Millionenverluste, hohe Lagerbestände

KTM in der Krise: Wie weiter?

Verstummen die Motoren bei Europas grösstem Motorradhersteller? KTM plagen massive Zündaussetzer, der Motor könnte bald ganz ausgehen. Man kämpft gegen die Insolvenz, ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung soll das Überleben der Marke sicherstellen.

Veröffentlicht am 28.11.2024

KTM steht mit Millionenverlusten, hohen Lagerbeständen und gefährlichem Übergewicht bei Prestige-Projekten vor der grössten Herausforderung seiner Firmengeschichte. Wie kann das Unternehmen die Kurve noch kriegen?

Um eine Insolvenz zu verhindern, hat die Dachmarke Pierer Industrie AG ein europäisches Restrukturierungsverfahren nach der EU-Richtlinie eingeleitet. Ziel ist es, die Rückzahlung von Anleihen und Krediten über 250 Millionen Euro zu verlängern. Ein gerichtliches Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung soll beantragt werden. Dieses setzt allerdings voraus, dass die Gläubiger diesen Sanierungsplan zustimmen. Es erfordert ein überzeugendes und tragfähiges Konzept, wie man wieder aus der Krise kommen will. Und genau das stellt KTM aktuell vor grosse Probleme.

Wie konnte der Hersteller aus Mattighofen derart ins Schlingern geraten? Vereinfacht gesagt, eine Kombination aus strategischen, operativen und wirtschaftlichen Faktoren.

Überambitioniertes Wachstum

KTM hat in den letzten Jahrzehnten aggressiv expandiert und ist zu Europas grösstem Motorradhersteller mutiert. Ein solches Wachstum ist mit erheblichen Investitionen verbunden. Neue Modelle, Technologien, Produktionskapazitäten und Motorsportprogramme wie die MotoGP sind kapitalintensiv und riskant, sollte sich der Markt mal abkühlen.

Ein besonderes Beispiel ist der KTM X-Bow. Das «Motorrad auf vier Rädern» wurde als strassentaugliches Trackday-Spass-Mobil konzipiert. Doch man entwickelte das Auto immer stärker zu einem reinrassigen Rennwagen mit über 600 PS Leistung und 300 km/h Spitzengeschwindigkeit. Um sich damit in der GT2-Liga mit Porsche, Lamborghini und Co. zu messen, stehen die dafür notwendigen Investitionen nicht im Verhältnis mit dem Absatz des Nischenprodukts.

Marktsättigung

Gerade der Motorradmarkt in Europa und den USA zeigte bereits vor Jahren Anzeichen von Sättigung. Dafür hätte man auch in Mattighofen die Zulassungszahlen genauer studieren und besser interpretieren müssen. Die Folge sind nun hohe Lagerbestände unverkaufter Fahrzeuge, was zu einer gefährlichen Abwärtsspirale führen kann. Unverkaufte Bestände binden Kapital und erzwingen Rabatte, die Margen sinken deutlich.

Abhängigkeit von Premium-Modellen

KTM hat sich auf leistungsstarke, teure Motorräder spezialisiert, insbesondere in den Segmenten Enduro, Supermoto und Naked Bikes. Diese Nischenmärkte sind anfällig für konjunkturelle Schwankungen, da Kunden in wirtschaftlich schwierigen Zeiten seltener hochpreisige Freizeitfahrzeuge kaufen.

Hohes Engagement im Motorsport

Das Engagement in der MotoGP und anderen Rennserien ist ein Prestigeprojekt, das hohe Kosten verursacht. Solche Programme sind langfristig profitabel, wenn sie den Absatz steigern, aber in Krisenzeiten schwer zu rechtfertigen sind, wenn die Basisfinanzierung fehlt. Trotz der finanziellen Probleme soll das MotoGP-Engagement fortgeführt werden. Man schätzt die Ausgaben auf rund 70 Millionen Euro jährlich!

Der Sanierungsplan

Das Sanierungsverfahren ist für KTM ein entscheidender Schritt, um die Marke durch die schwierige Phase zu bringen. Dennoch bleibt ungewiss, ob der angestrebte Kurs ohne gravierende Einschnitte und eine grundlegende Neuausrichtung erfolgreich sein kann. Eine umfassende „Redimensionierung der Gruppe“ steht an. Die Lagerbestände sollen abgebaut und die Produktion in Oberösterreich in den kommenden zwei Jahren um bis zu eine Milliarde Euro entschlackt werden. Das Geschäftsjahr 2024 wird mit einem Verlust im hohen dreistelligen Millionenbereich belasten. Eine deutliche Verkleinerung des Unternehmens oder eine Verlagerung der Produktion nach Asien gehören zu den wahrscheinlichsten Sanierungslösungen.

Kampf um ein Lebenswerk

KTM-CEO Stefan Pierer bleibt trotz der Schwierigkeiten kämpferisch: „Die Marke KTM ist mein Lebenswerk, und dafür kämpfe ich.“ Er sieht die Restrukturierung als eine Chance, KTM neu aufzustellen und betont, dass die Hauptaktionäre hinter KTM stehen und die Marke gestärkt aus der Krise hervorgehen soll. Spekulationen über eine mögliche Unterstützung durch den österreichischen Grosskonzern Red Bull wurden dementiert.

Text: GAT 

Bilder: KTM

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