Robin Road

Unfall mit Youngtimer – Totalschaden oder nicht?

Josef fährt einen Alfa Romeo 155 V6. Unverschuldet wird er in einen Unfall verwickelt. Die Versicherung spricht von einem Totalschaden und will nicht zahlen. Kann Josef seinen geliebten Youngtimer doch noch retten? Robin Road weiss Bescheid.

Veröffentlicht am 22.06.2022

Josef fährt gerne schnelle alte Autos, nicht nur Oldtimer, sondern auch «nur etwas in die Jahre gekommene» Modelle. Aktuell nennt er einen Alfa Romeo 155 V6 sein Eigen. Wie einst sein Vorbild Privatdetektiv Matula aus der legendären Krimiserie «Ein Fall für Zwei». Es muss ja nicht immer das Neueste sein, dafür unfallfrei. Der Unfall ist aber leider nicht weit. Unverschuldet wird Josef in einen solchen verwickelt. Die Versicherung spricht von einem Totalschaden. Die Reparatur würde mehr kosten, als der Alfa noch wert sei. Kann Josef trotzdem die Reparatur verlangen? 


Erhaltenswert oder nicht?

Gleich vorab: Wer bei einem Totalschaden eine Reparatur will, muss geschickt verhandeln. Totalschaden ist nicht gleich Totalschaden. Es gibt den technischen und den kaufmännischen Totalschaden. Beim technischen kann das Auto nicht mehr repariert werden. Bei einem kaufmännischen Totalschaden hingegen sind die geschätzten Reparaturkosten in etwa gleich hoch oder höher als der aktuelle Wert des Fahrzeugs. Josefs Alfa Romeo, gut gewartet, unfallfrei mit wenigen Kilometern auf dem Tacho soll gemäss Versicherung nur mehr 8000 Franken wert sein. Dies entspreche etwa dem sogenannten Zeitwert des Autos. Das heisst dem Wert, den das Auto unter Berücksichtigung von Alter, Gebrauch und Abnutzung zum Zeitpunkt des Schadens hatte. Ein Schadensexperte der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers begutachtete das Auto und schätzte die Reparaturkosten auf rund 10 000 Franken. 

 

Schätzung bleibt Schätzung

Das heisst: Es gibt weder für den Wert des Autos noch für die Reparaturkosten genaue, objektiv verbindliche Zahlen. Die Expertenmeinungen können auseinandergehen. Für die Versicherung ist es von Vorteil, wenn der Verkehrswert eher tief und die Reparaturkosten eher hoch geschätzt werden. Dann wird nur der tiefere Wert als Schaden übernommen und der Schadensfall kann effizient abgewickelt werden. 

Faktisch läuft das so ab: Die Versicherung stellt einem nach durchgeführter Schätzung eine Schadenregulierung zu – meist «Entschädigungserklärung» genannt. Darin steht der Betrag, den die Versicherung bereit ist, für den Schaden zu bezahlen. Zudem wird darin oft erwähnt, dass das Unfallauto der Versicherung zur Verwertung überlassen wird. Josef ärgert sich über diese Entschädigungserklärung. Einerseits findet er den Wert zu tief und andererseits die Reparaturkosten zu hoch. Zudem blutet sein Autofahrerherz, schliesslich gehöre sein Alfa noch nicht zum Alteisen und könne weitergefahren werden, sagt er überzeugt.

 

«Emotionalen Totalschaden» verhindern

So sucht er auf gängigen Onlineplattformen nach Angeboten mit vergleichbarem Jahrgang, Kilometerstand und Ausstattung. Die Suche ergibt eine recht grosse Spannbreite. Es zeigt sich, dass der geschätzte Wert des Versicherungsexperten im Direktvergleich sehr tief ist. Gleichzeitig holt Josef Offerten für die Reparatur des Unfallschadens ein. Da er auch bereit ist, Occasionsteile zu verbauen, können die offerierten Reparaturkosten tiefer gehalten werden, als die Schätzung des Experten der Haftpflichtversicherung annimmt. Occasionsteile kosten viel weniger als neue Teile. Zudem ist reparieren umweltschonender und braucht weniger Energie. Gerade in der heutigen Zeit darf die Nachhaltigkeit auch gelebt werden, indem nicht nur die kaufmännisch-wirtschaftliche Betrachtungsweise ausschlaggebend sein muss, ist Josef überzeugt. 

Er verhandelt geschickt und die Versicherung des Unfallverursachers zeigt sich verhandlungsbereit. Schliesslich kann der «emotionale Totalschaden» verhindert werden. Die Versicherung bezahlt die Reparatur. Josef und sein Alfa Romeo: weiterhin «Ein Fall für Zwei»! 

Zum Schluss noch dies, um im Fernsehjargon zu bleiben: Will man keine Occasionsteile verbauen, lohnt es sich, mit der Versicherung zu verhandeln, wenn die Totalschadensgrenze nur knapp erreicht ist. Dann kann der geschädigte Automobilist darauf bestehen, dass das Auto repariert wird. Liebhaberwerte sind aber nicht versichert. Das heisst, der Wert muss immer objektivierbar bleiben. 

Haben Sie eine Vollkaskoversicherung, melden Sie den Schaden auch dort an. Je nachdem übernimmt diese einen allfällig von der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers ungedeckten Teil. Und denken Sie daran: Ein Unfallauto ist stets weniger wert als ein unfallfreies Auto. Dazu mehr in der nächsten Ausgabe.

Robin Road wünscht Ihnen auch im Old- und Youngtimer stets gute Fahrt!

Text: Robin Road
Fotos: Vesa Eskola

 

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Robin Road hilft

Dr. Rainer Riek — alias Robin Road — schreibt in jeder ai-Ausgabe oder auf unserer Homepage
www.auto-illustrierte.ch über strassenverkehrsrechtliche Themen sowie rund ums Auto im Recht. Er ist Rechtsanwalt und Notar bei www.zp-law.ch und unter anderem spezialisiert auf Strassenverkehrsrecht. Zudem postet er seine Autoquartette auf dem Auto-Blog von www.driving.legal

Wenn Sie ein strassenverkehrsrechtliches Problem oder Fragen dazu haben, schreiben Sie Robin Road eine E-Mail: road@auto-illustrierte.ch

Wichtiger Hinweis: Es handelt sich hier meist um reale Fälle mit geänderten Namen. Jeder Fall ist verschieden und muss einzeln betrachtet werden. Daher erfolgen sämtliche Empfehlungen und Angaben ohne Gewähr.

 

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