

Maserati GT2 - Dreizack auf Speed
Der Zusatz «Stradale» steht für die zivile Version des GT2, den Maserati für den Renneinsatz entwickelt und bereits erfolgreich eingesetzt hat. Was der Ableger mit Strassenzulassung kann, konnten wir jetzt auf den kurvigen Landstrassen und auf der Rennstrecke im spanischen Costa del Sol endlich testen.
Ein Maserati so gut wie ein Porsche? Auf der Rennstrecke? Das ist doch gar nicht möglich. Doch ist es, und das ist auch das Fazit unserer ersten Ausfahrt im GT2 Stradale. Aber alles der Reihe nach. Schon im vergangenen Sommer wurde das Modell ja vorgestellt, in der letzten ai-Ausgabe (01/2025) war es der grosse Star unseres Maserati-Specials. Jetzt konnten wir den Strassenrenner endlich ausprobieren. Und wir waren begeistert.
Unser Tipp an Gutbetuchte: Wenn Sie sich beim 911er für den GT3 entscheiden würden, holen Sie sich doch auch gleich noch einen GT2 Stradale. Zwar ist der MC20, gewissermassen das Basismodell, schon eine Nummer für sich. Und wenn man bedenkt, dass die «Versportlichung» beim GT2 Stradale, zumindest auf Papier, eher subtil ausfällt – nur 10 PS mehr, ein paar Kilo weniger Gewicht und eine etwas bessere Aerodynamik – scheint er beinahe überflüssig.
Aber erstens geht es bei Italienern oft nicht nur um Zahlen, Sekunden, Newtonmeter, Kilos und Pferdestärken – ein schöner Name, berauschendes Design und eine stimmige Farbkombination sind da genauso wichtig. Und zweitens ist der GT2 Stradale aus jeder Perspektive ein starkes Stück. Nicht nur, dass er zum Anbeissen sexy aussieht, er fährt sich auch so. Den Designern ist es bei dem Wagen gelungen, aerodynamische Funktionalität mit einem sehr ansprechenden Look zu kombinieren.
Aerodynamik im Plus
Viele Komponenten stammen beim GT2 Stradale direkt aus dem Rennsport, so zum Beispiel das Fahrwerk, die Lenkung oder das aus Karbon-Komposit gefertigte Monocoque. Kein Wunder: Er ist ja auch der strassenzugelassene Ableger des 2022 vorgestellten GT2-Rennwagens. Das Nettuno-V6-Triebwerk kennt man bereits aus anderen Maserati-Modellen, aus den drei Litern Hubraum quetschen die Italiener hier 471 kW/640 PS und 720 Nm heraus. Die Verbrauchs- sowie Abgas- und Lärmwerte gehören laut Maserati zu den Klassenbesten. Das lassen wir doch einfach mal so stehen.
Die Aerodynamik wurde beim GT2 sehr stark überarbeitet. Neuer Splitter zieren die Frontpartie des Wagens und sind zusammen mit den Öffnungen in der Haube für die Erhöhung des Anpressdrucks zuständig. Für die verbesserte Bremskühlung sind neue Luftkanäle am oberen Ende der Radkästen integriert. Hinten gibt es im Vergleich mit dem MC20 sichtbarere Veränderungen: Zum einen kommt eine erhöhte Motorhaube zum Einsatz, die in erster Linie dazu da ist, die Hitze vom Motor wegzuleiten. Die Lufteinlässe für die hinteren Bremsen und für die Turbos wurden deutlich vergrössert. Über dem Ganzen thront ein gigantischer verstellbarer Spoiler aus Karbon. Sozusagen als Krönung der Show, die aber viel mehr als nur Show ist: Bei Tempo 280 km/h erzeugen alle aerodynamischen Massnahmen zusammen einen Anpressdruck von über 500 Kilogramm.
