Kia Stinger GT - Der Abschied tut weh

Den Verkaufszahlen nach zu urteilen, war der Stinger nie der ganz grosse Hit. Doch die sind nur die halbe Wahrheit. Vor allem der BMW-Schreck GT hat Kias Image nachhaltig aufpoliert und eine neue Ära eingeleitet. Nun ist es Zeit für ihn, abzutreten. Ein Abschiedsfest im limitierten Sondermodell «Tribute Edition».

Veröffentlicht am 02.12.2023

Manch einer mochte seinen Augen nicht trauen, als Kia 2017 den Stinger lancierte. Als GT mit doppelt turbogeladenem V6 trat er gegen die deutschen Platzhirsche BMW M340i und Audi S4 an. Bis dahin stand Kia für solide, nicht sehr aufregende Familienkutschen mit sieben Jahren Garantie als schlagendes Kaufargument. Der Stinger sollte einen Imagewandel einleiten. Erfolgreich, wie man konstatieren kann. Vergleichen Sie nur mal einen aktuellen Sportage mit seinem Vorgänger von vor sechs Jahren. Nun hat der Stinger seine Schuldigkeit getan. Zum Abschied wollen wir ihn noch einmal gebührend feiern, standesgemäss mit der auf 1000 Exemplare limitierten Tribute Edition.

Was für ein Design

Lang gezogenes Heck, fliessende Linien - so sieht das Heck eines Sportwagens aus. Die seitlichen Reflektoren müssten nicht sein.

Man muss sich erst einmal gewahr werden, dass dieses Design schon so viele Jahre auf dem Buckel hat. Ellenlange Motorhaube, kurze Überhänge, flaches und lang gezogenes Dach – so sieht auch heute noch eine Sportlimousine aus. Die Tribute Edition bringt noch ein paar optische Leckerbissen wie den Mattlack namens «Moonscape Grau» und schwarze Akzente mit. Randnotiz: Das Sondermodell ist in der Schweiz nicht erhältlich. Nur die Presseflotte hat einen bekommen. Macht aber nichts, auch der normale GT ist ein Eyecatcher.

Cockpit und Antrieb Auf BMW-Niveau

Für die Beschreibung des Innenraums reicht eigentlich ein Wort: schön. Ausführlicher erklärt, sind es so klassische Elemente wie die runden Lüftungsdüsen, das braune Leder mit farblich passenden Sicherheitsgurten, der Alcantara-Dachhimmel oder all die Metallapplikationen, die das Ambiente so geschmackvoll gestalten. Die Tribute Edition zieren stilisierte Wespen in den Kopfstützen. Wegen «Stinger», Sie verstehen.

Bis auf den Plastikpralltopf des Lenkrads ist das Stinger-Cockpit piekfein, die Verarbeitung herausragend.

Bis auf den Lenkradpralltopf aus billigem Hartplastik ist das ganze Cockpit hochwertig und penibel verarbeitet. Das kriegt BMW auch nicht besser hin. Doch man merkt dem Stinger sein Alter schon langsam an. Der Automatikwählhebel ist etwas gross, der Infotainmentbildschirm etwas klein, die vielen Knöpfe und analogen Armaturen sind in dieser Klasse auch nicht mehr State of the Art. Andererseits vereinfacht das die Bedienung ungemein. Da fragt man sich unweigerlich, warum heute eigentlich alles digital sein muss.

Bis zu 270 km/h Vmax

Turbo steht drauf, Turbo ist drin. Etwas schöner als mit einer schnöden Plastikabdeckung hätte man den Motor aber schon anrichten können.

Genauso wie die Bedienlogik wird man den Antrieb des Stinger GT vermissen. Der V6 ist vielleicht nicht das charakterstärkste Aggregat, aber ungemein souverän. Als Seitenhieb an die bei 250 km/h abgeriegelte deutsche Konkurrenz darf der GT 270 km/h rennen, doch auch in tempolimitierten Ländern ist er ein Genuss auf der Langstrecke. Kraft seiner 510 Nm beschleunigt er noch im höchsten Gang mühelos. Runterschalten ist oft gar nicht nötig, Traktion dank Allradantrieb stets vorhanden.

Diese stille Kraft bringt Ruhe und Entspannung. Ausser beim Kickdown, dann schaltet das Getriebe etwas ruppig. Das Fahrwerk ist straff, aber nicht unnachgiebig. Was innen noch ankommt, verpufft in den bequemen Sitzen. Komfortfeatures wie Sitzklimatisierung sorgen fürs Wohlbefinden.

Bei alledem gibt sich der Stinger praktischer als gedacht. Vier Erwachsene reisen ganz bequem, der geräumige Kofferraum schluckt einiges an Gepäck. Einladen ist durch die aufschwingende Heckscheibe leicht. Beim Packen muss man sich trotzdem zügeln, die Zuladung ist mickrig. Bis voraussichtlich Ende 2023 ist der Stinger GT noch bestellbar. Dann muss er endgültig an seinen ideellen Nachfolger übergeben, den elektrischen EV6 GT – einen Vollblutvertreter der neuen Kia-Ära, die der Stinger eingeläutet hat.

Fazit von Moritz Doka

So etwas wie den Stinger GT hat es von Kia zuvor nicht gegeben, was ihn schon zu Lebzeiten zum Klassiker macht. Mit seinen Qualitäten muss er sich vor der deutschen Konkurrenz nicht verstecken. Dass er sich stets nur mässig verkauft hat, wird ihn in Zukunft umso begehrter machen, wenn er bald nicht mehr da ist.

Technische Daten Kia Stinger GT

Motor: V6-Twin-Turbo-Benziner
Hubraum: 3342 cm³
Leistung: 269 kW/366 PS bei 6000/min
Drehmoment: 510 Nm bei 1300/min
Getriebe: 8-Stufen-Automat
Antrieb: Allrad
Normverbrauch: 10,4 l/100 km (WLTP)
Testverbrauch: 9,8 l/100 km
CO2-Ausstoss: 238 g/km CO₂
Effizienzklasse: G
Beschleunigung 0–100?km/h: 5,4 s
Höchstgeschwindigkeit: 270 km/h
Abmessungen L/B/H: 4830/1870/1400 mm
Radstand: 2905 mm
Reifendimensionen: 225/40 R19 v., 235/35 R19 h.
Leergewicht: 1980 kg
Zuladung: 345 kg
Ladevolumen: 406–114 l
Anhängelast gebr./ungebr.: 750/1000 kg
Preis: ab 67'500 Franken
Testwagenpreis: 64'990 Euro (Tribute Edition in der Schweiz nicht erhältlich)

Text: Moritz Doka
Fotos: Cédric Heer/Moritz Doka, auto-illustrierte