Nationalrat Albert Rösti

Ein Bauer als Chef der Auto-Importeure?

Am 17. Mai 2022 wurde erstmals ein Politiker zum Präsidenten der Vereinigung Schweizer Auto-Importeure auto-schweiz gewählt. Im Interview mit der Auto Illustrierten spricht der SVP-Nationalrat über Bestandsschutz für Verbrenner und die ausbaubedürftige Elektroladeinfrastruktur.

Veröffentlicht am 05.09.2022

Die bisherigen Präsidenten von auto-schweiz stammten jeweils aus den eigenen Reihen und direkt aus der Autobranche. Seit dem 17. Mai 2022 hat mir Albert Rösti jetzt zum ersten Mal ein Politiker das Amt inne. Aber ausgerechnet ein studierter Agronom und Vollblutpolitiker? Wir trafen Albert Rösti zu einem Gespräch.

Auto Illustrierte: Als Bauernsohn und studierter Agronom mag das neue Mandat etwas fern vom Auto erscheinen. Was verbindet Sie mit dem Auto?

Albert Rösti: Sehr viel verbindet mich mit dem Auto, und ich bin ein leidenschaftlicher Autofahrer. Ich bin in Kandersteg aufgewachsen und habe bis als 30-Jähriger dort gelebt. In ländlichen Regionen wäre eine berufliche Tätigkeit, wie ich sie ausübe, ohne Auto nicht machbar. Zudem war ich im Militär Motorfahrer und habe auf Saurer Lastwagen, zuerst einem zwei DM gelernt und bin anschliessend auf dem damals hochmodernen 8/10 DM gefahren. Schliesslich bin ich während dem Parteipräsidium jährlich rund 40 000 Kilometer gefahren, und das immer gerne und mit Freude.

AI: Als langjähriger ehemaliger Direktor der Schweizer Milchproduzenten SMP haben Sie grosse Erfahrung in der operativen Leitung eines nationalen Verbands. Gibt es Parallelen zwischen dem SMP und auto-schweiz?

AR: Absolut, ausser in den Sachthemen. Ein Verband aber hat grundsätzlich immer dieselben Aufgaben, nämlich den Mitgliedern einen unmittelbaren Nutzen zu bieten und entsprechende Dienstleistungen zu erbringen. Das Management eines Verbands ist ein Handwerk wie jedes andere auch. Wichtige Aufgabe der Verbandsleitung ist aber, die Interessen der Mitglieder an einer breiten Front weitsichtig zu vertreten und mit allen möglichen Mitteln und auf allen Kanälen auf die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen Einfluss zu nehmen. Insbesondere das dürfte auch der Grund sein, weshalb für die Neubesetzung des Amtes ausserhalb der eigenen Reihen gesucht wurde.

AI: Als vielbeschäftigter Vollblut-Politiker mit einigen Verbandsmandaten – bleibt da ausreichend Zeit für das Präsidium von auto-schweiz?

AR: Wesentlicher Unterschied ist, dass mein Vorgänger François Launaz mit einem 80-Prozent-Pensum im Amt war, mein Mandat umfasst lediglich ein 30-Prozent-Pensum. Aber meine Mandate sind fliessend und werden nicht stundenmässig abgegrenzt. Insbesondere die politische Nähe als Mitglied der nationalrätlichen Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) sowie die Verbandstätigkeiten als Präsident des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes (SWV) sowie jenes beim Verband Stahl-, Metall und Papier-Recycling Schweiz (VSMR) bergen gegenseitig sinnvolle Synergien. Wichtig aber ist, dass ausreichend Zeit gegeben ist, die Mandate kompatibel und nicht inhaltlich widersprüchlich sind. Dies veranlasste mich mitunter auch dazu, jenes Mandat bei Swissoil, dem Dachverband der Brennstoffhändler in der Schweiz, abzugeben. Insofern: Ja, ich habe genügend Zeit, um mich als Präsident von auto-schweiz zu engagieren.

AI: Was war Ihre Motivation zur Übernahme dieser Tätigkeit bei auto-schweiz?

AR: Die Mobilität der Schweiz steht vor der grössten Herausforderung seit der Einführung des Automobils. Nebst den verbandspolitischen Interessen bin ich motiviert, mich im Rahmen meiner politischen Tätigkeit für die Aufrechterhaltung der freien Mobilität einzusetzen. Einerseits hinsichtlich der Bedürfnisse nach flexibler Mobilität, sei es gewerblich und beruflich, aber auch bezüglich des Individualverhaltens der Menschen in der Freizeit. Andererseits angesichts der prognostizierten und zu erwartenden demografischen Entwicklung der Schweiz Richtung zehn Millionen Einwohner – damit das Land nicht im Verkehrschaos versinkt. Die derzeitige Stausituation stellt grösste Herausforderungen an die Politik hinsichtlich der Bereitstellung der Verkehrsinfrastruktur. Die energiepolitischen Herausforderungen für den geplanten Ausstieg und den Weggang von fossilen Brennstoffen bilden sicher einen grossen Teil meiner Motivation für dieses Amt.

Albert Rösti, Jahrgang 1967, ist in Kandersteg aufgewachsen, verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Er ist Doktor der technischen Wissenschaften und diplomierter Agrar-Ingenieur der ETH Zürich. Seit 2011 ist er SVP-Nationalrat für den Kanton Bern. Er setzt sich für die Verkehrs- und Lade-Infrastruktur ein und ist für die Weiterentwicklung alternativer Technologien.

