wurde jedoch am fraglichen Tag gar nicht vermietet. Noch kurioser: Das auf dem Beweisfoto abgebildete Fahrzeug passte überhaupt nicht zu einem seiner Mietautos. Anstatt das Missverständnis einfach hinzunehmen, drehte Tinu den Spiess um und reklamierte bei den deutschen «Kollegen». Mehr als Retourkutsche denn als ernst gemeinte Forderung schickte er gleich noch eine Rechnung über 40 Franken für seinen Aufwand nach Deutschland. Dazu legte er die Belege des Vermietungskalenders und der Fahrzeugliste dem Schreiben bei.
Gutschrift von der Polizei
Was nun passierte, überraschte nicht nur Tinu, sondern auch Robin Road. Die Reaktion der Polizei liess nicht lange auf sich warten. Kurz darauf überwies die Polizei 25 Euro an Tinu. Zwar nicht die geforderten 40 Franken, aber immerhin ein Zeichen des Entgegenkommens. Grundlage für die Zahlung war § 22 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG). Dieser Paragraf gewährt Dritten im Fall von Verdienstausfällen eine Entschädigung. Da Tinu jedoch nicht nachweisen konnte, dass sein Aufwand über eine Stunde hinausging, wurde seine Forderung gekürzt.
Schliesslich nahm Tinu die 25 Euro dankend an. Der Fall zeigt, wie aus einem einfachen Verkehrsregelverstoss ein bürokratisches Katz-und-Maus-Spiel werden kann. Kleine Details wie die genaue Lesbarkeit eines Kennzeichens können grosse Auswirkungen haben. Und offenbar ist das deutsche Recht gnädiger als die Schweizer Gesetze. Eine Entschädigung wäre im vorliegenden Fall in der Schweiz mit Sicherheit nicht gutgeschrieben worden. Drum prüfe, wer geblitzt wird. Robin Road wünscht allseits gute Fahrt!
Robin Road hilft
Dr. Rainer Riek – alias Robin Road – schreibt in jeder ai-Ausgabe und auf unserer Website über strassenverkehrsrechtliche Themen sowie rund ums Auto im Recht. Er ist Rechtsanwalt und Notar bei www.zp-law.ch und unter anderem spezialisiert auf Strassenverkehrsrecht. Zudem postet er seine Autoquartette auf dem Autoblog von www.driving.legal. Wichtiger Hinweis: Es handelt sich hier meist um reale Fälle mit geänderten Namen. Jeder Fall ist verschieden und muss einzeln betrachtet werden. Daher erfolgen sämtliche Empfehlungen und Angaben ohne Gewähr.
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