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Kia EV6 GT – der Stromschnelle

Mit dem Kia EV6 GT brechen die Koreaner nun endlich aus dem Korsett der Zurückhaltung aus. Die 585PS-Rakete greift im Prinzip sogar den Porsche Taycan frontal an. Wir durften auf dem Beifahrersitz Platz nehmen.

Veröffentlicht am 08.04.2022

Der Testfahrer ist verliebt, vielleicht sogar ein bisschen zuviel in sich selbst. Aber eben doch zu einem ausreichenden Mass in starke Autos, dass es ihn berufsmässig ins Instruktorengeschäft verschlagen hat. Dort lässt er gegen Geld Anteil an seinem Fahrtalent haben. Oder chauffiert im Auftrag des Herstellers Journalisten durch das Land. Dies ist aus zweierlei Gründen spannend, denn zum einen redet derlei unabhängiges Personal meist ohne jeden Unternehmens-Maulkorb, zum anderen zeigt sich, wie wenig Ahnung ein solcher Söldner dann doch von tiefergehender Materie hat.

Beschleunigen kann der Kia EV6 GT wie ein Berseker

Die Mitfahrt im Kia EV6 GT startet im europäischen Hauptquartier unweit des Frankfurter Messegeländes. Von dort sind es wenige hundert Meter bis zur Autobahn 5, die direkt nach der Auffahrt mit dem „Ende aller Beschränkungen“-Schild lockt und diese auch bis kurz vor Darmstadt nicht wieder einführt. Der 585 PS-Stromer kann also zeigen was in ihm steckt.

Natürlich ist das sinnfreie Beschleunigen der Stromer so etwas wie ihr einziger Trick. Man legt bei Kia aber besonderen Wert darauf, dass der GT mehr könne, als nur stumpf geradeaus. Der Instrukteur vergleicht den E-Renner dann auch gleich mit einem BMW M5 Clubsport, wohl weil wegen der Schalensitze, wir haben es nicht genau verstanden, schon auch weil uns dieser Vergleich allein im Ansatz als deutlich zu gewagt erscheint.

Die Köpfe hinter dem GT sind echte Auskenner in der Performance-Materie

Andererseits: Albert Biermann, Entwicklungschef bei Hyundai und Kia, dürfte die Tricks der M GmbH kennen wie kein anderer, stand er ihr schliesslich auch einige Jahre vor. Entsprechend ernstzunehmen ist der Kia EV6 GT. Wir reden hier nicht von den neongelben Akzenten, stattdessen vom zurückhaltend abgesenkten Fahrwerk, den mächtigen Flügelfelgen in 21-Zoll mit Michelin Pilot Sport 4S-UHP-Reifen, der Leichtbau-Bremsanlage mit groben Festsätteln und hautengen Schalensitzen im Interieur. Nichts schreit Rennwagen, aber auch nur mehr wenig Elektrodroschke.

So finden sich im Interieur natürlich auch diverse Fahrmodi und ein spezieller GT-Knopf, dessen Druck sofortigen Alarm auslöst: Alle Menüs verdunkeln sich, der Tacho rückt in die Mittelposition und das ESP schaltet sich ab, weil die Sperrdifferenziale in den Reduktionsgetrieben der E-Motoren nun die Hauptarbeit übernehmen – und der Pilot wohl weiss, was er da tut.

Er hämmert dann auch mal über alle Viere quer aus dem Eck

Und das kann er wirklich. So wenig er sich mit den Daten des Autos auskennt, so gut kann er es fahren. Den eingeübten Launch-Control-Start, bei dem der Kia EV6 GT in kaum über drei Sekunden auf 100km/h springt, winken wir ab, es langweilt mittlerweile wie gesagt.

Viel spannender: Was passiert beim Vollstrecken in der Biegung? Was machen über 700 ansatzlose-Newtonmeter mit der Traktion der Sperrdiffs, wenn es mal nicht geradeaus geht? Sie machen es gut. Der EV6 GT schnickt sich cremig in den Drift, über alle Viere, locker, lautlos, ohne spürbare Anstrengung. Dass er derweil in einem Verbrenner richtig Plackerei wäre, Gänge geschaltet und Drehzahlbänder ausgenutzt werden müssten aufs Letzte – egal, vergessen. Die Digitalität der Power-Stromer hat plötzlich ihren ganz eigenen Reiz.

Da wo die Konventionellen Anlauf und vor allem Auslauf brauchen, ist der Elektrische extrem im Vorteil. Er springt in den Drift, ansatzlos, bissig und doch elegant. Und im nächsten Sekundenbruchteil ist alles wieder vorbei. Die Grossmutter auf der Nebenspur hat es im Zweifel nicht einmal bemerkt, weil es keinen Lärm macht. Und das ist eigentlich ganz wunderbar.

Text: ai Online Redaktion/DF/FM
Bilder: Kia

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