Blitze, Raketen und Offiziere
75 Millionen Fahrzeuge hat Opel in der 125-jährigen Geschichte verkauft. Viele Jahrzehnte gehörte Opel zu den grössten Automobilhersteller Europas. Das lag an den erschwinglichen und trotzdem coolen Fahrzeugen, die Opel immer wieder rausbrachte. Ein Rückblick auf die gute alte Zeit.
Alles begann mit dem Opel Patentwagen im Jahr 1899. Eigentlich baute Opel bis dahin vor allem Fahrräder und Nähmaschinen. Das änderte sich allerdings im Lauf der Zeit und aufgrund familiärer Umstrukturierungen.
Schon vor dem 1. Weltkrieg lancierten die Gebrüder Opel die ersten Fahrzeuge wie den „Doktorwagen”, ein Auto, das nur halb so teuer war wie die der Konkurrenz.
Opel Laubfrosch
Richtig ab ging es für Opel, als sie 1924 den Opel „Laubfrosch” rausbrachten.Weil er dem Typ C von Citroen sehr ähnlich und nur in grün erhältlich war, soll André Citroen gesagt haben: „Dasselbe in Grün” – heute ein geflügeltes Wort. Bereits drei Jahre später ist der Opel P 4 mit einem Grundpreis von nur 2’980 Mark der erste wahre Volkswagen Deutschland.
Raketen Fritz
Die Euphorie der Zwischenkriegsjahre machte auch nicht vor dem Übermut von Rekorden halt. Im Herbst 1927 wollte Fritz von Opel mit spektakulären Raketenautos Geschwindigkeitsrekorde brechen.
Der Enkel des Firmengründers Adam Opel, tat sich zusammen mit dem Schriftsteller und Astronomen Max Valier, der als Wegbereiter der Raketentechnik gilt. Ihr gemeinsames Ziel: den aktuellen Geschwindigkeitsrekord zu brechen. Und den holten sie mit dem RAK 2, der 238 km/h schnell lief. Das Ereignis ging um die Welt: Fritz von Opel hiess ab sofort „Raketen Fritz“ und Opel galt umgehend als einer der fortschrittlichsten Autohersteller. Auf die Party folgt der Kater. Die Weltwirtschaftskrise trieb die Gebrüder Opel 1929 dazu, das Unternehmen an General Motors zu verkaufen.
Opel Olympia
Inspiriert von den XI. Olympischen Spielen 1936 in Berlin, an die niemand gerne zurückdenkt, kam 1935 der Opel Olympia auf den Markt; das erste deutsche Modell, das über eine selbsttragende Karosserie verfügte. Doch zu dieser Zeit haben sich längst dunkle Schatten über Deutschland gelegt. Die kurze Blütezeit, in der Opel 1937 zum grössten Autobauer in Europa aufstieg, endete mit dem Kriegsausbruch. Damit wurde auch die Produktion des Opel Kapitäns nach zwei Jahren eingestellt, der gerade durchstartete. Bis zur Einstellung der zivilen Pkw-Produktion bei Opel im Herbst 1940 wurden 25’371 Kapitäne hergestellt.
Opel Kapitän, Admiral, Diplomat, Senator
Spulen wir die dunklen Jahre vorwärts zum nächsten Meilenstein der Geschichte. Die Produktion des Opel Kapitäns wurde 1947 wieder aufgenommen. Im Herbst 1953 erhielt der überarbeitete Kapitän eine Pontonkarosserie im amerikanischen Stil. Der Opel Kapitän steht wie kein anderes Auto für das Wirtschaftswunder der 1950er Jahre. Bis 1963 wurden weit über 300’000 Opel Kapitän ausgeliefert. Später wurde die Oberklasse von Opel als Admiral und Diplomat bezeichnet, bevor sie 1978 vom Senator abgelöst wurde. Heute würde niemand mehr ein Auto kaufen wollen, das nach Offizieren und Obrigkeiten benannt ist. (Ausgenommen der Ineos Grenadier, aber der ist nach einem Pub benannt)
Opel Rekord
Opel etablierte sich in den 1950er bis 1960er Jahren als einer der grössten Anbieter von Mittelklasseautos. In unterschiedlichen Versionen wurden sie sowohl von den Arbeitern einer Fabrik gefahren als auch vom Direktor. Aus dem Opel Olympia Rekord wurde der Opel Rekord, der zwischen 1953 und 1986 gebaut wurde. Waren die ersten Modelle noch sehr vom US-Design des Mutterhaus GM inspiriert, entwickelte sich der Rekord in den 1970er Jahren zum beliebtesten Mittelklasse-Modell in Deutschland und der Schweiz. Nomen est Omen: Der Opel Rekord hat sich in der Bauzeit zwischen 1953 bis 1986 über zehn Millionen Mal verkauft. Acht Generationen gab es vom Rekord. Alleine die Diesel-Variante, der Opel Rekord D, verkaufte sich von Dezember 1971 bis Juli 1977 1’128’196 Mal. Es gab den Opel Rekord auch mit einem Sechszylinder und luxuriöser Ausstattung, der als Commodore verkauft wurde.
