GTI-Treffen Wörthersee - Abschiedstour
Im Wissen darum, dass das seit 1982 stattfindende, legendäre GTI-Treffen 2022 abgesagt wurde, entsandte die ai trotzdem eine Delegation nach Reifnitz am Wörthersee. Denn was einmal so gross war, sollte nicht einfach so verschwinden.
Die Mission war klar: Mitmachen ist alles. Das Ziel: das legendäre GTI-Treffen am Wörthersee. Guido Ruoss (57) und Gianni Cerri (59) stehen mit dem 76er-VW-Golf-GTI für die alte, Gilles Ruoss (20) und Lukas Hüppin (19) mit dem Golf 45 Clubsport für die junge Generation. Hin fuhren die Herren im besten Alter mit dem neuen Golf, die junge Garde mit dem betagten Einser Golf GTI. Vernünftig, denn somit war einerseits sichergestellt, dass der Konvoi den Weg nicht verfehlte, weil die beiden Herren die Strecke über den Arlberg- und den Brennerpass via Pustertal, Lienz und Villach an den Wörthersee blind kannten. Andererseits half es sicher, dass den Jungen auf den ausländischen Strassen nicht das Temperament mit dem starken Clubsportler durchbrannte.
Bussen statt Goodie-Bag
Doch kam es anders: Kurz vor dem Ziel bei Velden schnappte auf der Autobahn die mobile Radarfalle mit 130 km/h im 100er-Bereich zu. Dass ausgerechnet der erfahrenste Pilot die Geschwindigkeitsbeschränkung übersah, ärgerte die Alten. Und die Jungen amüsierten sich, obschon sie auch eine 50-Euro-Busse kassierten. Aber nicht genug: Am neuen Golf fehlte das CH-Schild, was zusätzliche 20 Euro kostete.
Dies sollte aber nur der Vorgeschmack auf das sein, was unsere Delegation antreffen sollte. Nächster unfreiwilliger Halt, Kontrolle am Bezirkspolizeiposten in Reifnitz: Führer- und Fahrzeugausweise, Lärmkontrolle, Fahrzeuginspektion und unnötige Diskussionen über Scheibentönungen am neuen Golf, Reifendimensionen, Felgenbeiblätter usw. beim Oldie. Selbst das Coming-out als «Presse» linderte die Akribie und die Umgangsweise der Beamten nicht. «Selten wurde ich von der Polizei so respektlos behandelt wie hier in Reifnitz», so Guido Ruoss. Unsere vier Protagonisten standen unter Generalverdacht acht Beamten gegenüber. Ein kleiner Schock zum Auftakt.
Kein Gummi
An den Hotspots, beim Casino in Velden, in der Turbo-Kurve, bei der legendären ENI-Tankstelle, auf dem Parkplatz bei Arneitz und im Ort Reifnitz kamen die Fans dennoch auf ihre Rechnung. Zu Hunderten hingen die Hoodie- und Käppchenträger mit ihren Girls am Strassenrand und machten «Carwatching». Auf Burn-outs, Fehlzündungen und Bollern warten sie vergeblich, denn das kostet, und zwar richtig. Oder das Auto bleibt gleich vor Ort stehen.
Das gesellige Beisammensein, um in Ruhe Autos anzuschauen, sich auszutauschen und zu fachsimpeln, das konnte aber niemand unterbinden, und wird vorderhand auch noch nicht polizeilich geahndet und gebüsst. «Gib mir Gummi» gibt es aber nicht mehr! Zumindest nicht am GTI-Treffen, das als solches schon länger gar keines mehr ist. BMW, Audi und alles andere getunte Fahrbare machen mehr als die Hälfte aus. Die Golf-Modelle der ersten Baureihe sind selten und finden nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie all das bunt frisierte Material neuerer Baujahre. Ebenso rar waren die letzten Baureihen. «Ausser uns haben wir gerade mal einen weiteren 45er-Clubsport gesehen», so Lukas und Gilles.