AI: Andere Medien machen das Interview nach 100 Tagen im Amt, wir heute exakt nach 30 Tagen nach Ihrer Wahl. Was konnten Sie in den ersten 30 Tagen bereits machen und bewegen?

AR: Es kam schon einiges zusammen, aber das entspricht vielleicht auch dem heutigen Tempo in der Politik. Bereits am ersten Tag nach meiner Wahl konnte ich am Swiss Economic Forum an einem Podium teilnehmen und zum Thema der Entwicklung im ländlichen beziehungsweise städtischen Raum meine politischen Inputs geben. Viel wichtiger und bedeutender für die Autobranche aber ist die gestern, am 16. Juni, eingereichte überparteiliche Interpellation «Ladeinfrastruktur und Stromproduktion für die Elektromobilität» (Nr. 22.3703) an den Bundesrat im Zusammenhang mit dem Entscheid des EU-Parlaments vom 8. Juni 2022 zum Zulassungsverbot von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren per 2035 und den dringlichen Fragen zur Umsetzung der «Roadmap Elektromobilität 2025». Parallel dazu finden laufend Gespräche mit einzelnen Vorstands- und Verbandsmitgliedern von auto-schweiz statt. Das heisst, gegenseitiges Kennenlernen und den Puls an der Verbandsbasis spüren und deren Bedürfnisse an den Präsidenten einholen.

AI: Wie einschneidend ist dieser Entscheid aus Brüssel für die Schweiz, und wie gedenken Sie sich, dagegen zu wehren?

AR: Klar ist, die Autoindustrie hat und wird sich getreu den politischen Entscheiden in Brüssel ausrichten. Und die Schweiz wird nach dem Diktat der EU keine anderen Fahrzeuge mehr bekommen, da sie selbst keine herstellt. Für uns heisst das klar: Vorwärtsmachen mit der Elektro-Infrastruktur! Denn gegenseitig wurden die Ziele von 20 000 Ladestationen bis ins Jahr 2025 unterschrieben und ratifiziert. Derzeit besteht mit knapp 7000 Stationen gerade einmal ein Drittel davon. Bei einem theoretisch sinnvollen Einsatz von zehn Autos pro Ladestation sind das natürlich deutlich zu wenig. Und letztlich ist es die Aufgabe des Staates, die Infrastruktur dazu rechtzeitig zur Verfügung zu stellen. Ein grosses Risiko besteht darin, dass die Nutzer jetzt mit Hochdruck darauf vorbereitet werden, auf Elektromobilität umzusteigen, dies auch tun auf die Gefahr hin, dass nachgelagert die Ladeinfrastruktur hinterherhinkt. Deshalb auch der Druck auf die Roadmap und die Umsetzungspläne.

AI: Würden Lenkungs- oder Förderungsmassnahmen Ihrer Meinung nach zur rascheren Durchsetzung und Zielerreichung helfen?

AR: Nein! Ich bin gegen Lenkungsmassnahmen jeglicher Art. Und das Volk offenbar auch, wie das ja die Ablehnung des CO2-Gesetzes gezeigt hat. Im Gegenteil, wenn es gelingt, die staatlichen Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die Infrastruktur rechtzeitig ausgebaut wird, dann passiert der Wandel zur E-Mobilität automatisch. Und natürlich benötigt es eine übergeordnete Förderung der Energieproduktion, dass möglichst rasch möglichst viel Strom produziert werden kann. Dafür muss die Politik regulatorische und finanzielle Fördermassnahmen sehr zeitnah einleiten und durchsetzen.

AI: Wird sich auto-schweiz für einen Bestandsschutz für Verbrenner einsetzen?

AR: Nein, nicht direkt! auto-schweiz wird sich für Technologieneutralität einsetzen. Letztlich werden die Hersteller bestimmen, was am Markt gefragt sein wird ... auto-schweiz wird dazu für gute politische Rahmenbedingungen kämpfen und sich sicher gegen Technologieverbote wehren, denn diese führen zwangsläufig zu Falschentwicklungen und zu fehlender Weiterentwicklung bestehender Technologien (z. B. Synfuel).

AI: Die Ereignisse überschlagen sich ja auch geopolitisch und haben einen enormen Einfluss auf die Ressourcen. Worin sehen Sie die grössten Gefahren in unmittelbarer Zukunft?

AR: Tatsächlich ist es das Energiedefizit und die damit verbundene Abhängigkeit vom Ausland. Ein realistisches Szenario könnte sein: kein Gas mehr aus Russland, der Ausfall eines KKWs und eine Kälteperiode. Das könnte durchaus bedeuten, dass der Strombezug rationiert werden müsste. Umso mehr die dringende Forderung, die Stromproduktion sofort anzugehen.

AI: Vielen Dank für das interessante Gespräch. Wir gratulieren auto-schweiz zur Wahl des engagierten Präsidenten und wünschen Ihnen für Ihre Tätigkeit viel Ausdauer, Durchsetzungsvermögen und weiterhin viel Erfolg. Danke!

Das Interview führte Auto Illustrierte-Verleger Markus Mehr

Anmerkung der Redaktion: Das Gespräch fand am 16. Juni 2022 am Hauptsitz von auto-schweiz in Bern statt. Zwischenzeitlich haben sich die geopolitische Lage und auch die energieversorgliche Lage stark verändert. Wir bitten die Leser, dies zu berücksichtigen.

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