Test

Bentley Continental GTC Speed - Weh 12

Nur noch ein Jahr wird Bentley seinen famosen Biturbo-Zwölfzylinder bauen. Höchste Zeit also für eine Abschiedstour. Wie ginge das besser als im offenen, knallpinken GTC Speed.

Veröffentlicht am 22.07.2023

Geben Sie es zu. Es hat keine Sekunde gedauert, bis Sie sich über diesen knallpinken Bentley eine Meinung gebildet haben, oder? Ein solches Auto lässt niemanden kalt. Doch ob Sie es glauben oder nicht: Die Farbe spielt hier nur die zweite Geige. Es geht um den Motor. Vor exakt 20 Jahren hatte der Sechsliter-W12 seinen ersten Auftritt im damals neuen Continental, schaffte es später auch zu Audi und VW. Nun hat sein Totenglöckchen geläutet, im April 2024 wird die Produktion eingestellt. Elektromobilität und so. Lassen Sie uns diesen Inbegriff von Überfluss also noch einmal gebührend feiern.

Pink und plüschig

Am besten geht das naturgemäss im Top-Cabrio GTC Speed. Aber nicht ohne zuvor doch noch einmal auf den magentafarbenen Elefanten im Raum zurückzukommen. Man kann über so viel Wagemut bei der Farbwahl den Kopf schütteln. Wir sagen nur zwei Dinge. Erstens: Wenn ein Auto so einen Lack tragen darf, dann dieses. Zweitens: Warten Sie, bis Sie den Innenraum gesehen haben. Denn der treibt das Thema «Kens Dienstwagen» auf die Spitze. Vom Leder über Mikrofaser bis hin zu den hochflorigen Teppichen erstrahlt das komplette Cockpit in verschiedenen Lilatönen. Dazu Aluminium und Carbon. Wir finden es – pardon – so richtig geil!


Ob es einem gefällt oder nicht, das Farbthema hat Bentley bei diesem Continental GTC Speed jedenfalls komplett durchgezogen.

Zumal der Conti dies alles mit viel innerer Würde trägt und gleichzeitig die volle Ladung Bentley liefert. Es sind nicht nur die herausragend verarbeiteten, feinsten Materialien. Es ist auch diese Liebe zum Detail. Egal ob das satte Einrasten der Blinkerhebel, das laute Klicken der Lautstärkeregler, die nach fester Hand verlangenden Regler der Lüftungsdüsen oder die geriffelte Rückseite der metallenen Türgriffe. Handwerkskunst im hintersten Winkel.

Wie ein guter Butler

Ein Mass an Exzentrik, das der Motor vor der Peinlichkeit bewahrt. Der brodelnde und laute V8 wäre Effekthascherei, der W12 zeugt von Geschmack und Savoir-vivre. Sein Klang ist satt, aber nicht vulgär. Seine Kraft immer und überall vorhanden. Mit der ganz grossen Kelle schöpft er aus dem Drehmomenttopf und schiebt das höllenschwere Cabrio bei jedweder Drehzahl mühelos an. Unaufdringlich stets zur Stelle, wie ein guter Butler. So muss man das «Speed» im Namen auch verstehen. Schier unerschöpfliche Kraftreserven, Geschwindigkeit immer und überall. Zumindest fast.


Unter etwas Metall und viel Plastik versteckt sich eines der grossartigsten Triebwerke der Neuzeit.

Den Sportmodus kann man mal probieren, die leicht angestraffte Auslegung von Fahrwerk und Getriebe macht Passstrassen aber auch nicht zum Lieblingsterrain des Speed. Am besten lässt man ihn im Bentley-Modus einfach machen. Auf Autobahnen und sanft geschwungenen Landstrassen ist er zu Hause. Man selbst gebettet in die unerreicht bequemen Sitze, die Ohren massiert vom Säuseln aus den Endrohren, der Haaransatz gekrault vom sanften Fahrtwind.


Während des Testzeitraums von einer Woche schien kein einziges Mal die Sonne. Macht nichts, dieser Conti strahlt für zwei.

Wenn man die rosa Brille mal kurz abnimmt, könnte man ein paar Dinge kritisieren. Die Bremse dürfte bei niedrigen Geschwindigkeiten feinfühliger reagieren. Im Comfort-Modus ist das Fahrwerk etwas zu schaukelig und ein Automatikgetriebe würde wohl noch einen Hauch geschliffener agieren als die Doppelkupplung. Aber über solcherlei Dinge muss man sich wohl nur aufhalten, wenn man sich ein Auto wie dieses nicht leisten kann. In diesem Sinne: Es war ein Fest mit dir, W12! Der Abschied wird schmerzen. (Einer von 16: Abschiedstour im Bentley Batur!)

Fazit

Um den W12 zu verabschieden – und auch sonst –, gibt es nicht viel Besseres als einen Bentley Continental GTC Speed. Ein Auto wie ein warmes Kaminfeuer.

Technische Daten Bentley Continental GTC Speed

Biturbo-W12, 5950 cm3, 485 kW/ 659 PS bei 5500–6000/min, 900 Nm bei 1500–5000/min, 8-Gang-Doppelkupplung, Allradantrieb, 0–100 km/h: 3,7 s, Spitze: 335 km/h, Norm: 14 l/100 km, 317 g/km CO2, Effizienz: G, Test: 15,8 l/100 km, Reifen: v. 275/35 ZR22, h. 315/30 ZR22, Leergewicht: 2436 kg, Zuladung: 429 kg, L/B/H: 4850/1964/1399 mm, Kofferraum: 235 l, Preis: ab 310 600 Franken

Text: Moritz Doka
Bilder: Markus Kunz

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