Was vom Genfer Autosalon übrig bleibt
Ausgerechnet zum 100-jährigen Jubiläum ist der Genfer Autosalon nur noch ein Schatten seiner ehemals erfolgreichen Selbst. Der Neustart nach vier Jahren Coronapause scheint alles andere als geglückt.
Der Genfer Autosalon öffnete zu seinem 100-jährigen Jubiläum nach einer längeren Corona-Zwangspause wieder seine Tore. Wer 100 Jahre alt wird, dem gebührt jede Menge Ruhm und Ehre. Der hat vieles erlebt, hat noch mehr zu erzählen und strotzt nur so vor Tradition. Dumm nur, wenn sich nach 100 Jahre zwar alle noch bestens an einen erinnern, aber kaum mehr jemand für einen interessiert.
Besucherzahlen-Ziel verfehlt
168'000 Besucherinnen und Besucher zählte der Genfer Autosalon 2024 gemäss der offiziellen Medienmitteilung. Immerhin: Das sind 168'000 mehr als die letzten vier Jahre. Aber halt auch deutlich weniger als die rund 600'000 zuvor. Die angepeilten 200'000 Ticketverkäufe wurden bei weitem verfehlt. Und auch am Pressetag, an dem wir anwesend waren, war weniger los als in der Vergangenheit. Die Rede ist von 1000 akkreditierten Medienvertretern, früher waren es zuletzt rund 10'000.
Der Renault 5 war eine der wenigen echten Weltpremieren am Genfer Autosalon 2024.
Laut der Pressemitteilung der Betreiber sei die GIMS sei nun ein Format, das die Interaktion zwischen den Austellern und dem Publikum fördert. Leider war die Menge weder vom einen noch vom anderen sonderlich gross und somit auch die mögliche Interaktion per se eher begrenzt. 37 Aussteller – darunter überverhältnismässig viele Dienstleister wie die Auto-i-DAT AG, der ACS, der TCS und andere - zeigten 157 ausgestellte Fahrzeuge und 23 Premieren, darunter 13 Welt- und zehn Europapremieren. Wobei auch hier: Viele der von der GIMS proklamierten Premieren hat man (digital) bereits gesehen und mit dem Motosacoche Type A und dem Silence Ecosystem haben sich gar ein E-Bike beziehungsweise ein E-Roller auf die Liste der Weltpremieren geschlichen. Noch besser: Der Dacia Duster ist gar zweimal in der Liste vertreten, sodass es eigentlich nur deren zwölf Neuheiten sind. Eine der wenigen echten Weltpremieren war der neue Renault 5 E-Tech Electric. Die chinesischen Hersteller MG und BYD verkündeten ihren Schweizer Markteintritt. (Kein Gamechanger: Der BYD Seal.)
Nur noch eine Halle
Auch schön ist der Zwischentitel, der in der besagten Pressemitteilung steht: Das Publikum war dabei. Und weiter, dass die steigende Besucherzahl im Laufe der Woche in zwei ausverkauften Tagen bei je 40'000 Eintritten – die maximale Kapazität der Palexpo-Halle – ihren Höhepunkt erreichte. Dass das Besucheraufkommen am Wochenende grösser ist als unter der Woche, versteht sich von selbst. Dass aber das Palexpo-Areal geschrumpft wäre, ist neu. Richtigerweise müsste man nämlich von der einen und einzigen Halle sprechen, die überhaupt mit Mühe und Not gefüllt werden konnte. Von den vielen schwarzen Vorhängen, die den Raum optisch etwas verkleinerten und damit befüllter aussehen liessen, möchten wir gar nicht erst anfangen.
Eine einzige Halle mit zwei Stockwerken diente der GIMS 2024 als Ausstellungsfläche.
Fairerweise muss man sagen, dass sich die Ausstellung gemäss Palexpo-Nomenklatur eigentlich über zwei Hallen beziehungsweise zwei Etagen streckte. Unten die wenigen Highlights – also: jene, die da waren – und oben eine Hommage an die 100-jährige Geschichte der GIMS mit ehemaligen Weltpremieren aus sämtlichen Jahrzehnten. Eine eigentlich coole Idee, die in sieben gefüllten Hallen sicherlich für Abwechslung sorgen würde, so aber nebst den übermässig vielen Kaffees und Bars mehr zum weiteren Platzhalter verkam – und das triste Bild der einst so glamourösen GIMS noch zementierte.
Auch die Hersteller sind in der Pflicht
Bei all dem Hohn: Man hat sich definitiv Mühe gegeben. Man errichtete thematische Zonen, organisierte Podiumsdiskussionen und verwertete alles schön im Internet. Viel mehr lag unter den gegebenen Umständen einfach nicht drin. So lässt sich beispielsweise auch das auf den ersten Blick sehr eigenwillige Ticketing erklären. Besucherinnen und Besucher mussten sich vorab für einen bestimmten Zeitslot entscheiden.
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Vielmehr muss man die mit ihrer Abwesenheit glänzenden Hersteller in die Pflicht nehmen. Und die GIMS-Direktion, die es trotz mehreren Jahren Vorlaufzeit nicht geschafft hat, etwas auf die Beine zu stellen, dass bei allen Parteien Anklang findet. Trotzdem sagt Alexandre de Senarclens, Präsident der Stiftung Comité permanent du Salon international de l’Automobile: «Ich bin überzeugt von der Relevanz und Wichtigkeit des GIMS. Angesichts der grossen Bedeutung des Automobils in unserer Gesellschaft, und dass es diese auch in Zukunft haben wird, benötigt seine Branche ein Sprachrohr und eine Plattform, die es ihr ermöglicht, das Publikum persönlich zu treffen. Angesichts der sehr ermutigenden Besucherzahlen dieser 91. Ausgabe des GIMS, sowohl von Besuchern als auch von den Medien, kann und muss der Genfer Autosalon diese Rolle einnehmen.»
Das Datum für die GIMS 2025 steht bereits
Ob dem tatsächlich so ist, wird sich zeigen. Immerhin ist das Datum für 2025 bereits gesetzt: 17. bis 23 Februar. Wie viele sich dann aber tatsächlich wieder in Genf treffen und ob der Salon tatsächlich stattfinden wird, ist aber zumindest mit einem sehr grossen Fragezeichen versehen. Der herausragenden Geschichte der GIMS unwürdig sind die derzeitigen Umstände in jedem Fall.
Text: Cédric Heer
Fotos: GIMS