Robin Road

Was nützt uns die Dashcam?

Hanna ärgerte sich grün und blau, als sie ihre Dashcam vergessen hatte einzuschalten: Sie wurde in einen Unfall verwickelt, an dem sie keine Schuld trug. Der andere Unfallbeteiligte behauptete das Gleiche. Hätte ihr die Dashcam-Aufnahme überhaupt geholfen? Robin Road erklärt die Rechtslage.

Veröffentlicht am 18.12.2021

Wegen des immer dichteren Verkehrs kaufen Lenkerinnen und Lenker eine Dashcam, um sich bei Unfällen besser verteidigen zu können, gerade wenn Aussage gegen Aussage steht. Dashcams können dabei wertvolle Hinweise auf den Unfallhergang geben und damit zur Klärung der Fakten beitragen.

Zuerst sollte die Dashcam korrekt installiert werden. Das Gerät darf das Sichtfeld der Lenkerin oder des Lenkers nicht stören und sollte daher im unteren Bereich der Windschutzscheibe angebracht werden. Wie beim Handy darf auch die Dashcam nicht ablenken, etwa durch unzulässiges Bedienen während der Fahrt.

 


Eigentlich verboten …

Einmal mit aktiver Dashcam unterwegs, könnte einen der Datenschutz ausbremsen. Dabei wird es etwas kompliziert, was erlaubt ist und was nicht. Grundsätzlich filmt ja jeder mit einer Dashcam heimlich, ohne Einwilligung der Gefilmten. Zudem wird sozusagen auf Vorrat gefilmt, somit bis zu einem gewissen Grad ohne konkreten Zweck. Beides ist grundsätzlich verboten.

Heilt bei Dashcam-Aufnahmen der Zweck die Mittel? Jein: Anhand einer Interessen- oder Güterabwägung muss entschieden werden, was überwiegt: Das öffentliche Interesse an der Aufdeckung einer Straftat oder das private Interesse im Sinne des Persönlichkeitsschutzes?

Wird man von einer Privatperson bei einer Straftat gefilmt, dürfen gemäss diversen Gerichtsentscheiden Videoaufnahmen von Privaten nicht verwendet werden, ausser es handelt sich um schwere Straftaten. Unklar ist zwar, wann eine solche schwere Straftat vorliegt. Immerhin sagte das Bundesgericht dazu, dass bei Bussen und Übertretungen bis hin zu sonst recht schweren Verkehrsregelverstössen (Art. 90 Abs. 2 SVG) private Videoaufnahmen nicht gegen die beschuldigte Person verwertet werden dürfen. Daraus lässt sich ableiten, dass geradezu ein Verbrechen vorliegen muss, bis Dashcam-Videos gegen einem verwendet werden dürfen. Dies dürfte bei extrem gefährlichen Manövern oder bei Raserdelikten der Fall sein, das heisst grundsätzlich innerorts mit mehr als 50, ausserorts mehr als 60 und auf der Autobahn mit mehr als 80 km/h zu schnell.

Wie sieht es nun aber aus, wenn man zur eigenen Verteidigung seine Dashcam-Aufnahmen verwerten will, wie dies Hanna tun wollte?

 

… aber es gibt Ausnahmen

Die eigenen Videoaufnahmen dürfen nach Ansicht von Experten zur Entlastung verwendet werden. Die oben erwähnte Güterabwägung sollte hier zugunsten der Verteidigungsrechte ausfallen. Heikel kann dies dann werden, wenn zu lange und zu viel aufgezeichnet wird. Wenn auf dem Filmmaterial unbeteiligte Dritte enthalten sind, könnte die Verteidigung mit der eigenen Aufnahme ebenso scheitern. Je weniger Material über unbeteiligte oder beteiligte Personen auf dem Video enthalten ist, desto eher werden solche Verteidigungsvideos erlaubt. Deshalb lohnt es sich nur so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich aufzuzeichnen. Moderne Dashcams enthalten entsprechende Funktionen. Der eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsberater (EDÖB) empfiehlt daher Kameras mit einem Beschleunigungssensor, der die Kameraaufzeichnung im Ereignisfall auslöst und wahlloses Filmen unbeteiligter Personen verhindert und weiter, dass Aufnahmen nur verschlüsselt gespeichert und laufend gelöscht oder überschrieben werden, damit die Bilder nur im Ereignisfall und durch die dafür zuständigen Strafverfolgungsbehörden eingesehen werden können. Letztere Empfehlung ist aber mit Vorsicht zu geniessen: Wenn man das eigene Filmmaterial nicht selber davor ansehen kann und das Video einen belastet, sollte man sich überlegen, ob man sich damit nicht selbst ins Fadenkreuz der Justiz manövriert. Zudem gibt es auch Manöver auf der Strasse, bei denen der Beschleunigungssensor nicht ausschlägt, weil es eben keine Beschleunigung gibt.

Hanna hätte die Dashcam wohl geholfen. Aber auch wenn sie etwas viel gefilmt hätte, hätte sie immerhin ein entlastendes Beweismittel einbringen können, getrost dem Motto, lieber ein Beweis, der allenfalls nicht verwertet werden kann, als gar kein Beweis.

 

Zum Schluss:

Wer Dashcam-Aufnahmen publiziert oder online stellt, auf denen Personen oder Fahrzeugkennzeichen erkennbar sind, verletzt die Persönlichkeitsrechte anderer Personen und kann auf dem Zivilweg dafür belangt werden.

Wenn Sie also noch einen Wunsch für unter den Weihnachtsbaum frei haben, dann wünschen Sie sich eine Dashcam, allenfalls mit so genannt datenschutzfreundlichen Technologien und stellen Sie die Aufnahmen niemals ins Netz.

 

Robin Road wünscht Ihnen frohe Festtage und gute Fahrt!

Text: Robin Road
Fotos: Vesa Eskola

 

Robin Road hilft

Dr. Rainer Riek — alias Robin Road — schreibt in jeder ai-Ausgabe oder auf unserer Homepage
www.auto-illustrierte.ch über strassenverkehrsrechtliche Themen sowie rund ums Auto im Recht. Er ist Rechtsanwalt und Notar bei www.zp-law.ch und unter anderem spezialisiert auf Strassenverkehrsrecht. Zudem postet er seine Autoquartette auf dem Auto-Blog von www.driving.legal

Wenn Sie ein strassenverkehrsrechtliches Problem oder Fragen dazu haben, schreiben Sie Robin Road eine E-Mail: road@auto-illustrierte.ch

Wichtiger Hinweis: Es handelt sich hier meist um reale Fälle mit geänderten Namen. Jeder Fall ist verschieden und muss einzeln betrachtet werden. Daher erfolgen sämtliche Empfehlungen und Angaben ohne Gewähr.

 

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