Repression total
Rund 5000 Autofans pilgerten an diesem Wochenende 2022 an die Hotspots rund um den Wörthersee. An den unorganisierten Treffen wie beispielsweise «Vor dem See» oder am «Reloaded» waren es jeweils etwa gleich viele. Nach dem Fall der Coronabeschränkungen rechnete die Polizei mit noch mehr Teilnehmern am offiziell abgesagten GTI-Treffen. Gefühlt jeden halben Kilometer erwartete die Teilnehmer eine Kontrolle. Jeweils ein Bus mit mindestens sechs Polizisten. Rigoros stockte die Polizei ihre Präsenz auf und das Landesverkehrsministerium erliess kurzerhand ein Gesetzespaket zur «Eindämmung von Auswüchsen von GTI- und Tuning-Exzessen» mit der Befugnis, zusätzlich zum geltenden Gesetz illegales Tuning mit sofortiger Stilllegung der Fahrzeuge und Bussen bis 10'000 Euro zu erlassen.
Die Durchsetzung der KFG-Novelle erwirkten mehr als 80 zusätzlich aufgebotene Polizisten und «Fahrzeugexperten» aus verschiedenen Bundesländern mittels flächendeckender Kontrollen, Überwachung der Hotspots mit Videokameras, Drohnen, gar ein Helikopter stand den Einsatzkräften zur Verfügung. Die tüchtigen Gesetzeshüter ahndeten 1200 Verkehrsdelikte, davon 707 Anzeigen für Geschwindigkeitsübertretungen, 560 Ordnungsbussen und 73 Stilllegungen von Fahrzeugen. Demgegenüber standen bei 1115 Alkoholkontrollen lämmchenhafte 14 Anzeigen für Fahren in alkoholisiertem Zustand, kein einziger schwerer Verkehrsunfall und keinerlei andere Delikte oder Körperverletzungen.
Anlass im Wandel
Die Entwicklung des Treffens der letzten Jahre spaltet nicht nur Politiker und Touristiker, Anwohner und Gewerbetreibende. Auch die Teilnehmer der ersten Generation verabschieden sich reihenweise. Fremdmarken dominieren und das Verhalten vieler Fahrer ist regelwidrig. Und dennoch, die Teilnehmerzahlen sind enorm und dadurch die Wertschöpfung in der Region nicht unerheblich. Die Gastbetten waren zu 95 Prozent ausgelastet, und wenn angenommen jeder Teilnehmer 100 Euro ausgibt, sind das an einem Wochenende eine halbe Million Euro.
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Mit den Anlässen «Vor dem See» und «Reloaded» dreimal so viel, Bussgelder für die Staatskasse nicht eingerechnet, und die mediale Präsenz auch nicht. Ausser der zwischen 1990 bis 1992 produzierten Fernsehserie «Ein Schloss am Wörthersee» wird nichts Vergleichbares mit Wörthersee in Verbindung gebracht. So, wie es hier abgeht, erscheint der Eindruck, man wolle die Teilnehmer vergrämen und das Treffen bewusst unterbinden. Und es stellt sich die Frage: Wie kommt die polizeilich verordnete Gastfreundschaft bei den Teilnehmern an?
Die Party geht ab
Wie erwartet sind auch unsere vier Teilnehmer geteilter Meinung. «Das ist kein GTI-Treffen», meinen unsere beiden Vertreter der älteren Generation, die wohl jeden einzelnen Golf vom ersten bis zum Golf 7 R besessen haben. «Wir haben’s gesehen», meint Gianni, «aber wahrscheinlich sind wir auch zu alt für diese Art von Party!» Ganz anders die beiden Jungen: «Schon toll, all die getunten Autos, und was im Ausland alles möglich ist!», meinen Lukas und Gilles, beides R32er-Fahrer. Aber nach zwei Tagen haben sie es gesehen. Das Gümmele fehlt halt doch und die Polizei nervt Alt und Jung, sodass es einen Tag früher heimwärts geht. Auf der Heimreise teilten sich die Wege unserer Delegation nach Chiemsee. Die einen wählten die langsame Genussstrecke über die Tiroler Alpen ins Vorarlbergerische, die anderen die schnelle Piste via München nach Hause. Wer wo mit welchem der beiden Gölfe gefahren ist, lassen wir offen. Spass machte es hier wie da. Auch im Wissen, dass es in dieser Form die letzte Heimreise vom Wörthersee ist. Das GTI-Treffen wird es in Zukunft nicht mehr geben.
Der Artikel erschien erstmals in der auto-illustrierte Ausgabe 07/22 und wurde angepasst.
Text: Markus Mehr
Fotos: Gianni Cerri, Lukas Hüppin, Gilles Ruoss, Guido Ruoss