

Jochen Rindt: Der tragische Weltmeister
„Er war ein Naturtalent. Er setzte sich ins Auto und wusste, was er zu tun hatte. Er war der Beste“, sagte Bernie Ecclestone über Jochen Rindt, der über sich selbst sagte, dass er wohl keine 40 Jahre alt werden würde. Wie recht er haben sollte. Am 5. September 1970 starb Jochen Rindt beim Training zum GP von Italien im Alter von 28 Jahren. Es reichte dennoch, um posthum Weltmeister zu werden.
In der Zeit der legendären Rennfahrer überstrahlte ein Formel-1-Fahrer alle anderen: Jochen Rindt. Der Österreicher war ein charismatischer Draufgänger, der zuletzt bremste und als erster wieder Vollgas gab. Nicht nur auf der Piste, sondern auch in seinem Privatleben.
Schon als Bub machte der 1942 geborene Jochen Rindt seinen Grosseltern, bei denen er in Graz aufwuchs, nachdem seine Eltern bei einem Luftangriff der Alliierten ums Leben kamen, nur Sorgen. Ständig suchte das Waisenkind das Risiko und machte halsbrecherische Mutproben.
Der rasende Aufstieg
Früh entwickelte Jochen Rindt eine Leidenschaft fürs Tempo und fuhr bereits mit Mopeds Rennen. Mit 15 Jahren kaufte er sich sein erstes Auto, einen VW Käfer, den er zum Rennwagen umbaute. Dieser erste Kontakt mit dem Motorsport endete in einem Unfall, bei dem er das Fahrzeug auf die Seite legte. Ein Leben auf Speed: Legendär sind die Erzählungen darüber, wie er in seinem Jaguar E-Type die Wiener Ringstrassen als seine persönliche Rennstrecke nutzte.
König der Formel 2
1962 begann Jochen Rindt seine internationale Motorsportkarriere mit einer österreichischen Lizenz. Sein Motorsport-Talent kristallisierte sich schnell heraus. Erste Rallyes, dann Formel Junior und Formel 2 – dort ergatterte Rindt 29 Siege und wurde prompt zum „König der F2“ gekürt. 1965 triumphierte er beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans in einem Ferrari 250 LM. Es war ein Sieg, der allen zeigte: Dieser junge Mann aus Österreich ist gekommen, um zu siegen.
1964 debütierte Rindt in der Formel 1, 1965 fuhr er für John Cooper. Die Cooper-Rennwagen waren zwar nicht die schnellsten, doch Rindt kämpfte wie ein Stier mit Leidenschaft um jeden Zentimeter, was ihn auf der Rennstrecke berüchtigt und daneben beliebt machte.
Der Popstar
Jochen Rindt galt als der erste Popstar der Formel 1. Im März 1967 heiratete er das finnische Model Nina Lincoln, die ihn mit ihrer Schönheit ergänzte. Sie galten als das Glamour-Paar ihrer Zeit. Gemeinsam bauten sie ein Zuhause am Genfersee, bekamen 1968 ihre Tochter Natasha – das Leben schien perfekt. Allerdings nicht für jemanden, der so unter Strom stand wie Jochen Rindt.
Unbezähmbar und brillant
Nach einem Jahr bei Brabham wechselte Rindt 1969 zu Lotus. Mit Lotus sollte er zur Legende werden. Berühmt sein Zitat: „Wenn dich dein eigenes Hinterrad überholt, weisst du, dass du in einem Lotus sitzt.“ Im Lotus 72 gewann er 1970 fünf der ersten von neun Grands Prix und raste – so locker wie leidenschaftlich – dem WM-Titel entgegen.
Der Lauf der Dinge
Doch die Formel 1 jener Zeit war gnadenlos. Am 5. September 1970 verunglückte Jochen im Training für den Grossen Preis von Italien in Monza tödlich. Schuld war ein technischer Defekt: ein gebrochener Bremswellenbolzen. Dazu kam eine unzureichend montierte Absperrung – andere sprachen schlicht vom Lauf der Dinge in einer Ära, in der der Tod zum Alltag des Motorsports gehörte.
Die F1-Saison war aber noch nicht beendet. So reichte sein Vorsprung von 20 Punkten gegenüber Jacky Ickx aus, um Jochen Rindt als einzigen Formel-1-Weltmeister der Geschichte posthum zu krönen.
So tragisch das Unglück war: Jochen Rindt hat es kommen sehen. Gegenüber Journalisten sagte er einmal, dass er nicht glaube, dass er vierzig Jahre alt werden würde. So war es auch. Jochen Rindt wurde nur 28 Jahre alt. Tröstlich ist, dass seine junge Witwe ihn immer verstanden hat: „Der Ruhm war nicht der Grund, warum Jochen Rennen gefahren ist. Er mochte einfach die Geschwindigkeit.“
Der Mensch unter dem Helm
Nicht nur die Formel-1-Familie war schockiert über seinen Tod. Ganz Österreich trauerte um ihren coolen Nationalheld und internationale Berühmtheit. Der charismatische Publikumsliebling hatte in seiner Heimat eine eigene TV-Show, förderte die österreichische Motorsportszene und war Berater für den Bau von Rennstrecken.
Das tragische Finale
Die Legende lebt bis heute weiter: in einem Rennpreis, der seinen Namen trägt, in einer Gedenkplakette in Graz, in einer Ecke des Red-Bull-Ring und in zahllosen Geschichten über einen Fahrer, der bis heute mehr Legende als Mensch ist – weil er mit Leib und Seele lebte, raste und brillierte. Jochen Rindt wurde zum Vorbild einer neuen Generation von Rennfahrern wie zum Beispiel Niki Lauda. Der Rest ist Geschichte.
Text: Jürg Zentner
Bilder: Wikipedia/Porsche