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Familienfehde
Gleiche Marke und Karosserieform, aber grundlegend verschiedene Antriebskonzepte. Die VW-Modelle Passat Variant und ID.7 Tourer sind auf dem Papier Brüder, im echten Autoleben aber Konkurrenten. Fragt sich nur, welchen der beiden man lieber in die eigene Familie aufnimmt?
Es ist vor allem der Passat, der diesen Vergleich zweier Markenbrüder zu einem regelrechten Kampf der Konzepte macht. Bei unserem Testwagen handelt es sich um einen 2.0 TDI, also einen Diesel, dem verpöntesten Verbrenner überhaupt. Bescheidene 110 kW/150 PS schickt der Selbstzünder an die Vorderräder. Sein Gegenüber, der heckangetriebene ID.7 Pro, leistet mit 210 kW/286 PS fast doppelt so viel. Das maximale Drehmoment des Stromers liegt mit 545 Nm ebenfalls deutlich höher als jenes im Diesel-Passat, der 360 Nm zwischen 1600 bis 2750/min abliefert. Serienmässig verwaltet von einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, das zwar zügig schaltet, aus dem Passat 2.0 TDI aber auch keine Rakete mehr macht.
Vor allem nicht im Vergleich zum ID.7 Pro. Es ist müssig, gross über die Performancefähigkeiten dieser beiden Kombis zu debattieren. Der Passat ist in jeder Hinsicht chancenlos. Er braucht fast drei Sekunden länger für den Paradesprint von 0 auf 100 km/h – 9,3 statt 6,6 Sekunden – und sucht beim Kickdown noch nach dem richtigen Gang, wenn der ID.7 schon in der nächsten Ortschaft angekommen ist. Nur bei der Höchstgeschwindigkeit kann der Diesel punkten. Er schafft mit genügend Anlauf 223 statt wie der ID.7 bloss 180 abgeregelte Stundenkilometer. Trotzdem: Die Stromer-Überlegenheit bei den Fahrleistungen ist enorm. Auch im Vergleich mit dem ebenfalls erhältlichen Allrad-TDI, der 142 kW/193 PS leistet. Wer wirklich Wert auf Performance legt und unbedingt Verbrenner fahren will, muss zum 2.0 TSI 4Motion greifen. Der leistet 195 kW/265 PS und katapultiert den Kombi binnen 5,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Aber Aha-Erlebnisse wie in unserem Diesel hier bietet der bestimmt nicht.
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Vergessene Reichweite
Stellen Sie sich vor, Sie steigen nach dem Volltanken in ein Auto ein, und in der Autonomieanzeige stehen 1300 Kilometer. Für Sie ist das vielleicht keine Ausnahmeerscheinung, wenn Sie selbst noch Diesel fahren. Für uns ist es mittlerweile eine, denn bei all den Autos, die aktuell so durch unseren Testfuhrpark eilen, stehen derartige Zahlen sehr selten im Display. Dazu kommt: Die Angaben entpuppten sich im Alltag als absolut realitätskonform. Mit einem Testverbrauch von 5,2 Litern auf 100 Kilometer ergibt sich bei 66 Litern Tankinhalt eine Reichweite von 1270 Kilometern. Nicht theoretisch, sondern praktisch. Da kann der ID.7 nicht mal ansatzweise mithalten.
Nach WLTP soll der ID.7 Pro mit seiner netto 77 kWh fassenden Batterie im Optimalfall knapp über 600 Kilometer schaffen. Bei enorm zurückhaltender Fahrweise mag das drinliegen, auf der ai-Runde für Elektrofahrzeuge sprengte der Elektrokombi mit 15,5 kWh auf 100 Kilometer die 500-Kilometer-Marke problemlos. Im winterlichen Alltag reden wir bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 20.5 kWh auf 100 Kilometer aber eher von knapp 400 Kilometern. Das klingt für Dieselfans wie ein Witz, ist aber in der Stromergilde durchaus respektabel. Andere werden im Winter zu regelrechten Stromfressern, der ID.7 Pro blieb – sicher auch dank seiner optionalen Wärmepumpe (1060 Franken) – noch im erträglichen Rahmen. Was man dem E-VW ebenfalls zugutehalten muss: Die Restreichweitenanzeige neigt nicht zum Flunkern. Das heisst, wenn da x Kilometer stehen, dann schafft man diese x Kilometer auch. Zudem lädt er mit bis zu 175 kW einigermassen fix.
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Innen gar nicht so verschieden
Die Unterschiede beim Antrieb bleiben die grössten. Geht es aber ums Eingemachte, also die Kombiqualitäten der beiden, erfolgt eine beinahe brüderliche Annäherung. Beim Platzangebot differenzieren sich der 4,91 Meter lange Passat und der rund vier Zentimeter längere ID.7 Tourer nicht spürbar. Was der Passat an minimalem Plus an Kopfraum bietet, büsst er bei der Innenraumbreite wieder ein. Vom Raumgefühl her werden lange Reisen weder beim einen noch beim anderen zur Qual. Der nur noch als Kombi erhältliche Passat kann für die Tour aber mehr einladen als die Kombiversion des auch als Limousine verfügbaren ID.7. Vollbesetzt nur ein bisschen – 690 gegenüber 605 Liter Kofferraumvolumen –, bei umgelegten Rücksitzen jedoch mit 1920 versus 1714 Liter deutlich mehr. Auch bei der Zuladung hat der Verbrenner die Nase vorn: Zusätzlich zum mit 75 Kilogramm bemessenen Fahrer können 588 Kilogramm an Bord, beim Stromer lediglich 455 Kilogramm. Noch frappanter ist der Unterschied bei der Anhängelast: Der ID.7 darf gebremst eine Tonne an den Haken nehmen, der Passat doppelt so viel.