Gewicht im Minus
Gewichtsersparnis spielte bei der Entwicklung des Wagens eine genauso wichtige Rolle wie die Aerodynamik. So kommt in der Aussenhülle wesentlich mehr Karbon zum Einsatz als beim MC20. Die vordere Haube sowie die Stossfänger vorne und hinten werden allesamt aus dem leichten Komposit gefertigt. Im Innenraum wurden viele Verkleidungen entweder gänzlich wegradiert oder durch jene aus Kohlefaser ersetzt. Hier und da blicken nackte Karbonteile heraus oder gar offen liegende Kabelleitungen. Ist das noch schön? Wir finden, ja: Keiner versteht es, solche Elemente besser in das Gesamtkonzept des Interieurs zu integrieren als Maserati. Hier scheint es am richtigen Platz, als Zutaten des Industrial-Design-Looks: schick, modisch, modern. Mehr als 60 Kilo wurden durch die Karbon-Gewichtskur beim GT2 Stradale weggespart, eine solide Leistung. Aber ein nicht ganz unwichtiger Hinweis: Viele dieser Karbonteile gibt es nur gegen Aufpreis ...
Ab auf den Rundkurs
Geschwindigkeitsfanatiker werden sich zu Recht fragen, ob das alles den Wagen schneller macht. Das kann man im Falle eines Sportlers am besten auf einer Rennstrecke verifizieren. Auf dem berühmten Ascari-Rundkurs im spanischen Malaga hatten wir als erste Journalisten die passende Gelegenheit dazu. Dass der strassenzugelassene Bruder des GT2, der 2024 in der GT2 European Series den ersten Platz in der Gesamtwertung abgeräumt hat, hier eine überzeugende Leistung auf der Rennstrecke hinzaubern würde, haben wir bei dem Anblick des Wagens erwartet – und wir wurden nicht enttäuscht.
Die lange und knifflige Ascari-Strecke verlangt dem Fahrer und dem Auto allerdings einiges ab. Der GT2 Stradale schlägt sich wacker. In den langsamen Kurven signalisiert die etwas leichtgängige Lenkung sportwagentypisch, dass der Anpressdruck erst bei höheren Tempi abrufbar ist. Den noch fehlenden aerodynamischen Grip kompensiert der Wagen aber gekonnt mit dem mechanischen. Bereits ab Tempo 120 steht ihm dann ausreichend Anpressdruck zur Verfügung, sodass die langen und die schnellen Kurven richtig gut gelingen.
Auf Augenhöhe
Die sportliche Lenkung ist für die millimetergenaue Positionierung des Wagens auf der Ideallinie zuständig. Geschaltet wird mit Schaltwippen am Lenkrad. Ausgezeichnet sind die karbon-keramischen Bremsen (auch die kosten allerdings Aufpreis ...). Sie lassen selbst nach mehreren Runden Dauereinsatz kein bisschen nach, und der Bremsdruck lässt sich sehr genau dosieren. Die Traktionsreserven der Reifen lotet die Elektronik optimal aus. Sie verfügt über die vier Modi WET, GT, SPORT und CORSA. Das Triebwerk hat in jeder Lebenslage mehr als ausreichend Kraftreserven, auch beim Tempo von weit über 160 km/h sorgt ein Tritt aufs Gaspedal für einen spürbaren Schub. Das Überholen auf der Landstrasse gehört in diesem Wagen zu den schöneren Dingen des Lebens.
Erst vor wenigen Wochen durften wir den neuen Porsche 911 GT3 auf einer Rennstrecke fahren (s. ai 01/2025), wir können ihn also hier als eine Art Messlatte heranziehen. Besser als der Zuffenhausener ist der GT2 Stradale nicht, er ist aber auch definitiv nicht schlechter. Die Wahl zwischen Stuttgart und Modena war noch nie so schwierig. Vielleicht entscheidet am Ende doch der Preis? Das Eintrittsticket in diese ultrasportliche Maserati-Welt kostet ohne Zusatzausstattung 330 000 Franken, das sind rund 100 Riesen mehr als beim GT3. Dafür ist der Italiener auf 914 Exemplare limitiert – und damit nochmals eine ganze Stange exklusiver.
Text: Serge Schilov
Bilder: Maserati