Test

Dacia Spring - Dach über dem Kopf

Nach einem langen Arbeitstag will man nur noch daheim ankommen. Das ist manchmal einfacher gesagt als getan, besonders in einem Dacia Spring Electric und bei einem weiten Nachhauseweg.

Veröffentlicht am 08.04.2025

Regen. Strömender Regen. Die Laune gleicht dem Wetter. Nach einem kurzen Sprint zum soeben im Testfuhrpark eingetroffenen Fahrzeug ein Zug am Türgriff – nichts passiert. Gut, hätte man sich ja auch denken können, dass ein in China gefertigter Rumäne einen schlüssellosen Zugang nicht im Repertoire hat. Klassisch per Knopfdruck am Zündschlüssel, vom Regen zwischenzeitlich fast schon aufgeweicht, wird endlich Einlass gewährt. Einsteigen, Tür zu. Willkommen im Dacia Spring Electric.

Der Dacia Spring Electric ist ein in China von Dongfeng gebautes E-Auto der rumänischen Marke Dacia. 2021 lanciert aus purem Pragmatismus und jetzt für das aktuelle Modelljahr aufgefrischt, aber vor allem preislich heruntergesetzt. Schon ab 15 000 Franken geht es los. Wir wollen aber nicht Erbsen zählen und die Optionen auflisten, die er für dieses Geld nicht besitzt. Bei diesem Grundpreis kann niemand ernsthaft ein voll ausgestattetes Fahrzeug erwarten, vor allem kein elektrisches. Konzentrieren wir uns deshalb lieber darauf, was der Spring effektiv zu bieten hat, und starten unseren Alltagstest – eben bei strömendem Regen. 

Einfach, wirklich einfach

Das Regenwasser tropft von den Haaren auf das Hartplastik des Innenraums. Dieses wurde auf jeden Fall anständig zusammengefügt und macht nicht den Anschein, dass es bei der nächsten Bodenwelle abfällt. Allgemein punktet das Interieur mit viel Schlichtheit. Das kleine Zehn-Zoll-Infotainment-System, das exklusiv mit der ab 17 700 Franken immer noch preisgünstigen Topausstattungslinie «Extreme» geliefert wird, präsentiert sich ebenfalls sehr schlicht: im Aufbau und in der Menüführung. An die pixelige Ansicht gewöhnt man sich aber schnell, und der Verbindungsaufbau mit dem Smartphone funktioniert tadellos und unkompliziert.

Seien wir ehrlich: Diese Art der Smartphone-Integration macht die Programme der Hersteller nahezu überflüssig, sogar das hier inkludierte Navigationssystem. Mit dem Telefon klappt die Navigation mindestens so gut. Benötigt wird das GPS jetzt sowieso nicht, denn der Weg zwischen Büro und Wohnort ist bekannt. «Komme bald heim», transkribiert die Smartphone-Sprachassistentin die Warnung und schickt sie als SMS nach Hause. Die Arbeit will man fürs Erste hinter sich lassen und läutet den Feierabend mit lauter Musik ein. Aber nur kurz. Denn wenn man im Dacia Spring Electric laute Musik hören möchte, bekommt man statt Rage Against The Machine nur unverständliches Gekrächze aus den Lautsprechern. Also doch lieber etwas leiser stellen. Die Reichweitenanzeige sagt 205 Kilometer, die Navigation 90 Kilometer – dann erst mal eine heisse Dusche. 

Rasen lohnt sich eben nie

Die Dusche, eine kalte, kommt aber heute schon nach 65 Kilometern. «Muss noch kurz laden», erfolgt abermals als Diktat an die Sprachassistentin. Denn der Energieinhalt der netto 25 kWh kleinen Batterie ist fast vollständig verbraucht und die Restreichweite nahe null. Reisegeschwindigkeiten über 100 km/h sind für den kleinen Hüpfer einfach denkbar schlecht. Da hilft ihm auch nicht, dass er als «Extreme» mit 48 kW/65 PS enorme 15 kW/20 PS mehr leistet als die Basisversion. 

So wartet man eben im Fahrzeug, bis es sich wieder genügend Strom gezogen hat. Bei einer optionalen maximalen Ladeleistung von 30 kW am Schnelllader – kostet 600 Franken Aufpreis – sollte man sich jedoch in Geduld üben. Trotzdem gibt es hier Glück im Unglück, denn ohne diese Option beträgt das höchste der Gefühle 3,7 kW, öffentlich wie an der heimischen Wallbox. «Schatz, das dauert hier noch etwas länger», nimmt die Sprachassistentin auf. Im Auto wird es kalt. Leider auch schon kalt: die Pasta auf dem heimischen Esstisch bei der Ankunft.

Typischer Städter

Neues Spiel, neues Glück am nächsten Tag. Eine Einkaufsfahrt in die Stadt steht an. Hier ist der Dacia Spring Electric völlig in seinem Revier. Mit seinen kompakten Abmessungen, dem kleinen Wendekreis (9,6 Meter), den Parkpiepsern (hinten immer Serie, vorne für 300 Franken optional) und dem grossen Lenkwinkel ist ihm keine Parklücke zu eng. Doch in Anbetracht seiner kleinen äusseren Hülle sind die inneren Werte beachtlich, zumindest ganz vorne und ganz hinten. Das Kofferraumvolumen von rund 300 Litern lässt sich mit dem Umklappen der Rückbank auf das Dreifache erweitern, was den Transport eines Weihnachtsbaums problemlos ermöglicht. Zumindest mit geöffnetem Kofferraumdeckel. 

Und wie steht’s um die Passagiere in Reihe zwei? Ihre Begeisterung hält sich in Grenzen, sogar wenn sie ganz klein sind. Zwar lassen sich die Kindersitze mittels Isofix befestigen, jedoch bleibt so kein Abstand zu den Vordersitzen übrig – dort gibt es dafür jetzt eine kostenlose Sitzmassage durch die Treter der Kleinen. Auch sie bemerken während der Fahrt, dass es im Auto zieht und dass sich der Innenraum des Fahrzeugs nur langsam erwärmt. Die morgendliche Eisbildung an den Scheibeninnenseiten verstärkt den Verdacht, dass das Fahrzeug nicht ganz dicht ist.


Sicher, weil langsam

Entgegen dem Reichweitendebakel auf der Autobahn muss der Dacia Spring Electric in der Stadt eher selten ans Netz. Dazu tragen in erster Linie die niedrigen Geschwindigkeiten bei. Mit seinem 48 kW/65 PS starken Antrieb ist er immer noch kein Sprinter, aber man hat zumindest das Gefühl, Teil des Verkehrs zu sein und nicht bloss ein bewegliches Verkehrshindernis. Zumindest in der Stadt und auf der Landstrasse.

Sicherheitstechnisch bestehen trotz Airbags, ABS und ESP gewisse Bedenken. Doch wenn man so langsam fährt wie im Dacia Spring Electric, hat man immerhin ausreichend Zeit, einen Unfall zu vermeiden. Und so bleibt auch der Testverbrauch selbst bei frostigen Temperaturen bei sehr effizienten 15,9 kWh/100 km hängen und landet – bei sparsamer Fahrweise – sogar noch zwei kWh darunter. 

 

 

Text: GAT
Bilder: Toni Bader

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