Offene Problembeziehung auf britisch
Der Jaguar E-Type ist längst ein fester Bestandteil der Automobilgeschichte. Nicht nur, dass er als eines der schönsten Autos aller Zeiten gilt, das Auto hatte durchaus auch eine sehr konkurrenzfähige Dynamik. Wir blicken zurück auf einen 1966er Roadster der Serie 1 1/2 mit dem 4.2 Liter grossen Reihensechser.
Es muss nicht immer ein Ferrari sein, wenn man vom schönsten aller Klassiksportwagen spricht. Es war aber eben genau Enzo Ferrari, welcher, zumindest dem Mythos entsprechend, gesagt haben soll, dass der E-Type das schönste Auto aller Zeiten sei. Nun, Schönheit liegt im Auge des Betrachters und bei manchen Designexzessen gehen die Meinungen genau so weit auseinander, wie bei Ketchup auf Rösti. Beim E-Type jedoch wird sich die Mehrheit der Betrachter einig sein, das Auto ist, vermutlich für alle Ewigkeit, zeitlos schön. Doch Schönes ist auch oft mit Kompromissen verbunden, die Funktion hinkt der Form hinterher, wie bei der schicken Küchenmaschine aus dem Designstudio, welche in keinen Schrank hineinpasst ohne dass man irgendwas sägen muss.
Im Gegenteil; hier haben sich Designer komplett verirrt!
Lange Haube, kurzes Heck. Perfekte Proportionen.
Der E-Type war in vielerlei Hinsicht ein Glücksgriff der Entwickler. Nicht nur, dass die Optik mehr als gefällig ausgefallen war, auch die Technik spielte dem Auto in die Karten. Und gerade in der Serie 1 1/2, also jener kleinen Zwischenentwicklung zu der Serie 2, spendierte man dem Briten ein pflegeleichteres Getriebe und noch eine kleine Hubraumerweiterung von 3.8 auf 4.2 Liter. Das brachte zwar nur minime Zusatz-PS, aber dafür dringend notwendiges Drehmoment im Keller. Und fertig war das Auto, welches seiner damals noch überschaubaren Konkurrenz gegen den Horizont entfleucht ist. Wer jetzt, so wie ich damals vor der allerersten Fahrt auch denkt; "Altes Auto, Leistung sowieso geschummelt, miserable Fahrbarkeit, aber wenigstens hübsch.", der wird eines Besseren belehrt.
Auf und davon!
Und belehrt ist das richtige Wort, der E-Type Roadster erteilt mir erstmal eine gehörige Lektion in Sachen Ingenieurskunst der 60er Jahre. Nicht nur, dass der seidenfeine Reihensechszylinder eine hervorragende Form der Leistungsentfaltung liefert, auch die Akustik jener Maschine, welche ihre Verbrennungsgeräusche ca. 1.5m hinter meinem Kopf in Stereo in die Atmosphäre mündet, flutet meinen Schädel mit Suchthormonen. Dass dabei auch noch die Lenkung und das zackig zu schaltende Vierganggetriebe einen durchaus modernen Eindruck hinterlassen, lässt mir in Summe den Kiefer in den Schoss klappen. Und obwohl die Traktion an der Hinterachse, bedingt durch die angestaubte Reifentechnik, nicht unbedingt überragend ist, empfinde ich dieses Manko hier als Plus. Der fein dosierbare Sauger lässt sich so nicht nur dynamisch, sondern fast schon kindisch und spielend leicht in, um und aus den Ecken speditieren. Wenn man dosiertes Rutschen mag. Auweia, der Habenwollenreflex hat mir schon auf die Combox gesprochen, er möchte dringend zurückgerufen werden.
Sitze, Lenkrad, Schaltknauf. Mehr benötigt der Jaguar nicht um Spass zu fabrizieren.
Ich versuche mir das Auto auszureden, das Ding hat ja innen absolut keinen Platz, im Kofferabteil schwebt der Geruch von Benzin und auch sonst ist der Nutzwert eines E-Type Roadsters so überschaubar wie dieses wunderschöne Cockpit in Leder, Teppich, Metall und Glas. Und dann erst dieses edle, gelochte Metalllenkrad mit dem filigranen Holzkranz. Moment, Ausreden geht irgendwie anders. So wird das nix. Und der Habenwollenreflex hat mir grad noch eine E-Mail geschrieben. Eines mit rotem Ausrufezeichen. Der Roadster selbst ist mir auch insofern keine Hilfe, als er sich im Fotostudio ins Licht hineinräkelt. Und damit in die Dachzimmerwohnung in meinem Hirn einzieht und sich erstmal ein Sandwich macht. Tamminamol.
Aber, ich finde Abhilfe, indem ich mich über die Preisgestaltung des Autos schlau mache. Und es tut ein wenig weh wenn man sieht, wohin die beschwerliche Reise meines Bankkontos gehen würde, würde ich den Krater in demselben mit einem E-Type Roadster füllen wollen. Für gut restaurierte und vor allem dokumentierte Exemplare steht da auch schon mal eine zwei mit fünf weiteren Ziffern dahinter. Und nein, es wird mir nicht viel bringen, wenn ich frage, ob da noch etwas am Preis zu machen sei. Der Verkäufer wird bestenfalls noch die eine oder andere Null in Wagenfarbe ausmalen.
Text & Bilder: Markus Kunz