Aber zurück zum Interieur, wo es dann eben doch auch noch ein paar Unterschiede gibt – etwa aus Sicht des Fahrers. Während der Passat hier den zwar modernen, aber doch ziemlich vertrauten Kombi mimt, erlaubt sich der ID.7, wie man es von VWs ID-Modellen kennt, zahlreiche Sperenzchen. Anstelle eines umfangreichen digitalen Instrumentendisplays hat der ID.7 lediglich ein kleines Mäusekino hinter dem Lenkrad. Das reicht in Verbindung mit dem serienmässigen Head-up-Display ja auch tipptopp, sieht aber einfach mickrig aus. Und dann wären da noch diese berührungsempfindlichen Felder auf dem Lenkrad. Sie sind im Vergleich mit den guten alten echten Tasten, wie sie der Passat tragen darf, schlicht und ergreifend unpraktisch. Zwar nicht gerade unbedienbar, aber auf jeden Fall schlechter. Das Gleiche gilt für die Doppelbelegung der Schalter für die vorderen und hinteren elektrischen Fensterheber.
Fast identisch präsentieren sich Passat und ID.7 dann in der Mitte des Armaturenbretts. Hier thront jeweils ein 15 Zoll grosses Infotainmentdisplay, wie man es aus zahlreichen anderen Modellen des VW-Konzerns kennt. Das Bedienkonzept ist gleich – je nach bemühter Funktion gleich gut oder gleich schlecht. So gibt sich die Nutzerführung durchaus logisch, und die Grafik gefällt mit guter Auflösung. Verbesserungswürdig erscheint die Online-Sprachassistentin IDA, die trotz Anbindung an ChatGPT ihren Job nicht ganz so gut beherrscht wie die Helferlein in anderen Marken oder jenes von Google. Leichte Aufgaben wie das Einstellen der mündlich gewünschten Temperatur klappen aber problemlos. Zum Glück, denn die Slidertasten für die Klimafunktionen gehören zu den weniger gut gelösten Punkten. Ob ein so grosser Bildschirm am Schluss nicht mehr ablenkt als hilft, ist ein ganz anderes Thema. Bei Nacht lässt er sich natürlich deaktivieren, um den Augen etwas Ruhe zu gönnen.
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Zwei Komfortoasen
Immer entspannt bleiben sowohl im naturgemäss äusserst laufruhigen ID.7 wie auch im TDI-Passat, der mit dem optionalen Akustikpaket für 650 Franken ausgezeichnet gedämmt ist, die Ohren. Genau wie der ganze restliche Körper. Das Thema Komfort beherrschen beide sehr gut. Selbst der Test-Passat, der lediglich mit konventioneller Stahlfederung vorfuhr, findet einen guten Mix aus straff und soft. Eine adaptive Fahrwerksregelung kostet für ihn 1500 Franken Aufpreis, im ID.7 ist sie an ein Paket gebunden, das eigentlich mindestens 3930 Franken kostet, aktuell aber im hier getesteten Sondermodell United für 1270 Franken zu haben ist. Das Kreuzchen empfiehlt sich vor allem dann, wenn das Potenzial des Stromers regelmässig abgerufen werden soll, denn zum Paket gehört auch die Progressivlenkung. So durcheilt der mit tiefem Schwerpunkt gesegnete ID.7 trotz über 500 Kilogramm Mehrgewichts Kurven weit dynamischer als der Passat. Zumindest die im Vergleich sehr zahm motorisierte 150-PS-Dieselversion animiert aber ohnehin nicht zur Kurvenhatz.
Frappante Preisunterschiede
Der ungleiche Vergleich ist auf der Zielgeraden – also beim Kassensturz. Wer sich so einen Passat mit 150 Diesel-PS in die Garage stellen möchte, muss derzeit bei der getesteten Ausstattungsversion Elegance mindestens 56 000 Franken investieren, der ID.7 Pro Tourer startet bei 61 500 Franken, somit höher.
Und im Gegensatz zum Passat, wo für noch bescheidenere Zeitgenossen ein 122-PS-Selbstzünder ab 46 400 Franken im Angebot steht, gibt es den Elektrokombi laut Liste nicht günstiger. Das erscheint in diesem Duell beinahe als grösster Knackpunkt, obwohl der ID.7 über eine bessere Serienausstattung verfügt. Wer gewisse Features nicht will oder braucht und auf Performancepotenzial verzichten kann, bekommt mit dem Passat daher wortwörtlich mehr Freiheit – und das nicht nur in Sachen Autonomie.
Text: Simon Tottoli
Bilder: Toni Bader