Fahrbericht

Maserati Ghibli Trofeo – Understatement

Der Auftritt des Italieners bleibt wunderbar dezent. Auch wenn unter seiner Haube 580 PS schlummern. Schön, dass es solche Automobile noch gibt.

Veröffentlicht am 11.02.2022

Dann darf er endlich, dort nach Bregenz, auf die deutsche Autobahn Richtung München. Noch schnell auf «Sport» geschaltet, dann den Hammer fallen lassen. Er bäumt sich kurz auf, der Maserati. Es ist, als ob er sich selbst wach schüttelt – und dann geht er ab wie ein angeschossenes Wildschwein.

Gut, da ist ein 3,8-Liter-V8 am Werk, dem über zwei Turbos doch satte 580 PS und ein maximales Drehmoment von 730 Nm eingeblasen werden. All diese Herrlichkeit wird über eine sanft schaltende ZF-8-Gang-Automatik nur an die Hinterräder geschickt. Was dieses Schütteln erklärt. Es kommt von der Hinterachse. Auch bei Tempo 80 drehen die Räder noch durch, wenn der zwei Tonnen schwere Maserati so ein bisschen gestreichelt wird.

Sportliche Souveränität

Das ist wohl auch der Grund, weshalb unterdessen sogar der einst so klassische BMW M5 – Platzhirsch in diesem Segment – mittlerweile über einen Allradantrieb verfügt. Zusammen mit der Giulia QV ist der Ghibli die letzte unter den Sport-Limousinen, die noch so sein darf, wie es sein soll. Das macht den Italiener nicht zu einem besseren Auto, aber zu einem lustvolleren. Und allein dafür gibt es die volle Punktzahl.

Nachdem wir also das Vergnügen hatten mit «Sport» – und auch noch kurz mit «Corsa», aber da wird es dann wirklich irr –, geht es wieder zurück auf «Normal». Das reicht in etwa für 105 Prozent aller Fälle. Gerade auf der deutschen Autobahn ist das die richtige Wahl. Der Ghibli bleibt extrem souverän, ausser bei Querfugen recht komfortabel und selbst bei höheren Geschwindigkeiten angenehm ruhig. Höhere Tempi sind für den Maserati: 250 km/h+. Es ist eine Pracht, wie der Italiener scheinbar mühelos auch noch weit darüber hochzieht, erst etwa ab 280 km/h verlangsamt sich der Vorwärtsdrang. Aber es gibt ja eh kaum noch Gassen, auf denen solches überhaupt möglich ist.

Lobenswerter Verbrauch

Der Maserati Ghibli Trofeo trug uns wunderbar entspannt von Bern nach Frankfurt, von da nach Turin und weiter nach München, schliesslich wieder zurück nach Bern. Nicht immer volle Kanne, aber jederzeit flott. Da sind die 11,5 Liter Verbrauch im Schnitt definitiv lobenswert. Ach ja, um auch noch allen Vorurteilen eine Absage zu erteilen: nicht das geringste Problem, zero, null. Keine komischen Geräusche. Einfach nur gut.

Nun ist man ja aber nicht immer nur auf der Autobahn unterwegs. Auf der Landstrasse bevorzugt der Italiener sicher mehr die langgezogenen Biegungen. Da fühlt er sich daheim, da macht der Wagen auch bei hohen Geschwindigkeiten keinen Wank. Nicht so gern mag er enge Kurven, auch ist sein Wendekreis nicht gerade vorbildlich – und beim Herausbeschleunigen muss man aufpassen, dass einem die Pferde nicht durchgehen. Das Fahrpedal will dann wie ein rohes Ei behandelt werden, sonst verliert der Maserati bald schon an Traktion. Und dann greift das ESP etwas gar harsch ein, das bremst die Freud’. Auf «Sport» ist das viel besser, jedoch wird der Ghibli noch aggressiver.

Dezent ist angesagt

Was auch gut ist: Der Maserati ist unter diesen richtig bösen Limousinen das mit Abstand am dezentesten gestaltete Fahrzeug. Keine Spoiler, keine Verbreiterungen, bloss ein paar rote Farbtupfer an der Seite und die vier Endrohre, die erfreulicherweise nicht Schwingeroberschenkelgrösse haben. Nur der Kenner wird am Trofeo-Emblem erkennen, was sich unter dem eleganten Kleid verbirgt: Schöneres Understatement gibt es eigentlich nicht.

Das zieht sich innen weiter. Zwar ist die dritte Generation des Ghibli, Tipo M157, schon seit 2013 quasi unverändert auf dem Markt. Doch gerade das klassische Innenleben ohne überdimensionalen Touchscreen und mit noch reichlich physisch zu betätigenden Schaltern und Knöpfen macht viel von seinem Charme aus. Selbstverständlich verbauen die Italiener nur edelste Materialien, die sie mit viel Handwerkskunst aneinanderfügen – man fühlt sich auf Anhieb wohl, es riecht auch gut. Die Sitze sind zwar hart, haben aber auch für grossgewachsene Passagiere eine gute Passform und sind gerade auf der Langstrecke ohne Fehl und Tadel. Hinten staunt man etwas, wo denn all der Platz geblieben ist in diesem immerhin fast fünf Meter langen Fahrzeug. Doch am besten sitzt man eh vorne links, denn allein schon die Berührung des Lenkrads ist eine sinnliche Erfahrung. Immerhin ist der Kofferraum so richtig grosszügig.

Fazit

Mit einem Basispreis von 153 950 Franken ist der Trofeo kein Sonderangebot. Aber er ist die derzeit wohl eleganteste Fahrmaschine überhaupt. Die ist dann dieses Geld auch wert.

Text: Peter Ruch
Bilder: Peter Ruch/Vesa Eskola/Dario Fontana

Technische Daten:

Maserati Ghibli Trofeo
Achtzylinder-Bi-Turbo 3799 cm3,
427 kW/580 PS,
730 Nm bei 2250/min, 8-Gang-Automatik, Heckantrieb,
Norm 12,2 l/100 km, 278 g/km CO2, Effizienz G, Test: 11,5 l/100km,
0–100 km/h: 4,3 s,
Spitze: 326 km/h,
L/B/H: 4971/1945/1461 mm
Leergewicht: 1960 kg,
Zuladung: 580 kg,
Ladevolumen: 500 l,
Preis: ab 153 950 Franken.

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