

Vector W8: Kampfjet für die Strasse
“Der kommt auf mein nächstes Album-Cover”, soll Diana Ross gesagt haben, als sie zum ersten Mal einen Vector W8 sah. Dieser W8 der Autobau Erlebniswelt in Romanshorn hat eine ganz persönliche Geschichte.
Lamborghini Countach, Ferrari F40, Porsche 959: Alle Supersportwagen kamen in den 1980er Jahren aus Europa. Das wollte der Amerikaner Gerald Wiegert ändern und einen “Starfighter for Highways” bauen – made in USA. Schon Ende der 1970er-Jahre begann Wiegert mit der Entwicklung eines Supersportwagens, der nicht nur schneller, sondern auch technologisch überlegen sein sollte. Das Geld für einen Prototyp trieb er an der Börse auf.
Das Gerücht, dass ein Amerikaner mit sehr viel Geld den Lambos, Ferraris und Porsches an den Karren fahren will, sorgte für Aufregung in Sant‘Agata, Modena und Zuffenhausen. Und das sollte es auch, obschon die Zündschnur lange brannte. Erst 1989 war der erste fahrbereite Prototyp des Vector W8 fertig.
Als der Vector W8 am Genfer Autosalon 1991 gezeigt wurde, war er nicht nur der Publikumsmagnet, sondern auch eine Kampfansage an die europäische Konkurrenz. Die Kerndaten sprachen für sich: 478 kW/650 PS, 350 km/h Spitze und eine Beschleunigung von 4,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Das machte den Vector W8 zur absoluten Trumpfkarte im Auto-Quartett.
Der “Kampfjet für die Strasse”, wie der Vector W8 im Katalog bezeichnet wurde, ist in vielerlei Hinsicht faszinierend. Der Vector W8 wurde mit Fokus auf Luft- und Raumfahrttechnik entwickelt. Das Chassis war ein Aluminium-Wabenträger, verkleidet mit Kevlar- und Carbonfaser-Paneelen – für die damalige Zeit hochmodern.
Top-Gun-Cockpit
Wenn ein Innenraum die Bezeichnung „Cockpit“ verdient, dann der Vector W8. Hier fühlt man sich wie der Pilot eines Kampfjets. Von den Recaro-Sitzen, bis hin zu den unsinnig vielen Knöpfen und Schalter. Viele Bedienelemente stammen aus dem US-Militär, darunter Komponenten aus Flugzeugen wie der F-16 und der F/A-18. Mehr Top-Gun-Vibe geht kaum. Visionär: Der W8 verfügte bereits 1990 über ein Multifunktionsdisplay, das Informationen in Echtzeit anzeigt. Aber das Erstaunlichste blieb der Antrieb und seine überbordende Leistung.
Angetrieben wurde der Vector W8 von einem quer eingebauten 6,0-Liter-V8-Motor mit zwei Garrett-Turboladern, der 854 Nm Drehmoment lieferte. Allerdings wurde die Kraft über ein Dreigang-Automatikgetriebe an die Hinterräder übertragen. Auch das, typisch amerikanisch eben. Es brauchte also einen sehr sanften Gasfuss, um den Starfighter nicht im Kreis zu drehen, wie ein abstürzender Helikopter.
Wilder Spieler, wildes Auto
Natürlich wollten alle einen haben, wie der damals weltbekannte Tennis-Spieler André Agassi, der in dieser Zeit alle vom Platz fegte. Auch privat war er damals ein nervöser Zeitgenosse, wie er in seiner Biographie zugab. Agassi wollte seinen Vector W8 unbedingt an seinem Geburtstag haben, obwohl ihm mehrfach mitgeteilt wurde, dass dies weder zeitlich noch technisch machbar sei. Wiegert gab nach und übergab Agassi einen unfertigen Wagen mit der Fahrgestell-Endnummer "005". Wie zu erwarten hatte Agassi diesem Auto nur Probleme und soll ihn schimpfend zurückgegeben haben: "Bau mir ein Auto, das ich ohne Explosionsgefahr aus der Garage holen kann, dann kaufe ich es!“ Solcher „Gossip“ ging schnell durch die Glamour-Presse und schreckte viele potentielle Käufer ab.
Ist der Ruf erst ruiniert …
Den Ruf als unzuverlässiges, unfertiges Auto wurde der Vector W8 nie richtig los. Leider hat sich der “Starfighter for Highways” am Ende nur sehr schleppend verkauft und so entwickelte sich der Vector W8 zum Flop. Als Gerald Wiegert in Zahlungsschwierigkeiten geriet, kam es zu einem ungewöhnlichen Tauschgeschäft: Der Schweizer Unternehmer und Rennfahrer Fredy Lienhard Jr. erhielt einen Vector W8 als Ausgleich für offene Rechnungen bei seiner Firma LISTA. So fand das Exemplar, welches aktuell in der Autobau Erlebniswelt in Romanshorn ausgestellt ist, seinen Weg in die Schweiz. Mit gerade mal 2209 Kilometer auf dem Display.
Insgesamt wurden zwischen 1990 und 1993 ganze 19 Fahrzeuge gebaut. Manche Quellen sprechen auch von 22 Fahrzeugen, je nachdem, ob man die Prototypen, Showcars und halbfertige Bastel-W8 mitzählt. Die genaue Stückzahl bleibt umstritten.
Unbestritten galt der Vector W8 damals als eines der teuersten Autos. Rund eine halbe Million Dollar musste man überweisen – damals wie heute eine Menge Moos. Heute erzielen die wenigen noch erhaltenen Vector W8 Preise von zwischen 500 000 und bis zu 1 Mio. Dollar, je nach Zustand. Also war es am Ende doch noch irgendwie eine gute Investition – zumindest für Geduldige.
Technische Daten des Vector W8 (1990–1993)
- Motor: 6,0-Liter V8 (Rodeck) mit zwei Garrett-Turboladern
- Leistung: ca. 625–650 PS bei 5.700 U/min
- Drehmoment: ca. 850–880 Nm bei 4.900 U/min
- Getriebe: 3-Gang-Automatik (GM Turbo-Hydramatic 425)
- Antrieb: Heckantrieb
- 0–100 km/h: ca. 4,3 Sekunden
- Höchstgeschwindigkeit: bis zu 350 km/h (Herstellerangabe)
- Gewicht: ca. 1620 kg
- Chassis: Aluminium-Wabenstruktur mit Kevlar- und Carbon-Verbundwerkstoffen
- Fahrwerk: Doppelquerlenker vorne, De-Dion-Achse hinten, Koni-Dämpfer
Text: Jürg Zentner
Bilder: Christian Lienhard (lienhardbildwerke.ch)