Agenturmodell vs. Vertragshändler
„Das Internet ist für uns alle Neuland.“ Dieser Satz von Angela Merkel aus dem Jahr 2013 sorgte für viel Gelächter. Doch statt sich darüber lustig zu machen, hätten einige Autobauer besser die Gelegenheit genutzt, ihre Vertriebswege zu modernisieren.
In Europa schielte man lange etwas neidisch auf Tesla. Schon 2019 konnte man das Model 3 einfach am Handy bestellen, und die Abholung lief schnörkellos ab: Schlüssel in die Hand, Auto in Empfang nehmen – fertig. Kein Blumenstrauss, kein Champagner. Klar, das klingt nicht nach Luxus, aber hey, die Abholpauschale hatte der Kunde eh selbst bezahlt. Und das Beste: Durch den Verzicht auf all den Schnickschnack spart nicht nur der Käufer, sondern auch Tesla – keine teuren Showrooms, keine unnötigen Kosten.
Plötzlich alles anders
Dann kam Corona. Und plötzlich wurde deutlich, wie schwerfällig das klassische Händlernetz in Krisenzeiten ist. Die Verkaufsräume blieben leer, und während Tesla seine Online-Verkäufe weiter hochfuhr, war vielen Herstellern erst mal nicht klar, wie es überhaupt weitergehen soll. Der Druck, neue Wege zu finden, stieg – und ein Begriff rückte in den Fokus: das Agenturmodell.
Der Moderne: Das Agenturmodell
Das Agenturmodell geistert schon eine Weile durch die Autobranche. Viele Hersteller sehen darin die Zukunft des Autoverkaufs. Aber was ist das eigentlich, und wie unterscheidet es sich vom klassischen Vertragshändler-Modell?
Kurz gesagt: Im Agenturmodell ist der Händler nicht mehr der Verkäufer, sondern nur noch Vermittler. Der Kaufvertrag läuft direkt zwischen Kunde und Hersteller. Der Händler übernimmt Beratung, Probefahrten, Übergaben und Service – also den persönlichen Part. Und dafür gibt’s eine Provision.
Für Händler hat das grosse Vorteile: Sie müssen keine Autos mehr auf eigene Rechnung kaufen, binden weniger Kapital und tragen kein Risiko für unverkaufte Lagerbestände. Auf der anderen Seite können sie keine Rabatte mehr selbst festlegen oder flexibel auf den Markt reagieren. Stattdessen bestimmt der Hersteller die Preise.
Mehr Transparenz
Für Kunden bedeutet das: Schluss mit stundenlangen Preisverhandlungen. Der Preis ist überall gleich, egal ob im Autohaus oder online. Das sorgt für Transparenz und spart Zeit.
Für den Händler bedeutet das: Keine Rabattschlachten mehr und kein ständiges Unterbieten der Konkurrenz. Stattdessen konzentrieren sie sich auf das, was sie gut können: Kunden beraten und Service bieten.
Harmonische Liebesbeziehung oder Beziehungskrise?
Auf dem Papier klingt das Agenturmodell wie eine Win-win-Situation: Kunden bekommen faire Preise, Händler sparen sich Lagerstress, und Hersteller behalten die Kontrolle. Aber in der Realität sieht das oft anders aus. Manchmal kommt es zu sogenannten „unechten“ Agenturmodellen. Hier verlangen Hersteller von ihren Händlern, dass diese vorgegebene Rabatte aus der eigenen Provision finanzieren. Auch Restwertrisiken oder die Kosten für die Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen bleiben manchmal an den Händlern hängen. Kein Wunder, dass das die Zusammenarbeit belastet.
Der Klassiker: Vertragshändler
Bevor das Agenturmodell in aller Munde ist, läuft der Fahrzeugvertrieb über Vertragshändler. Diese haben im Verkaufsprozess weitgehend freie Hand. Sie kaufen Autos direkt vom Hersteller, verkaufen sie auf eigene Rechnung und tragen dabei das volle wirtschaftliche Risiko.
Das Persönliche zählt
Das bringt Vor- und Nachteile mit sich. Einerseits können Händler ihre Preise flexibel gestalten und auf die lokale Nachfrage reagieren. Andererseits müssen sie ihre Bestände selbst finanzieren und tragen oft hohe Lagerkosten. Für Kunden ist das klassische Modell eher mühsam und undurchsichtig: Preise variieren stark, und wer einen guten Deal will, muss hartnäckig verhandeln. Am Ende bleibt dann immer die Frage, ob man wirklich einen fairen Preis bezahlt hat oder vom Verkäufer über den Tisch gezogen wurde. Aber Kunden profitieren auch von gezielten Rabattschlachten, bei denen Händler mit Sonderangeboten locken, um die Konkurrenz auszustechen.
Beim Händlermodell setzt man stark auf persönliche Beratung und langfristige Kundenbindung mit Serviceleistungen wie Wartung und Reparaturen. Das Servicegeschäft ist eine stabile Einnahmequelle und ein wichtiger Baustein für den Erfolg der Händler.
Fazit
Das klassische Vertragshändler-Modell funktioniert seit Jahrzehnten. Doch die Zeiten ändern sich. Digitalisierung und verändertes Kundenverhalten machen neue Ansätze notwendig. Das Agenturmodell ist ein vielversprechender Schritt in die Zukunft: Es schafft Transparenz für die Kunden, reduziert das Risiko für Händler und gibt den Herstellern mehr Kontrolle.
Allerdings hat auch das Agenturmodell seine Tücken. Wenn Hersteller versteckte Kosten oder Risiken auf die Händler abwälzen, wird es schnell unattraktiv. Ob das Modell langfristig alle glücklich macht? Das wird sich in den nächsten Jahren zeigen.
Text: GAT
Bilder: CC