Opel Ascona
Benannt nach dem Tessiner Ferienort, hatte der Opel Ascona hierzulande schon einmal einen guten Start. Er vermittelte der unteren Mittelklasse, dass sie ebenfalls Sehnsuchtsorte bequem erreichen konnten. Für das geradlinige, schnörkellose Design war Opel-Chefdesigner Chuck Jordan verantwortlich.
Der amerikanische Designer entwarf übrigens auch den Cadillac Eldorado, bevor er nach Deutschland berufen wurde und mit dem Opel Ascona ein Meisterstück ablieferte. Der Ascona A kam so gut an, dass innert fünf Jahren rund 690’000 Autos produziert wurden.
Es folgten Ascona B, von denen es legendäre Rallye-Autos gab, die mit Walter Röhrl am Steuer die Weltmeisterschaft dominierten. Opel beendete im August 1981 die Herstellung des Typs B nach 1,5 Millionen Fahrzeugen. Es folgte noch der Ascona C, der aber bereits das Ende der grossartigen Opel-Ära einläutete.
Opel Manta
Bevor Filme und Witze den Opel Manta zur Lachnummer machten, war es eines der beliebtesten Coupés in Europa. Der Opel-Designer ??Erhard Schnell entwickelte in den späten 1960er Jahren ein extrem cooles Blechkleid, das weit mehr Power versprach, als es die relativ leistungsschwachen Motoren einzuhalten vermochten. Der Manta A war die Antwort von Opel auf den Ford Capri, der wiederum eine deutsche Version des amerikanischen Ford Mustangs war. Es handelt sich dabei um das Prinzip der sogenannten Pony-Cars. Das sind Coupés auf Basis eines leichten Mittelklassefahrzeugs mit im besten Fall leistungsstärkeren Motoren. Der Manta war demnach die Coupé-Version des Opel Asconas. Von beiden Modellgenerationen wurden zwischen 1970 und 1980 über eine Million Exemplare verkauft.
Opel Kadett
Die Geschichte des Opel Kadetts begann bereits 1936. Bis 1940 wurden über Hunderttausend Exemplare hergestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auf Beschluss der Siegermächte die Produktionsanlagen des Vorkriegsmodells zusammen mit dem Opel Werk Brandenburg der UdSSR zugesprochen. 1946 wurde die Produktionsanlage demontiert und in der Sowjetunion wieder aufgebaut. Ab 1948 wurde dann in Moskau der Vorkriegs-Kadett als „Moskwitsch-400“ bis 1959 hergestellt.
Für den neu entwickelten Kadett A wurde ab 1960 das Opel-Werk Bochum errichtet, in dem ab Juni 1962 zunächst ausschliesslich dieses Auto produziert wurde. Alleine vom Kadett A wurden innerhalb von nur drei Jahren knapp 650’000 Exemplare gebaut. Der Kadett B war noch erfolgreicher: Zwischen 1965 und 1973 baute Opel rund 2,7 Millionen Kadetts. Auch die dritte Generation verkaufte sich zwischen 1973 und 1979 1,6 Millionen Mal. Der Kadett D (bis 1984) wurde für Opel aus wirtschaftlicher Sicht eines der wichtigsten Modelle und kam in den Verkaufszahlen nah an den sehr erfolgreichen VW Golf ran.
Opel GT
Zwischen 1968 und 1973 baute Opel das wohl schönste Fahrzeug der Geschichte: Der Opel GT. Die Karosserie wurde von Erhard Schnell entworfen, der von 1952 bis 1992 als Gestalter bei Opel tätig war. Als Opel das Konzeptfahrzeug Mitte der 1960er Jahre präsentierte, waren alle ein wenig überrascht. Opel hatte schon damals das Biedermann-Image. Der Opel GT war total anders: Ein Zweisitzer mit langer Motorhaube, Klappscheinwerfer und einer Karosserie im Coke-Bottle-Shape, wie man die Rundungen der Karosserie bezeichnete. “Nur Fliegen ist schöner”: Das geflügelte Wort wurde erstmals als Werbeslogan für den Opel GT verwendet. 103’463 Exemplare wurden in den fünf Jahren der Produktion gebaut. Der Blitz im Logo nahm der GT übrigens wörtlich: Am 17. Mai 1971 erreichte ein mit einem Elektromotor ausgerüsteter Opel GT eine Höchstgeschwindigkeit von 188 km/h.
In den 1990er Jahren fielen die Verkaufszahlen von Opel ins Bodenlose, wo sie heute immer noch sind. Die Faktoren, die zum Untergang des Hauses Opel führten, füllen viele Lehrbücher zum Thema Missmanagement.
Da es für Opel immer noch kein richtiges Happy End gibt, aber diese Geschichte nicht traurig enden sollte, hier noch eine kleine Anekdote: Ein Opel Astra ist amtlich das schnellste Auto der Welt. Ein Blitzer blitzte das Auto mit dem Blitz im Logo und stellte dabei eine Geschwindigkeit von 696 km/h fest. Nimm das Bugatti! Und das erst noch innerorts. Ob der Geist von Raketen Fritz seine Finger im Spiel hatte?
Text: Jürg Zentner
Bilder: Opel/Stellantis