Alfa Romeo Giulia QV – Immer noch heiss?
Die Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio ist schon seit 2016 auf dem Markt. Ihr Alter merkt man ihr auch an. Aber gehört sie deswegen auch schon zum alten Eisen, oder hat sie noch ihre Daseinsberechtigung? Test!
Als die Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio auf den Markt kam, hiess sie noch QV und musste sie sich mit dem BMW M3 F80 messen. Während der Bayer bereits mit dem Facelift der nachfolgenden Generation unterwegs ist, hat sich die Italienerin kaum verändert. Ein paar neue Lampen hier, ein bisschen mehr Leistung da, viel mehr ist bei der Überarbeitung 2023 nicht passiert. Ist sie vielleicht bloss zu eitel, um abzutreten? Oder gehört sie noch lange nicht zum alten Eisen? Das klärt unser Test!
So schön wie am ersten Tag
Wenig Sound, aber was für ein Motor!
Ein Druck auf den Startknopf lässt den 2,9-Liter-V6 erwachen, eher dieser in einen leicht schüttelnden Leerlauf verfällt. Drama, Baby! Aber nicht so viel, wie es sein könnte. Weder Motor noch Auspuff bellen beim Start auf, und Sound ist auch kaum zu vernehmen. Das ändert sich auch beim Losfahren nicht. Unser Testwagen hatte die sündhaft teure Akrapovic-Sportauspuffanlage nicht montiert und klingt seit dem Facelift deshalb etwas verhalten.
Der Alfa Romeo Junior musste seinen Namen tauschen
Im Normal-Modus könnte das auch eine Basis-Giulia sein, was im Alltag nicht ohne Vorteil ist. Das Fahrwerk ist überraschend nachgiebig, die Gangwechsel sind sanft. So lässt es sich sowohl durch die Stadt gondeln als auch stundenlang über die Autobahn pflügen. Teils ist die Automatik gar defensiv. Bei niedrigeren Geschwindigkeiten hält sie die Drehzahl so niedrig, dass man Angst hat, der Motor würge gleich ab.
Kein Knopf für die Auspuffklappen
Trotzdem ist gar kein Klang dann doch etwas wenig bei der Quadrifoglio. Eine separate Taste für die Auspuffklappen gibt es nicht, die öffnen sich erst im Dynamica-Modus. Davon, liebe Poser, sollte man im Stadtverkehr eher die Finger lassen. Die Gasannahme wird dann nämlich extrem spitz.
Mehr Gas, mehr Spass
Auf einem freien Stück Landstrasse, das Getriebe im Manuell-Modus, macht die Giulia Quadrifoglio dann richtig auf, ab 4000/min auch die Klappen. Gib ihr die Sporen, und sie gibt dir was zurück, und wie. An den göttlichen Schaltpaddeln zieht man viel öfter als eigentlich nötig. Dank perfekter Sitzposition fühlt man sich voll ins Geschehen eingebunden, kann das Auto mit der mitteilsamen Lenkung und der stabilen Vorderachse präzise platzieren, während das Fahrwerk genau das Mass an Bewegung zulässt, um der Quadrifoglio das Prädikat «spielerisch» zu verleihen.
Ein M3 ist direkter, noch präziser, und in letzter Konsequenz wahrscheinlich sportlicher. Die Giulia verlangt aber mehr vom Fahrer, hier ist mehr Bewegung drin – so wirkt sie nahbarer und echter. Was auch am Motor liegt, der erst unter Volllast seinen Charakter zur Schau stellt. Und: Mit echten 308 km/h zieht sie dem elektronisch gezügelten Bayer davon.
Verbrauch streut nach oben und unten
Und seinen Durst. Zügig gefahren, genehmigt sich der V6 schon mal 15 Liter und mehr im Schnitt. Über die gesamte Testdistanz waren es dann 9,7 l/100 km, was für einen 520-PS-Sportwagen dann wiederum sehr gut ist. Man muss sich nur zügeln.
Günstiger als ein BMW M3
Zum Abschluss ein Blick in die Preisliste. Ab 105'900 Franken kostet die Giulia Quadrifoglio, inklusive fünf Jahren Garantie. Für 10'000 Franken Aufpreis gäbe es noch eine Akrapovic-Sportauspuffanlage und ein Dach in Sicht-Karbon. Mit 133'900 Franken erkauft man sich dann die Competizione-Version, die noch Keramikbremse und Integralsportsitze mit Mikrofaserbezügen drauflegt. Bis auf verschiedene Lackierungen ist bei der Giulia ansonsten alles inklusive. Zum Vergleich: Ein BMW M3 Competition mit Automatik kostet ab 123'900 Franken, und die Aufpreisliste beim Bayer ist lang.
Um also zur Ausgangsfrage zurückzukommen: Nein, die Giulia QV gehört noch nicht zum alten Eisen. Wem Fahrgefühl und Involviertheit im richtigen Moment wichtiger sind als ein lauter Auspuff in der Innenstadt, für den ist die Giulia eine gute Wahl. Ein echtes Fahrerauto eben. Man muss nur mit dem Infotainment klarkommen: Klein, langsam, pixelig, unlogisch aufgebaut und teils seltsam übersetzt. Da merkt man der Giulia ihr Alter dann doch an, auch das serienmässige Digitalcockpit hilft nicht viel weiter. Aber das verbuchen wir unter Charakter.
Die Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio ist auch nach acht Jahren noch ein Garant für Fahrspass und bewundernde Blicke. Nichts für Liebhaber neuester digitaler Technik, aber noch lange kein Fall fürs Altenteil.
Technische Daten Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio (2024)
Motor: Biturbo-V6-Benziner
Hubraum: 2891 cm3
Leistung, Drehmoment: 382 kW/520 PS, 600 Nm
Antrieb, Getriebe: Hinterrad, Achtgang-Automatik
Beschleunigung 0–100 km/h: 3,9 s
Höchsttempo: 308 km/h
Verbrauch (WLTP): 10,6 l/100 km
Verbrauch (Test): 9,7 l/100 km
CO2-Ausstoss: 237 g/km
Bremsen: Scheibenbremsen rundum
Reifen (v., h.): 245/35 R19, 285/30 R19
Leergewicht: 1735 kg
Zuladung: 415 kg
Abmessungen L/B/H: 4639/1874/1433 mm
Radstand: 2820 mm
Kofferraumvolumen: 480 l
Preis/Verfügbarkeit (Schweiz): ab 105'900 Franken
Preis (Testwagen): 105'900 Franken
Text: Moritz Doka
Bilder: Kim Hüppin